Verwaltung, Verwaltungsrecht
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tembergischen von v. Sarweykry 1883. Den
ersten Versuch einer zusammenfassenden Dar-
stellung des gesamten deutschen Verw K machte
Georg Meyer in seinem Lehrbuch des
deutschen VerwR, 1883 f (4. Aufl. bearbeitet von
Dochow im Erscheinen 1913 f), dem dann eine An-
zahl von Werken ähnlicher Tendenz folgten, insbe-
sondere das (leider nicht neu aufgelegte) Lehrbuch
d. deutschen Verwh von Edgar Loening (884),
Die Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts
von Bornhak (1884 ff), das Lehrbuch von K.
Foh. v. Stengel (1886), Das Staatsrecht von
Bornhak (1889 ff, 71911 ff) und andere.
5 32. Die Schule O. Mayers und die historisch-
positive Monographieliteratur. Selten wohl hat
eine Wissenschaft so tiefgehende und bedeutsame
Impulse erfahren wie die des Verw durch das
„Deutsche Verwaltungsrecht" von Otto Mayer
1895/6, dem namentlich Fritz Fleiner,
Institutionen des deutschen Verw NK, 1 1911,
21913, Karl Kormann, Walter Jel-
linek u. a. gefolgt sind. O. Mayer will die
rein „juristische Methode“ in die Wissenschaft des
Verwy einführen; er betrachtet dementsprechend
die nach dem „staatswissenschaftlichen System“
(Fleiner S 44 sagt sogar „staatswissenschaftliche
Methodes) aufgebauten bisherigen Darstel-
lungen als noch nicht wirklich juristische Behand-
lungen des Stoffes und darum im wesentlichen
als bloße Vorarbeiten für die rein juristische, die
er zu bieten versucht.
Der dogmengeschichtliche Ausgangspunkt für
diese „juristische“" Methode im öffentlichen Recht
liegt in den staatsrechtlichen Arbeiten von C. F.
v. Gerber. Im Anschluß an zunächst nur auf
die privatrechtliche Begriffsbildung bezügliche,
letzten Endes auf den Rechtsbegriff des Natur-
rechts zurückgehende, Unterscheidungen von Sa-
vigny und Puchta, die dann Heinrich Zoepfl
aufnahm (Ueber diese Entwicklung vgl. E. Kauf-
mann, Ueber den Begriff des Organismus in der
Staatslehre des 19. Jahrhunderts S 18 f, 22fü,
insbes. 24, 26 f, 31 f), will Gerber die konkreten
Lebensverhältnisse von den zu ihrer „Kon-
struktion“ nötigen rein formalen abstrakten
Rechtsbeziehungen gesondert und von dem
„Zweck“ und Wesensgehalt der staatlichen Insti-
tutionen nichts mit in die Rechtsbegriffe aufge-
nommen wissen: nur dadurch glaubte er eine dem
Privatrecht ebenbürtige juristische Behandlung der
publizistischen Institute ermöglichen zu können.
Da er sich aber über die Aussonderungsgesichts-
punkte, nach denen sich der abstrakte Rechtsfor-
malismus aus der konkreten Wirklichkeit des Le-
bens heraushebt, und über die Frage, worin das
Wesen des spezifisch Juristischen gegenüber der
konkreten Buntheit des Lebens denn eigentlich be-
steht, niemals Gedanken gemacht hat, so konnte
es nicht ausbleiben, daß er und die ganze von
ihm (mittelbar oder unmittelbar) beeinflußte Rich-
tung für ihre spezifisch juristische Technik ander-
weitige Anlehnung suchen mußten. Diese bot sich
dem hervorragendsten Vertreter dieser Richtung,
Laband, in dem Begriffssystem des (insbesondere
römischen) Zivilrechts, während G. Jellinek (dessen
Bedeutung freilich keineswegs in dieser „juristi-
schen“ Richtung erschöpft ist) sie in aprioristischen
und psychologischen Konstruktionen, und O. Mayer
in dem System des französischen Verw fand.
