Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltung, Verwaltungsrecht 
717 
  
tembergischen von v. Sarweykry 1883. Den 
ersten Versuch einer zusammenfassenden Dar- 
stellung des gesamten deutschen Verw K machte 
Georg Meyer in seinem Lehrbuch des 
deutschen VerwR, 1883 f (4. Aufl. bearbeitet von 
Dochow im Erscheinen 1913 f), dem dann eine An- 
zahl von Werken ähnlicher Tendenz folgten, insbe- 
sondere das (leider nicht neu aufgelegte) Lehrbuch 
d. deutschen Verwh von Edgar Loening (884), 
Die Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts 
von Bornhak (1884 ff), das Lehrbuch von K. 
Foh. v. Stengel (1886), Das Staatsrecht von 
Bornhak (1889 ff, 71911 ff) und andere. 
5 32. Die Schule O. Mayers und die historisch- 
positive Monographieliteratur. Selten wohl hat 
eine Wissenschaft so tiefgehende und bedeutsame 
Impulse erfahren wie die des Verw durch das 
„Deutsche Verwaltungsrecht" von Otto Mayer 
1895/6, dem namentlich Fritz Fleiner, 
Institutionen des deutschen Verw NK, 1 1911, 
21913, Karl Kormann, Walter Jel- 
linek u. a. gefolgt sind. O. Mayer will die 
rein „juristische Methode“ in die Wissenschaft des 
Verwy einführen; er betrachtet dementsprechend 
die nach dem „staatswissenschaftlichen System“ 
(Fleiner S 44 sagt sogar „staatswissenschaftliche 
Methodes) aufgebauten bisherigen Darstel- 
lungen als noch nicht wirklich juristische Behand- 
lungen des Stoffes und darum im wesentlichen 
als bloße Vorarbeiten für die rein juristische, die 
er zu bieten versucht. 
Der dogmengeschichtliche Ausgangspunkt für 
diese „juristische“" Methode im öffentlichen Recht 
liegt in den staatsrechtlichen Arbeiten von C. F. 
v. Gerber. Im Anschluß an zunächst nur auf 
die privatrechtliche Begriffsbildung bezügliche, 
letzten Endes auf den Rechtsbegriff des Natur- 
rechts zurückgehende, Unterscheidungen von Sa- 
vigny und Puchta, die dann Heinrich Zoepfl 
aufnahm (Ueber diese Entwicklung vgl. E. Kauf- 
mann, Ueber den Begriff des Organismus in der 
Staatslehre des 19. Jahrhunderts S 18 f, 22fü, 
insbes. 24, 26 f, 31 f), will Gerber die konkreten 
Lebensverhältnisse von den zu ihrer „Kon- 
struktion“ nötigen rein formalen abstrakten 
Rechtsbeziehungen gesondert und von dem 
„Zweck“ und Wesensgehalt der staatlichen Insti- 
tutionen nichts mit in die Rechtsbegriffe aufge- 
nommen wissen: nur dadurch glaubte er eine dem 
Privatrecht ebenbürtige juristische Behandlung der 
publizistischen Institute ermöglichen zu können. 
Da er sich aber über die Aussonderungsgesichts- 
punkte, nach denen sich der abstrakte Rechtsfor- 
malismus aus der konkreten Wirklichkeit des Le- 
bens heraushebt, und über die Frage, worin das 
Wesen des spezifisch Juristischen gegenüber der 
konkreten Buntheit des Lebens denn eigentlich be- 
steht, niemals Gedanken gemacht hat, so konnte 
es nicht ausbleiben, daß er und die ganze von 
ihm (mittelbar oder unmittelbar) beeinflußte Rich- 
tung für ihre spezifisch juristische Technik ander- 
weitige Anlehnung suchen mußten. Diese bot sich 
dem hervorragendsten Vertreter dieser Richtung, 
Laband, in dem Begriffssystem des (insbesondere 
römischen) Zivilrechts, während G. Jellinek (dessen 
Bedeutung freilich keineswegs in dieser „juristi- 
schen“ Richtung erschöpft ist) sie in aprioristischen 
und psychologischen Konstruktionen, und O. Mayer 
in dem System des französischen Verw fand. 
