Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsbeiräte 
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wirkung bei den Vorarbeiten für Handels= und 
Zollverträge, bei der Einführung neuer Industrie- 
zweige, bei der Förderung des Exports und son- 
stiger erheblicher Interessen der Industrie und 
des Handels. Die Abteilung für Handwerk und 
Gewerbe berät hauptsächlich über tüchtige Aus- 
bildung der Lehrlinge und Gesellen, Fortbildung 
der Handwerksmeister in Meisterkursen, Pflege 
des gewerblichen Genossenschaftswesens und An- 
regung sonstiger Einrichtungen und Veranstal- 
tungen im Interesse des Handwerks und Ge- 
werbes. Die Abteilung für Arbeiterschutz und 
wohlfahrt befaßt sich, im Einvernehmen mit den 
Gewerbeaussichtsbeamten, mit dem Schutz der 
industriellen und gewerblichen Arbeiter vor Ge- 
fährdungen des Lebens und der Gesundheit in den 
Betrieben und mit der Hebung der Arbeiterklasse 
in ökonomischer und moralischer Hinsicht. 
III. Gewerbliche Beiräte mit beschrönk- 
teren Aufgaben finden sich namentlich in 
der Reichsverwaltung. 
Von besonderer Bedeutung unter diesen sind 
der Börsenausschuß [I, der Beirat für das Aus- 
wanderungswesen I[I/| und der Versicherungsbei- 
rat ([J/I. Auf die Zusammensetzung dieser drei 
Beiräte übt der Bundesrat Einfluß. Die Mitglie- 
der des Börsenausschusses wählt er auf Vorschlag 
präsentationsberechtigter Organe und Vereini- 
gungen; die des Beirates für das Auswanderungs- 
wesen wählt er frei; die des Versicherungsbeirates 
schlägt er dem Kaiser zur Ernennung vor. 
Der Börsenausschuß (5 3 des Börsen G in 
der Fassung der Bek v. 27.5.08, Röl 216) wird 
zur Hälfte auf den Vorschlag von Börsenorganen, 
zur Hälfte auf denjenigen von Landwirtschafts- 
und Gewerbevertretungen gewählt. Ihm ob- 
liegt die Begutachtung der durch das Börsengesetz 
dem BR übertragenen Angelegenheiten, unter 
denen die Regelung der Wertpapierzulassung und 
des Börsenterminhandels eine Rolle spielt. Die 
Amtsperiode beträgt fünf Jahre. 
Der Beirat für das Auswanderungs- 
wesen (7 38 R v. 9. 6. 97 RGBl 463) ist 
zur Mitwirkung bei der Ausübung der dem Rr# 
auf dem Gebiete des Auswanderungswesens zu- 
stehenden Befugnisse berufen. Wegen der Eig- 
nung zum Mitglied ordnet das Gesetz nur an, 
daß Sachverständige im Auswanderungswesen 
berufen werden sollen. So finden sich denn in 
dem alle 2 Jahre zu erneuernden Beirate derzeit 
Schiffahrttreibende und Vertreter der verschieden- 
sten an der Auswanderung interessierten Wissen- 
schaften und Erwerbszweige. 
Der Versicherungsbeirat (* 71 des R# 
v. 22. 5. 01, betr. die privaten Versicherungsunter- 
nehmungen, R# 139), ist dem Aufsichtsamt für 
Privatversicherung beigegeben. Er besteht aus 
Sachverständigen des Versicherungswesens, unter 
denen jedoch keine Leiter oder Beamte öffentlicher 
Versicherungsanstalten sein dürfen. Die Mitglieder 
haben das Aufsichtsamt auf Erfordern gutachtlich 
zu beraten und bei bestimmten Entscheidungen 
des Amtes, insonderheit bei Konzessionierung von 
Versicherungsunternehmungen, mitzuwirken. Der 
Versicherungsbeirat nimmt also auch an der Hand- 
habung der Gewerbepolizei teil. Die Amtsdauer 
umfaßt fünf Jahre. 