Und da dies sich wiederum an zivilistische Be-
griffe angelehnt hatte (s. o. 5 22), ebenso wie Jel-
linek unbewußt seine juristischen Konstruktionen
nach den festen Rechtskategorien des Zivilrechts
gemodelt hatte, so ist unmittelbar diese ganze „ju-
ristische“ Richtung wesentlich zivilistisch, im letzten
Grunde naturrechtlich (da es ja ein allgemeingül-
tiges überpositives Zivilrecht nicht gibt) orientiert,
wie das ja ihrem erwähnten dogmengeschicht-
lichhen Ausgangspunkte entspricht. Die Systematik
O. Mayers und die Problemstellungen Kormanns
bezeugen die zivilistische, das gerade für die funda-
mentalen Unterscheidungen wesentliche Argumen-
tieren mit der Kategorie der natürlichen Freiheit,
bezeugt die naturrechtliche Grundlage (s. auch oben
# 17, 25) der sog. juristischen Methode (ogl.
auch Haenel, Gesetz i. form. u. mat. Sinn S. 207).
Für O. Mayer vgl. die Zitate oben im §& 14 und
Arch OeffR 16, 66, wo er den „Maßstab“ suchen
will „aus dem, was hinter allen Rechtserschei-
nungen steht“, nämlich daß sie „vernünftig“" sein
sollen. Mag alles dies für das französische Verw.
möglich, ja notwendig sein, weil es einerseits seinen
Ausgangspunkt in der von naturrechtlichen An-
schauungen beherrschten Revolution hat, und weil
es anderseits wegen der Kategorie der öffentlichen
Anstalt ein vollkommenes Parallelsystem zu dem
des Zivilrechts brauchte (s. oben § 22), so muß
diese Methode unser Verwds einerseits verengen,
anderseits durch ihm fremde Erweiterungen dena-
turieren (vgl. zum Vorigen auch die Ausführungen
von Spiegel, Die Verw Wissenschaft 155 f).
Die geschilderte Anlehnung an die zivilrecht-
liche Systematik und Begriffsbildung und die
scharfe Ablehnung jedes Blickes auf die den
abstrakten Rechtsbegriffen zugrunde liegenden
Lebensverhältnisse ist um so merkwürdiger, als
die Privatrechtswissenschaft heute selbst an dem
Werte ihres sog. „Allgemeinen Teiles“ und
der bisher vielfach allein gehandhabten abstrakt-
konstruktiv-formalistischen Methode zu zweifeln
begonnen hat und überall die Tendenz zeigt —
auch außerhalb freirechtlicher Kreise —, die Be-
ziehungen zwischen dem sozialen Leben, seinen
Zwecken und Aufgaben zu den Rechtsbegriffen
in den Bereich ihrer Forschung und Betrachtung
zu ziehen. Ist doch auch bereits eine „Inter-
pretation“ der gesetzlichen Bestimmungen ohne
ein Zurückgehen auf den „Zweck“ der Normen
schlechthin unmöglich, garnicht zu sprechen von
den Problemen der Analogie und des argumen-
tum e contrario.
Der sog. „Allgemeine Teil“ unseres BGB
ist wesentlich nur ein allgemeiner Teil für das
Verkehrsrecht, seine Begriffe müssen sich daher
bereits bei ihrer Anwendung auf das Familien-
und Erbrecht wesentliche Korrekturen gefallen
lassen, ja bereits gegenüber dem Sachenrecht
ergeben sich Schwierigkeiten. Ebenso hat der
Zivilprozeß verschiedene Verfahrensarten aus-
bilden müssen. Das Verwaltungsrecht ist
nun aber noch bedeutend vielgestal-
tiger, wie schon typisch die Kategorie des sub-
jektiven Rechts, die im bürgerlichen Recht überall
im wesentlichen die gleiche ist, bei ihrer Ueber-
tragung in das öffentliche Recht verschiedener
Abstufungen fähig und bedürftig ist. Ein nach
den zivilistischen Begriffen aufgebauter Allgemei-
ner Teil des VerwR ist daher in Gefahr, ent-