  
Und da dies sich wiederum an zivilistische Be- 
griffe angelehnt hatte (s. o. 5 22), ebenso wie Jel- 
linek unbewußt seine juristischen Konstruktionen 
nach den festen Rechtskategorien des Zivilrechts 
gemodelt hatte, so ist unmittelbar diese ganze „ju- 
ristische“ Richtung wesentlich zivilistisch, im letzten 
Grunde naturrechtlich (da es ja ein allgemeingül- 
tiges überpositives Zivilrecht nicht gibt) orientiert, 
wie das ja ihrem erwähnten dogmengeschicht- 
lichhen Ausgangspunkte entspricht. Die Systematik 
O. Mayers und die Problemstellungen Kormanns 
bezeugen die zivilistische, das gerade für die funda- 
mentalen Unterscheidungen wesentliche Argumen- 
tieren mit der Kategorie der natürlichen Freiheit, 
bezeugt die naturrechtliche Grundlage (s. auch oben 
# 17, 25) der sog. juristischen Methode (ogl. 
auch Haenel, Gesetz i. form. u. mat. Sinn S. 207). 
Für O. Mayer vgl. die Zitate oben im §& 14 und 
Arch OeffR 16, 66, wo er den „Maßstab“ suchen 
will „aus dem, was hinter allen Rechtserschei- 
nungen steht“, nämlich daß sie „vernünftig“" sein 
sollen. Mag alles dies für das französische Verw. 
möglich, ja notwendig sein, weil es einerseits seinen 
Ausgangspunkt in der von naturrechtlichen An- 
schauungen beherrschten Revolution hat, und weil 
es anderseits wegen der Kategorie der öffentlichen 
Anstalt ein vollkommenes Parallelsystem zu dem 
des Zivilrechts brauchte (s. oben § 22), so muß 
diese Methode unser Verwds einerseits verengen, 
anderseits durch ihm fremde Erweiterungen dena- 
turieren (vgl. zum Vorigen auch die Ausführungen 
von Spiegel, Die Verw Wissenschaft 155 f). 
Die geschilderte Anlehnung an die zivilrecht- 
liche Systematik und Begriffsbildung und die 
scharfe Ablehnung jedes Blickes auf die den 
abstrakten Rechtsbegriffen zugrunde liegenden 
Lebensverhältnisse ist um so merkwürdiger, als 
die Privatrechtswissenschaft heute selbst an dem 
Werte ihres sog. „Allgemeinen Teiles“ und 
der bisher vielfach allein gehandhabten abstrakt- 
konstruktiv-formalistischen Methode zu zweifeln 
begonnen hat und überall die Tendenz zeigt — 
auch außerhalb freirechtlicher Kreise —, die Be- 
ziehungen zwischen dem sozialen Leben, seinen 
Zwecken und Aufgaben zu den Rechtsbegriffen 
in den Bereich ihrer Forschung und Betrachtung 
zu ziehen. Ist doch auch bereits eine „Inter- 
pretation“ der gesetzlichen Bestimmungen ohne 
ein Zurückgehen auf den „Zweck“ der Normen 
schlechthin unmöglich, garnicht zu sprechen von 
den Problemen der Analogie und des argumen- 
tum e contrario. 
Der sog. „Allgemeine Teil“ unseres BGB 
ist wesentlich nur ein allgemeiner Teil für das 
Verkehrsrecht, seine Begriffe müssen sich daher 
bereits bei ihrer Anwendung auf das Familien- 
und Erbrecht wesentliche Korrekturen gefallen 
lassen, ja bereits gegenüber dem Sachenrecht 
ergeben sich Schwierigkeiten. Ebenso hat der 
Zivilprozeß verschiedene Verfahrensarten aus- 
bilden müssen. Das Verwaltungsrecht ist 
nun aber noch bedeutend vielgestal- 
tiger, wie schon typisch die Kategorie des sub- 
jektiven Rechts, die im bürgerlichen Recht überall 
im wesentlichen die gleiche ist, bei ihrer Ueber- 
tragung in das öffentliche Recht verschiedener 
Abstufungen fähig und bedürftig ist. Ein nach 
den zivilistischen Begriffen aufgebauter Allgemei- 
ner Teil des VerwR ist daher in Gefahr, ent- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.