Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Der durch ein ohne „behördliche Anordnung“ errichtetes 
städtisches Wasserwerk Geschädigte kann gegen die Stadt 
aus dem Nachbarrecht (B zz vog, 1004) auf Beseitigung 
klagen und Schadensersatz nur nach 3 823 nicht nach Einl. 
Addn 1# 75 verlangen (Neumann, Rspr. d. Re in Ziv S. UH. 
2. Folge S 146/7). Gegenüber konzessionierten Eisenbahn- 
unternehmungen „gelten ohne alle Beschränkung die all- 
gemeinen Grundsätze des Nachbarrechts“, soweit Bauten 
und Einrichtungen in Frage stehen, „welche nicht unter 
das festgestellte Projekt fallen noch sonst von der Landes- 
polizeibehörde genehmigt worden sind“ (Kamptz-Delius, 
spr. d. RG u. KG2, 439; vgl. auch Neumann, Nspr. 149; 
sowie Eger, Enteign# S 165). „GWas der Unternehmer 
(einer Kleinbahn) aus eigener Entschließung und Machtvoll- 
kommenheit ohne Rückfrage bei der Landespolizeibehörde 
vornehmen darf, dazu kann er auch im Rechtswege ange- 
halten werden“ (Neumann II 2. Folge S 150). Daher wird 
der Klage auf Unterlassung der Arbeiten und des Lärmes 
im Depot einer Straßenbahn stattgegeben (Boh 4 906, 
1004): gerade „derartig große und gemeinnützige Unterneh- 
mungen" müssen „Mittel und Wege finden“, durch die sie ihren 
„Betrieb ohne besondere Schädigungen von Grundstücksnach- 
barn üben können“ (Neumann 2, 87 f; vol. Bd. II 2. Folge 
S70). Ebenso der Klage gegen die Pumpstation der städtischen 
Kanalisation (a. a. O. S 67), der Klage auf Entfernung von 
auf der Straße lagernden Baumaterialien, die den Zugang 
der Anlieger hindern und nicht auf polizeiliche Anordnung 
hin lagern (Kamptz-Delius 1, 253). Gegen Straßenarbeiten 
der Gemeinde, die nicht auf wegebaupolizeilicher Anordnung 
beruhen, kann wegen Eingrifse in Privatrechte durch Klage 
vorgegangen werden, da solche Aenderungen mangels einer 
polizeilichen Bersügung nicht obrigkeitliche, sondern privat- 
rechtliche Maßregeln sind (Kamptz-Delius, Erg. Bd. 1 S6; 
9/100; Neumann 2, 90; vol. Anschütz, Verwülrch 5, 
S. 88 ff; Soergel 1, 435 für Bayern; val. auch Apelt, 
VerwRechtspflegegesetz" S 124 Note 37, S 125 Note 42 für 
Sachsen). Ueber die staatlichen Artillericwerkstätten Neu- 
mann 2, 152. Ausgeschlossen ist das Privatrecht und der 
Rechtsweg eben nur, soweit der „Staat kraft seiner Hoheit 
den Schutz des Publikums und des einzelnen Nachbarn 
gegen die Gefahren und Nachteile“ selbst in die Hand ge- 
nommen hat und eine polizeiliche Verfügung im Einne des 
Gv. 11. 7. 42 vorliegt (S 150; vgl. auch Bd. II 2. Folge 
S 168). 
O. Mayer irrt, wenn er meint, daß durch dies 
Zurückgehen auf die polizeiliche Verfügung, „die 
dahinter steckt“, dasselbe rechtliche Ergebnis erreicht 
werde, wie durch die französischen Begriffe, und 
daß diese nur „einfacher" seien als jene „künstliche 
Konstruktion“ (Arch OeffR 15, 519). Denn erstens 
ist es, wie die Beispiele zeigen, ein anderes Ergeb- 
nis, und zweitens handelt es sich nicht um eine 
verschiedene Konstruktion desselben positiven 
Rechtsinhaltes, sondern um eine verschiedene le- 
gislatorische Behandlung desselben sozialen Phäno- 
mens (was bei O. Mayer nicht nur hier ver- 
wechselt wird: vgl. z. B. Arch OeffR 16, 93). 
Unserem Verwg'fehlt überhaupt das rechtstech- 
nische Mittel, um öffentliche Interessen verfolgen- 
den „Unternehmungen" den Rechtscharakter der 
„röffentlichen“ zu geben. Denn auch die Verleihung 
des „Enteignungsrechtes“ an ein Unternehmen 
„aus Gründen des öffentlichen Wohles“ (wie das 
Preuß. Enteignungsgesetz, oder an ein dem 
pöffentlichen Nutzen dienendes Unternehmen"“, 
wie das badische und hessische Gesetz sagen), hat 
diese Wirkung nicht: auch die Franzosen scheiden 
zwischen Etablissements publics und établisse-- 
ments d'utilité publique, und bei uns werden 
  
