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Verwaltungsdienst (Vorbereitung)
als „geprüfte Rechtspraktikanten“ bei einer Di-
striktsverwaltungsbehörde bis zu einem Jahr un-
entgeltlich Dienst zu leisten und werden alsdann
als „Regierungsakzessisten“ zur Fortsetzung des
Dienstes gegen geringe Besoldung an eine Re-
gierung, Kammer des Innern, einberufen.
## 4. Sachsen und Württemberg haben durch
ihre neue Gesetzgebung sich mehr dem preußischen
System genähert.
Sachsen verlangt in seinen neuen Bestim-
mungen mindestens 2½1½2jährige Beschäftigung
bei Gerichten und Rechtsanwalt (½ Jahr). Dann
Zulassung zum Vorbereitungsdienste durch das
Min Inn, Beschäftigung ½ Jahr bei Amtshaupt-
mannschaft oder Polizeidirektion Dresden (probe-
weise), dann ½ Jahr bei Gemeinde, ev. noch bei
Steuer-, Zoll-, Eisenbahnbehörde oder bei Han-
delskammer, industriellem oder landwirtschaft-
lichem Betrieb, zusammen mindestens 1½ Jahr.
Nun folgt eine besondere Verw Prüfung (Kom-
mission aus höheren Verwaltungsbeamten und
Mitgliedern des Oberverwaltungsgerichts):öschrift-
liche Aufgaben, worunter eine praktisch, binnen
8 Wochen höchstens zu erledigen und mündliche
Prüfung über Staats-, Verwecht und Staats-
wissenschaften, auch die Hauptgrundsätze des
Privat-, Straf= und Prozeßrechts.
Württemberg verlangt 3 jähriges
Rechtsstudium (mindestens 3 Semester an einer
deutschen Universität), dann Erstehung der ersten
höheren Justizprüfung (nach §# 2 haben alle Leh-
rer der rechts= und der staatswissenschaftlichen
Fakultät das Recht, der Beratung und Beschluß-
fassung über die auszustellenden Zeugnisse anzu-
wohnen). Der Vorbereitungsdienst für Juristen
umfaßt drei Jahre (1 Amtsgericht, 1 Landgericht,
1 Rechtsanwalt). In der 2. Prüfung vor einer
5 gliedrigen Kommission in Stuttgart wird ein
Zivilrechts-, ein Strafrechtsfall und eine Aufgabe
aus dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit
zu mündlichem Vortrag gegeben. Für den
Verwaltungs dienst wird nur 1 Jahr Be-
schäftigung in der Justiz gefordert. Das Gesuch
zum Uebergang in die Verwaltung geht dann
durch den Justiz Min an das Min Inn und es folgt
ev. 2 jährige Beschäftigung bei einem Bezirks-
amte, einer Kollegialbehörde und einer Gemeinde
(eingehend & 7 d. V). Für höchstens 6 Monate
kann Beschäftigung bei einem gewerblichen Un-
ternehmen oder in einem staatswissenschaftlichen
Seminar erfolgen. Die Staatsprüfung für den
höheren Verwaltungsdienst findet vor einer be-
sonderen, aus höheren Beamten des Departe-
ments des Innern gebildeten Kommission in
Stuttgart statt; sie ist teils schriftlich (Behandlung
praktischer Fälle), teils mündlich. Aehnliche Be-
stimmungen sind für die Vorbildung zum höhe-
ren Finanzdienst erlassen.
8 5. In Baden und Hessen besteht kein Unter-
schied zwischen der Vorbereitung zum Verw= und
zum Justizdienst: sie ist in beiden Staaten für
beide Zweige des Dienstes einheitlich durch landes-
herrliche Verordnung geregelt.
In Baden wird Studium der Rechte wäh-
rend 7 Semestern, die Ablegung zweier Prü-
fungen und zwischen ihnen ein dreijähriger Vor-
bereitungsdienst gefordert. Es müssen Vorlefun--
gen nber 17 Fächer (sämtliche juristischen, gericht-
liche Medizin oder Verwaltungshygiene, staats-
wissenschaftliche und drei philosophische Vorle-
sungen), außerdem 4 Uebungen besucht sein. Die
1. Prüfung ist schriftlich und mündlich und findet
zweimal im Jahre vor dem Justiz Min statt. Die
schriftliche Prüfung besteht in Beantwortung von
43 Fragen, wozu je eine Stunde (Klaufur) ge-
währt wird. Es werden (7) Noten erteilt, die
durch Points (hinlänglich 209, vorzüglich 415)
festgestellt werden. Vom Vorbereitungsdienst
entfallen 12 Monate auf die innere Verwaltung
(18 auf Amtsgericht, 8 auf Landgericht, 4 Rechts-
anwalt). Nach bestandener zweiter Prüfung
(ebenfalls Klausurarbeiten und mündlich; einmal
im Jahre, Meldung im Februar) werden die
Bestandenen zu Assessoren ernannt. Uebungs-
gemäß werden in die Verwaltung die, die mit den
besten Noten bestanden, ohne Auswahl über-
wiesen.