Wegen des engen Zusammenhangs der So- 
zialpolitik mit der Gewerbepolitik sei hier 
  
auch der Beirat der Ständigen Ausstellung für 
Arbeiterwohlfahrt in Charlottenburg, einer Reichs- 
einrichtung, erwähnt. 
Im Reich bestehen ferner eine Verteilungsstelle 
für die Kaliindustrie (J (6P 7, 8 des 
RG v. 25. 5. 10, betr. den Absatz von Kalisalzen, 
RGBl 775) sowie ein Prüfungsamt für Tabak- 
bewertung zu Bremen (F 7 des Tabak- 
steuerG v. 15. 7. 09 in der Fassung der Bek 
v. 21. 7. 09, Röll 793), die beide unter Heran- 
ziehung von Männern des Wirtschaftslebens or- 
ganisiert sind. Das Prüfungsamt dient haupt- 
sächlich als Beirat bei der Verzollung des Ta- 
baks [JI. Die Kaliverteilungsstelle arbeitet bei 
der Organisation des Kaliabsatzes mit. In ge- 
wissen Fällen fungieren bei der Verteilungsstelle 
auch Arbeitervertreter als Beisitzer. 
C. Beiräte, die die gesamte Volkswirt- 
schaft vertreten und durch ihre die Diagonale 
der divergierenden Standesinteressen ziehenden, 
zusammenfassenden Gutachten der Regierung es er- 
leichtern sollen, eine Politik des Ausgleichs und der 
Gerechtigkeit auch in wirtschaftlichen Angelegenhei- 
ten zu üben, erschienen schon dem Fürsten Bismarck 
erstrebenswert. Der von ihm herrührende preu- 
Hische Volkswirtschaftsrat ist jedoch nicht zu Be- 
deutung gelangt [J Staatsrat]. Der später im 
Reich eingerichtete „Wirtschaftliche Ausschuß zur 
Vorbereitung und Begutachtung handelspolitischer 
Maßnahmen" hingegen beeinflußt die Zollpolitik 
des Reichs nachdrücklich (J Handelsverträgel. 
66. Die Statistischen Beiräte. Dem Statisti- 
schen Amt des Reichs steht ein Beirat für 
Arbeiterstatistik zur Seite. Die Mitglieder 
werden vom BR und RI je zur Hälfte gewählt. 
Dem Beirat obliegt die Förderung der Arbeiter- 
statistik. Beim Statistischen Amt des Reichs tritt 
ferner jährlich ein Beirat für Außen-Handels- 
statistik J „zur Ermittlung der Handels- 
werte der Waren, gebildet aus über 160 bedeu- 
tenden Männern der Landwirtschaft, der Industrie 
und des Handels, zusammen. 
Die in Preußen bestehende „Statistische 
Zentralkommission“" hat im wesentlichen den 
Zweck, die Arbeiten des Preußischen Statistischen 
Landesamts zu fördern; sie besteht überwiegend 
aus Vertretern der verschiedenen Ministerien. 
In Bayern entspricht der preußischen Zentral- 
kommission der Statistische Beirat. In Würt- 
temberg ist dem Statistischen Landesamt ein 
Beirat als Bestandteil eingefügt; außerdem ver- 
fügt die geologische Abteilung des Amtes noch 
über einen besonderen Beirat. 
Württemberg hat einige eigentümliche 
Einrichtungen mit Beiratscharakter, so z. B. das 
Strafanstaltenkollegium, in dem alle am Straf- 
vollzug interessierten Kreise vertreten sind, die 
Kommission für die Erziehungshäuser sowie die 
Körperschaftsforstdirektion zur Oberleitung des 
Kommunalforstwesens, bei der auch Kommunal- 
vertreter beirätlich mitwirken. 
8 7. Zusammenfassung. Die wachsende Zahl 
der V. und die steigende Bedentung ihrer Tätig- 
keit drängen sich jedem Beobachter auf. Die V. 
sind der jüngste Ausläufer der großen Bewegung, 
die die Teilnahme der Staatsbürger an den öffent- 
lichen Geschäften bezielt, und die in den Re- 
präsentativverfassungen, in der Reform der Selbst- 
verwaltung auf kommunalem und kirchlichem Ge- 
 
	        
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