Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsakte 
719 
  
Der V. im weiteren Sinn ergibt sich, 
wenn wir aus dem Begriff im weitesten Sinne 
die privatrechtlichen und die rein tatsächlichen 
Handlungen der Verwaltung ausscheiden. Dem 
V. in diesem Sinn entspricht so einigermaßen das, 
was die Schriftsteller im Durchschnitt mit der Be- 
zeichnung V. belegen. Auch dieser Begriff ist aber 
wesentlich nur ein Sammelnamen ohne praktische 
Bedeutung. 
Der V. im engeren oder eigent- 
lichen Sinn ist der „rechtsgeschäft- 
liche Verwaltungsakt“, d. h. jede Wil- 
lenserklärung der Verwaltung, die nicht Rechts- 
satzung ist. Der Begriff in diesem Sinn, auf den 
eine allgemeine Theorie der V. zurückgreifen 
muß, ergibt sich, wenn man aus dem Begriff im 
weiteren Sinne die „rechtshandlungsmäßigen“ V. 
ausscheidet, d. h. diejenigen Handlungen, an die 
sich rechtliche Wirkungen ohne Rücksicht auf den 
Willen des Handelnden anknüpfen. 
Der V. im engsten Sinn endlich ergibt 
sich, wenn wir aus dem engeren Begriff noch die- 
jenigen Rechtsgeschäfte ausscheiden, die nicht von 
eigentlichen Verw Behörden, sondern von der 
Justiz ausgehen. In diesem Sinne gebraucht 
Otto Mayer das Wort; ihm ist V. „ein der Ver- 
waltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der 
dem Untertanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, 
was für ihn rechtens sein soll“. Dem Zwecke des 
vorliegenden Werks entsprechend wird im fol- 
genden das Wort V. ebenfalls in diesem 
Sinne verstanden werden, wobei aber zu be- 
tonen ist, daß die dafür aufzustellenden Rechts- 
sätze grundsätzlich nicht diesem Begriff spezifisch, 
sondern vielmehr solche sind, die an den auch die 
Justizakte umfassenden Begriff des rechtsgeschäft- 
lichen V. anknüpfen. 
II. Die V. können ein seitige oder 
mehrseitige sein. Im letzteren Fall liegen 
Vereinbarungen oder Verträge vor (§ 7). Der 
erste Fall bildet die regelmäßige Erscheinung; in 
ihm sprechen wir von „Verfügung“, die im folgen- 
den eingehender erörtert werden soll (§## 2—6). 
Die Verschiedenheit in der Behandlung der bei- 
den Arten rechtfertigt sich mit Rücksicht auf ihre 
verschiedene praktische Bedeutung. Abgesehen 
davon, ist sie aber auch im Hinblick auf die Ver- 
schiedenheit ihrer bisherigen wissenschaftlichen Er- 
forschung notwendig; bezüglich der mehrseitigen 
V. sind bisher noch keine irgendwie hinlänglichen 
wissenschaftlichen Vorarbeiten vorhanden, die ge- 
statten würden, über das für sie geltende Recht 
mehr als einige leitende Gesichtspunkte zu for- 
mulieren; bezüglich der einseitigen V. liegen die 
Dinge insofern günstiger, als sie bereits in zwei 
größeren systematischen Monographien (Walter 
Jellinek, Fehlerhafter Staatsakt, 1908, und Kor- 
mann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, 
1910) eine eingehende Darstellung gefunden haben, 
und wenn auch selbstverständlich ohne weiteres 
zugegeben werden muß, daß diese Darstellung 
noch keine abschließende Theorie der V. bedeutet, 
so erscheint es doch wenigstens zulässig, die wesent- 
lichsten der in der letztgenannten Schrift gewonne- 
nen Ergebnisse, die bisher jedenfalls noch keine 
Widerlegung erfahren, verschiedentlich aber schon 
von Spezialmonographien (Lagenstein, Die Ge- 
werbepolizeierlaubnis, 1912; Mannhardt, Die 
polizeilichen Aufgaben des Seemannsamtes, 1913; 
  
  
vgl. auch Kulisch, Oesterreichisches Gewerberecht?) 
s Grundlage benützt worden sind, als vor- 
läufige Ergebnisse des heutigen Standes der 
Wissenschaft hier zum Vortrag zu bringen. 
II. bie einseitigen Verwaltungsahte (Verfügungen) 
#s#2. Arten und Juhalt. 
I. Der außerordentlichen Weite des Verfügungs- 
begriffs entspricht die Vielseitigkeit der Eintei- 
lungen, die bezüglich der Verfügungen mög- 
lich sind. 
Praktisch die wichtigste Einteilung ist die 
nach Inhalt und Wirkungen der Ver- 
gung. Sie führt zu einer reichen Gliederung, 
ie zugleich die Mannigfaltigkeit der Verfügungen 
deutlich zum Ausdruck bringt. (Von ihr wird unter 
II gesondert zu sprechen sein.) 
Neben ihr kommen noch folgende wichtigere 
Unterscheidungen in Betracht: 
Selbständige Verfügungen sind 
von Amts wegen zulässig, unselbständige 
nur auf Antrag. 
Von freien Verfügungen fsprechen 
wir dann, wenn ihre Vornahme oder ihr Inhalt 
oder beides mehr oder minder im Ermessen des 
Staatsorganes steht, von unfreien dann, 
wenn dieses gebunden ist. 
Dem Unterschied zwischen bedingten, 
unbedingten und unbedingbaren 
(a#otus legitimi), förmlichen und form- 
losen, empfangsbedürftigen und 
streng einseitigen Verfügungen sowie 
dem Begriff der Formalakte begegnen wir 
im folgenden. 
. Die Einteilung der Verfügungen 
nach Inhalt und Wirkungen wird be- 
sonders bedeutsam für die Widerrufslehre. 
1. Eine Uebersicht über sie ergibt folgendes 
Schema (Erläuterungen unter 2): 
A. Positive Verfügungen. 
1. Rechtsbestimmende Verfügungen (Feststel- 
lungen). 
2. Rechtschaffende Verfügungen. 
a) Personenrechtliche; sie gehen auf 
aa) Schaffung von Verpflichtungen und 
Lasten (verpflichtende und belastende 
Verfügungen), 
bb) Schaffung von Erlaubnissen, Rechten 
und Fähigkeiten (konstitutive Verfü- 
gungen i. e. S.), 
cc) Schaffung von Rechtsverhältnissen, 
dd) Schaffung von Rechtslagen. 
b) Sachenrechtliche. 
3. Rechtsverändernde Verfügungen. 
4. Rechtsvernichtende Verfügungen. 
a) personenrechtliche, 
b) sachenrechtliche. 
B8B. Negative Verfügungen 
(Verweigerungen). 
2. Zur Erläuterung der einzel- 
nen Rubriken sei noch folgendes bemerkt. 
a) Die Begriffe, auf die sich die Bezeichnungen 
positive und negative Verfügun- 
gen beziehen, sind klar. Positiv ist eine Ver- 
fügung dann, wenn sie eine Aenderung des 
Rechtszustandes hervorruft; diese Aenderung selbst
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.