Für Hessen sind im allgemeinen die glei-
chen Grundsätze maßgebend gewesen. Die erste
Prüfung findet vor der jur. Fakultät in Gießen statt.
Von der dreijährigen Praxis entfällt ½ Jahr auf
die Vorbereitung bei einem Kreisamte. Die
zweite Prüfung ist schriftlich (nicht über 8 Tage)
und mündlich und soll einen wesentlich praktischen
Charakter tragen. Sie wird jährlich zweimal
durch eine besondere Kommission in Darmstadt
abgehalten.
§ 6. Für die Schutzgebiete # Kolonialbeamte.
DQuellen: Preußen G v. 10. 8. o6 Vhdla d.
Abg.H. 1906 S 3534 ff, 4871 ff. Aeltere s. ob. (G v. 1879,
hrsg. v. Herrfurth). Ausf. Anw Pr Berw 27, 846. Bal.
Rönne" 1256. — Bayern: Vv. 4. 7. 99 neue Fasig.
v. 1. 8. 12 (GBl 703 ff). Min Bek v. 25. 10. 10 (MAsl o.
I. 723), geändert 1. 8. 12 (MBl d. J. 847). Vorschriften
für zugelassene „geprüfte Rechtspraktikanten“: B v. 13.
4. 10 (GVWl 169), Min Bek v. 16. 4. 10 (Mel 30s),
1. 4. 08 (Min (#Bl 169). — Sachsen: B v. 22. 12. 02,
GBlI 1903 S 51 (Vov. 30. 7. 80), BVv. 17. 2. 12 (GBl 15)
— Württemberg: 2 V v. 7. 12. 03 (RegBl 583,
596). — Baden: VB v. 15. 5. 07 (GBl 183), 14. 5. 08
(115), 26. 8. 00 (947), 17. 11. 99 u. 21, 11, 99 (GBl 647 f#h,
27. 8. 03, 31. 8. 03 (GBl 163), 22. 10.05 (GBl 407). Bal.
Bleicher (Schmidt), Jurist. Vorber. 1908. — Hessen:
Bv. 30. 4. 79, 17. 12. 10. Bek v. 17. 1. 80. Prüfungs O v.
3. 1. 67. — Elsaß--Lothringen: Regl v. (e. 9. 72
und) v. 27. 1. 82. Vgl. V v. 10. 1. 88.
Liüteratur: Die Vorbildung zum höheren Verw-
Dienste in den deutschen Staaten, Oesterreich und Frank-
reich (Schriften des Vereins für Sozialpolitik IXAIIV 1887:
10 Gutachten von Fischer, Lemayer, G. Cohn,
Merkel, Schanz, Jolly, Schönberg, Bosse,
Nasse, Leclerc.) Von früheren: Mohl in der
8 Staatsw 1845. Schäffle ebenda 1868. Jolly ebenda
1875. E. Nasse, Universitätsstudien u. Staatsprüfungen
der preuß. VerwBeamten, 1868; G. Meyer, Das
Studium des öff. R., 1875. v. Stein, Gegenwart und
Zukunft der Rechts= und Staatswissenschaft, 1875; G.
Cohn, Nationalökonomische Studien, 1886, S 39 ff (wo-
selbst weitere Literatur); v. Schwerin, Die Befähigung
zum höheren B (mit Lit.) 1908; Stier-Somio,
Ausbild. d. höh. Verwbeamten, 1906.
Zum Teil wird die Frage über die Borbildung zum
Verw Dienst auch berührt in der so überreichen Literatur
über die juristische Ausbildung. Man findet diese ziemlich
vollständig aufgeführt in Kirchenheims Reformation
des Rechteunterrichte (Sonderabdruck, Leipzig 1887) S 44 ff