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Verwaltung, Verwaltungsrecht
und „ortspolizeiliche Bestimmungen“ auferlegt
werden (Jahrb. OG 12, 266; vgl. dazu O.
Mayer, St. d. Kgr. Sachsen S 293 Note 73).
— Für Württemberg pvgl. Gem Angeh G
a 46, VerwRpPflG a 16 gZiff. 7, Körperschafts-
steuer G a 3.
V. Trotz aller dieser Abweichungen über den
Umfang des Begriffs der öffentlichen Gemeinde-
anstalt im einzelnen, sind diese aber nur in den
durch besondere Normen als publizistisch quali-
fizierten Beziehungen, keineswegs im
Ganzen, dem Privatrecht entzo-
gen. Daher liegt in der Aufstellung einer Be-
nutzungsordnung nicht nur der Erlaß einer
Verw Verordnung und kein Akt der Eigen-
tums Verw (Fleiner S 296, 318), sondern beides;
und zwar je nach der vom positiven Recht ge-
zogenen Grenze. Hinter dieser macht sich das
Privateigentum der Gemeinde sofort wieder
geltend. Nicht nur in Preußen (vgl. OVG 21,
128; 51, 201; Kamptz-Delius 1, S 160, 162,
163 ; Erg Bd. 1, 169 f), sondern auch in Bayern
(ogl. DJ-Z 1914 S 383/4), in Württemberg
(vgl. Goez, Verw## Pflege S 372/3, 379 f) und
in Sachsen (vgl. Jahrb OG 17, 219 f, v. d.
Moselm S 281/2). Diese Eigentums Verw ist
natürlich gebunden an die Zweckbestimmung der
Anstalts-Sache. Oeffentliches Recht kommt erst da
wieder in Betracht, wo kraft vositiven Rechtes
neben der privatrechtlichen Begründung von
Rechten kraft positiven Rechtes auch „Verleihungen“
von öffentlichen Nutzungsrechten möglich
sind (uvgl. Goez 380 f).
Der im 18. Jahrhundert begonnenen Abschich-
tung des Polizeilichen vom „nutzbaren“ Privat-
rechtlichen im Begriff der Regalien entspricht mehr
die reinliche preußische Scheidung, während die
Zulassung beider Formen leicht zu Zweifeln und
Kompetenzkonflikten führen kann, da die Mah-
nung zur Deutlichkeit, die z. B. Goez erhebt, kaum
Beachtung finden kann. Unbedenklich ist es
natürlich, wenn das positive Recht nur öffent-
liche Nutzungsrechte zuläßt.
4. Der prinzipielle Gegensatz des deutschen
und französischen Berwaltungbrechtes
22. Service publle und öffentliche Gewalt.
Der grundsätzliche Gegensatz zwischen der deut-
schen und der französischen Grenzziehung von
Verw R und bürgerlichem Recht läßt sich etwa
auf die Formel bringen, daß bei uns der Begriff
der öffentlichen Gewalt, in Frank-
reich der des ser vice publie der Zentral-
begriff des Verw ist.
In Frankreich ist die gesamte Tätig-
keit der öffentlichen Verwaltung
zu einer herrschaftlichen und dem Privatrecht ent-
zogenen gestempelt, bei uns sind es nur die be-
sonderen Gewaltverhältnisse, die
das Recht zwischen den staatlichen und kommu-
nalen Behörden und den Einzelnen schafft. Denn
der leitende Gesichtspunkt für unsere Grenzziehung
war nicht der politische Machtgesichtspunkt, der
den französischen Absolutismus, die Revolution
und den Conseil d’Etat beseelte, die gesamte öffent-
liche Verw Tätigkeit von den Gerichten zu eximie-
ren, sondern lediglich der, die Verwaltungs-
behörden in der
Durchführung
der ihnen anvertrauten Verf -
gungsgewalt ungehindert durch-
greifen zu lassen. Auch die Reaktionszeit
hat nur den Gesichtspunkt der Beschränkung
des Rechtsweges gegen „Verfügungen“
und nicht den einer Einschränkung des Gebietes
des materiellen Privatrechtes walten
lassen. Der Begriff der „Verfügung“ ist hier in
seinem weitesten Sinne zu nehmen, im Sinne
der 85 38, 41 V v. 26. 12. 08, §+1 G v. 11. 5. 42
(Oppenhoff, Ressortverhältnisse: 323; Friedrichs,
LVG 278f; Laband" 2, 191 f; vgl. auch Kor-
mann, System d. rechtsgeschäftl. Staatsakte 62f
und Annalen 45, 39 f). IJ Verwaltungsakte.)