Verwaltung, Verwaltungsrecht 
„öffentliche Zwecke“ noch sehr viel mehr als in 
Frankreich durch „private“ Unternehmungen er- 
füllt. Die auf Grund von § 37 GewO von der 
Ortspolizei „geregelten"“ sog. Straßengewerbe, 
für die die Polizei einen Kontrahierungszwang 
vorschreiben kann, bleiben privatrechtliche Unter- 
nehmungen; die obrigkeitlich aufgestellten oder 
genehmigten „Taxen“, sowie die von der Auf- 
sichtebehörde festgestellten „Tarife“ (deren ein- 
elne „Vergütungen"“ nach § 90 Komm Abg G 
er Beitreibung im VerwZwangsverfahren unter- 
liegen) bleiben Bestandteile rein privatrechtlicher 
Verträge. Der publizistische Rückerstattungs an- 
spruch des Unternehmers einer Straßen--, Platz- 
oder Entwässerungsanlage für Anliegerleistungen 
nach ## 21 Ziff. 7 Sächs. Verwi# PflG macht den 
Unternehmer nicht zu einem „öffentlichen“ Unter- 
nehmer (Apelt S 125 Note 41). Immer werden 
nur in bestimmten einzelnen Beziehungen öffent- 
lich-rechtliche Befugnisse begründet, nie aber 
eine Veranstaltung als Ganzes dem 
Privatrecht entrückt. Das Institut, das in Frank- 
reich diese Macht besitzt, ist die Konzession. 
#§ 25. Die Konzession. Das deutsche Verwest 
besitzt dieses Institut der Konzession I[N] 
aber weder als ein generelles Institut, noch als ein 
mit den französischen Wirkungen ausgestattetes. 
Während in Frankreich Staat, Departements 
und Gemeinden allen böffentlichen Zwecken 
dienende Unternehmungen durch concessions 
einen verwaltungsrechtlichen Charakter verleihen 
können, kann bei uns die „Konzession“ nur da 
gebraucht werden, wo sie positirrechtlich ausdrück- 
ich nach Voraussetzungen, Formen und Wirkungen 
normiert ist. Und wo sie besteht, hat sie nicht ohne 
weiteres die französischen Rechtsfolgen. Denn 
wenn die concession heute auch aus dem Gebiete 
des domaine public herausgewachsen ist, so hat 
sie doch auf ihm ihre charakteristische Ausprägung 
erhalten (s. v. J# 17). Dagegen ist unsere „Kon- 
zession“ ein „polizeisrechtliches (s. o. 5 22) Insti- 
tut geblieben. 
Es ist weder im positiven Recht begründet, noch 
auch apriori einzusehen, warum die Errichtung von 
gewerblichen Anlagen, welche „für die Besitzer oder 
Bewohner benachbarter. Grundstücke oder für das 
Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefah-- 
ren oder Belästigungen herbeiführen können,“ in 
der „natürlichen Freiheit", in dem „Dürfen“ (ogl. 
Jellinek, System der subjekt. öffentl. Rechte 2 
S 46 ff; O. Mayer II S. 295 ff, vgl. auch 1# 
S. 250 ff, 257 ff; Kormann, Rechlsgesch. Staats- 
akte 83 ff) der Einzelnen enthalten sein soll, nicht 
dagegen der (doch auch dem Privatrecht unter- 
stehende) Betrieb von Eisenbahnen. Auch gegen- 
über „genehmigten“ gewerblichen Anlagen versagt 
nach § 26 GewO die negatoria. Da die natur- 
rechtlichen Anschauungen der französischen Revo- 
lution über den Inhalt der angeborenen' Rechte 
für uns keine Geltung besitzen, ist es schlechthin 
nicht zu entscheiden, ob die Verleihung der ju- 
ristischen Persönlichkeit an politische Vereine, die- 
Konzessionierung von Hypothekenbanken, der Aus- 
gabe von Inhaberpapieren, der Erteilung von Pri- 
vatunterricht usw. bereits „an sich Gedurftes' nur 
polizeilich „erlauben“, oder ein die „natürliche 
Freiheit“, übersteigendes „Können“ „gewähren“ 
(ogl. Spiegel, Verwl# Wissenschaft 214 f, der mit 
Recht fragt, warum denn auch gerade die „ge- 
  
 
	        
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