Verwaltungsakte
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Der V. im weiteren Sinn ergibt sich,
wenn wir aus dem Begriff im weitesten Sinne
die privatrechtlichen und die rein tatsächlichen
Handlungen der Verwaltung ausscheiden. Dem
V. in diesem Sinn entspricht so einigermaßen das,
was die Schriftsteller im Durchschnitt mit der Be-
zeichnung V. belegen. Auch dieser Begriff ist aber
wesentlich nur ein Sammelnamen ohne praktische
Bedeutung.
Der V. im engeren oder eigent-
lichen Sinn ist der „rechtsgeschäft-
liche Verwaltungsakt“, d. h. jede Wil-
lenserklärung der Verwaltung, die nicht Rechts-
satzung ist. Der Begriff in diesem Sinn, auf den
eine allgemeine Theorie der V. zurückgreifen
muß, ergibt sich, wenn man aus dem Begriff im
weiteren Sinne die „rechtshandlungsmäßigen“ V.
ausscheidet, d. h. diejenigen Handlungen, an die
sich rechtliche Wirkungen ohne Rücksicht auf den
Willen des Handelnden anknüpfen.
Der V. im engsten Sinn endlich ergibt
sich, wenn wir aus dem engeren Begriff noch die-
jenigen Rechtsgeschäfte ausscheiden, die nicht von
eigentlichen Verw Behörden, sondern von der
Justiz ausgehen. In diesem Sinne gebraucht
Otto Mayer das Wort; ihm ist V. „ein der Ver-
waltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der
dem Untertanen gegenüber im Einzelfall bestimmt,
was für ihn rechtens sein soll“. Dem Zwecke des
vorliegenden Werks entsprechend wird im fol-
genden das Wort V. ebenfalls in diesem
Sinne verstanden werden, wobei aber zu be-
tonen ist, daß die dafür aufzustellenden Rechts-
sätze grundsätzlich nicht diesem Begriff spezifisch,
sondern vielmehr solche sind, die an den auch die
Justizakte umfassenden Begriff des rechtsgeschäft-
lichen V. anknüpfen.
II. Die V. können ein seitige oder
mehrseitige sein. Im letzteren Fall liegen
Vereinbarungen oder Verträge vor (§ 7). Der
erste Fall bildet die regelmäßige Erscheinung; in
ihm sprechen wir von „Verfügung“, die im folgen-
den eingehender erörtert werden soll (§## 2—6).
Die Verschiedenheit in der Behandlung der bei-
den Arten rechtfertigt sich mit Rücksicht auf ihre
verschiedene praktische Bedeutung. Abgesehen
davon, ist sie aber auch im Hinblick auf die Ver-
schiedenheit ihrer bisherigen wissenschaftlichen Er-
forschung notwendig; bezüglich der mehrseitigen
V. sind bisher noch keine irgendwie hinlänglichen
wissenschaftlichen Vorarbeiten vorhanden, die ge-
statten würden, über das für sie geltende Recht
mehr als einige leitende Gesichtspunkte zu for-
mulieren; bezüglich der einseitigen V. liegen die
Dinge insofern günstiger, als sie bereits in zwei
größeren systematischen Monographien (Walter
Jellinek, Fehlerhafter Staatsakt, 1908, und Kor-
mann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte,
1910) eine eingehende Darstellung gefunden haben,
und wenn auch selbstverständlich ohne weiteres
zugegeben werden muß, daß diese Darstellung
noch keine abschließende Theorie der V. bedeutet,
so erscheint es doch wenigstens zulässig, die wesent-
lichsten der in der letztgenannten Schrift gewonne-
nen Ergebnisse, die bisher jedenfalls noch keine
Widerlegung erfahren, verschiedentlich aber schon
von Spezialmonographien (Lagenstein, Die Ge-
werbepolizeierlaubnis, 1912; Mannhardt, Die
polizeilichen Aufgaben des Seemannsamtes, 1913;
vgl. auch Kulisch, Oesterreichisches Gewerberecht?)
s Grundlage benützt worden sind, als vor-
läufige Ergebnisse des heutigen Standes der
Wissenschaft hier zum Vortrag zu bringen.
II. bie einseitigen Verwaltungsahte (Verfügungen)
#s#2. Arten und Juhalt.
I. Der außerordentlichen Weite des Verfügungs-
begriffs entspricht die Vielseitigkeit der Eintei-
lungen, die bezüglich der Verfügungen mög-
lich sind.
Praktisch die wichtigste Einteilung ist die
nach Inhalt und Wirkungen der Ver-
gung. Sie führt zu einer reichen Gliederung,
ie zugleich die Mannigfaltigkeit der Verfügungen
deutlich zum Ausdruck bringt. (Von ihr wird unter
II gesondert zu sprechen sein.)
Neben ihr kommen noch folgende wichtigere
Unterscheidungen in Betracht:
Selbständige Verfügungen sind
von Amts wegen zulässig, unselbständige
nur auf Antrag.
Von freien Verfügungen fsprechen
wir dann, wenn ihre Vornahme oder ihr Inhalt
oder beides mehr oder minder im Ermessen des
Staatsorganes steht, von unfreien dann,
wenn dieses gebunden ist.
Dem Unterschied zwischen bedingten,
unbedingten und unbedingbaren
(a#otus legitimi), förmlichen und form-
losen, empfangsbedürftigen und
streng einseitigen Verfügungen sowie
dem Begriff der Formalakte begegnen wir
im folgenden.
. Die Einteilung der Verfügungen
nach Inhalt und Wirkungen wird be-
sonders bedeutsam für die Widerrufslehre.
1. Eine Uebersicht über sie ergibt folgendes
Schema (Erläuterungen unter 2):
A. Positive Verfügungen.
1. Rechtsbestimmende Verfügungen (Feststel-
lungen).
2. Rechtschaffende Verfügungen.
a) Personenrechtliche; sie gehen auf
aa) Schaffung von Verpflichtungen und
Lasten (verpflichtende und belastende
Verfügungen),
bb) Schaffung von Erlaubnissen, Rechten
und Fähigkeiten (konstitutive Verfü-
gungen i. e. S.),
cc) Schaffung von Rechtsverhältnissen,
dd) Schaffung von Rechtslagen.
b) Sachenrechtliche.
3. Rechtsverändernde Verfügungen.
4. Rechtsvernichtende Verfügungen.
a) personenrechtliche,
b) sachenrechtliche.
B8B. Negative Verfügungen
(Verweigerungen).
2. Zur Erläuterung der einzel-
nen Rubriken sei noch folgendes bemerkt.
a) Die Begriffe, auf die sich die Bezeichnungen
positive und negative Verfügun-
gen beziehen, sind klar. Positiv ist eine Ver-
fügung dann, wenn sie eine Aenderung des
Rechtszustandes hervorruft; diese Aenderung selbst