Nur insoweit die „öffentliche Ver-
waltung“" eine Verfügungsgewalt er-
halten hat und damit „tbesondere Gewalt-
verhältnisse“ zu bestimmten Subjekten geschaffen
sind (vgl. auch O. Mayer 1, 108 und Arch OeffR 3,
53 f), ist sie auch in öffentlich= rechtlich e n
Formen tätig, neben diesen Gewaltverhältnissen
in privatrechtlichen. Der „öffentliche“ Charakter
ihrer sonstigen „Verrichtungen“ in bezug auf
die verfolgten „Zwecke“ oder „Interessen“ macht
sie nicht zu öffentlichGrechtlichen (ebenso
Goez 12 f). Wir sahen, daß dies auch die Kriterien
waren, nach denen bei uns in der Lehre von den
ôöffentlichen Sachen und Anstalten die Ausschei-
dung — im Gegensatz zum französischen Recht
— vorgenommen wird. Hier: Behörden verliehene
öffentliche (Verfügungs-) Gewalt gegenüber der
privaten Eigentums= und Vertragsordnung, dort:
die private Eigentums= und Vertragsordnung
ausschließende herrschaftliche Verrichtungen und
Unternehmungen.
Abgesehen von den sogen. Hoheitssachen (im
Sinne des § 36 V v. 28. 12. 08; für Sachsen vgl.
O. Mayer, StaatsR. d. Kgr. Sachsen S 225;
für Württemberg — sogen. „Regiminalverwal-
tung“ — Hoffmann in Z Staatsw 1, 192 f; für
Baden W. Andreas, Geschichte der bad. Verw-
Organisation u. Verfassung S 263 Note 2) und
Finanzsachen ist unser Verw't in der Tat
wesentlich Polizeirecht (im Sinne des
l 38 Vv. 26. 12.08 und §5 1 Gv. 1I. ö. 42; s. auch
v. Sarwey, Allgem. VerwR 517 und oben § 15)
geblieben: Die „polizeiliche“ Tätigkeit ist je-
doch natürlich gegenüber der des „Polizeistaates“
sowohl in ihren Aeußerungen (nicht mehr bloß
Zwang) feiner differenziert, als auch in die For-
men des Rechtsstaates gegossen worden, indem
einerseits die Judikatur die Generalermächtigung
für die Polizeigewalt einer einengenden Inter-
pretation unterworfen hat, und anderseits eine
immer wachsende Fülle von Spezialgesetzen die
einzelnen Voraussetzungen, Formen und Wir-
kungen der „polizeilichen“ Tätigkeiten normiert.
Umgekehrt in Frankreich. Da war der Polizei-
begriff so stark an dem Begriff der (naiv mit der
privatrechtlichen Handlungsfähigkeit gleichgesetz-
ten; vgl. übrigens auch Schlosser, Briefe über
Gesetzgebung) „natürlichen Freiheit“ orientiert
(ogl. Wolzendorff oben #17; sowie Jeze 330i
und Berthlemy 225 f), daß daneben für die
nicht in Beschränkungen der natürlichen Freiheit
aufgehende Verwätigkeit jenes Überpolizeiliche
Recht der öffentlichen Sachen und Anstalten er-
wuchs. In Deutschland ist der Polizeibegriff rechts-
staatlich ausgestaltet und differenziert worden,