Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsgemeinschaften (Internationale Unionen) 
  
Von andern Staatenverbänden unterscheiden 
sich die V. durch den Zweck, weshalb es ungenau 
war, wenn man sie früher mit Offensiv= und 
Defensivallianzen unter den Begriff „Allianz“ 
subsumiert hat. (So besonders Berner in Staats- 
wörterbuch 9, 647.) Die V. sind durch ihren 
Zweck nicht nur von den politischen, sondern auch 
von solchen Gemeinschaften zu unterscheiden, die, 
wie die Haager Abkommen v. 12. 6. 02 (interna- 
tionales Eheschließungs= und Ehescheidungsrecht, 
Vormundschaftsrecht), 17. 7. 05 (persönliches Ehe- 
recht, Entmündigungsrecht, Prozeßrecht), 23. 9. 10 
(Seerecht) und 24. 6. 12 (Wechselrecht) (N Inter- 
nationales Privatrecht) eine Gemeinschaft auf 
privatrechtlichem Gebiet schaffen, oder von solchen 
Gemeinschaften, durch die Justizgemeinschaften ins 
Leben gerufen werden (Beispiele: Die Staaten- 
gemeinschaft, auf der das Haager Schiedsgericht INI 
beruht; ferner im Reich Gerichtsverfassung, das 
thüringische (] Oberverwaltungsgericht in Jena 
(für Weimar, Altenburg, Coburg-Gotha und beide 
Schwarzburg: Staats Vt v. 15. 12. 10, 1. 4. 12.) 
Vielmehr sind nur solche Staatenverbindungen 
Verwaltungsgemeinschaften, bei denen die 
Gemeinschaft eine Seite der Verwaltungs- 
tätigkeit erfaßt. — 
IV. Verwaltungsgemeinschaften 
im engeren Sinne (auch Unionen 
und — mißverständlich — Verwaltungs- 
"„vereine“ genannt) sind auf Ver- 
einbarung beruhende, organisier- 
⅝te Verbindungen einer nicht ge- 
schlossenen Staatengruppe zu dem 
Zweck, eine Gemeinschaft auf ei- 
nmem der Verwaltung angehören- 
den Gebiet herbeizuführen. 
Es sind also nur solche V. als V. i. e. S. (im 
folgenden mit „Unionen“ bezeichnet) anzu- 
sprechen, die 
a) mit Organen begabt sind und bei denen 
b) der Zutritt einer über den Kreis der gegen- 
wärtigen Teilnehmer hinausgehenden Zahl von 
Teilnehmern „offen“ steht, gleichgültig, ob zum 
Beitritt („Adhäsion“) einfache Erklärung des Bei- 
tretenden an den dirigierenden Staat gehört, wie 
es die Regel ist, oder ob eine Zustimmung der 
Staaten erforderlich ist, die der Union bereits an- 
gehören. Letzteres ist der Fall bei der Eisenbahn- 
frachtgemeinschaft, bei der einstimmige Aufnahme 
verlangt wird, der Antisklavereigemeinschaft und 
bei der Zuckerunion, bei der die Aufnahme die 
Genehmigung der Zuckerkommission voraussetzt. 
Nur solche V., bei denen beide Erfordernisse 
zu den für die V. i. w. S. aufgestellten hinzu- 
bezw. an ihre Stelle treten, dürfen u. E. als 
„Unionen“ bezeichnet werden — eine in der Lite- 
ratur (in der, wie in der ganzen Behandlung der 
V. überhaupt, eine uniforme Systematisierung und 
Rubrizierung bislang nicht festzustellen ist) noch 
keineswegs anerkannte Einschränkung. 
§s# 2. Verwaltungsgemeinschaften, an denen 
Einzelstaaten des Reichs beteiligt sind. Da die 
Einzelstaaten, soweit nicht die Zuständigkeit des 
Reichs eingreift, völkerrechtliche Handlungsfähig- 
keit behalten haben, finden sich eine ganze Reihe 
von Verträgen zwischen den Staaten des Reichs 
untereinander, daneben — da insoweit das Reich 
überwiegend an die Stelle der Einzelstaaten ge- 
  
  
treten ist — vereinzelt auch zwischen Einzelstaaten 
und ausländischen Staaten IX Staatsverträge § 41. 
Unter ihnen verdienen folgende besondere Her- 
vorhebung: 
1. Die V. zwischen Preußen und Waldeck, 
durch die die innere Verwaltung des letztgenann- 
ten Fürstentums auf Grund der Akzessions Vi v. 
18. 7. 67 (Pr. GS 1868, 1), 24. 11. 77 (GS 
1878, 18), 2. 3. 87 (Pr. GS 1887, 177, dazu 
Fleischmann, Völkerrechtsquellen, 215) auf Preußen 
Übergegangen ist [ Waldeck!. 
2. Die Militärkonventionen 111. 
3. Die Zollgemeinschaften, deren 
wichtigste der Thüringische Zoll- und Steuerverein 
(Fortsetzung des durch Vt v. 10. 11. 33 geschaffenen 
Thüringischen Zoll= und Handelsvereins) ist 
BZollwesen 3 31. 
4. Steuergemeinschaften, insbeson- 
dere zur Verhütung der Doppelbesteuerung (1, so 
Vertrag Sachsens mit Preußen v. 16. 4. 69, betr. 
die direkten Steuern (s. auch Bd. 1, 613), ferner 
Oesterreich--Ungarns mit Preußen v. 21. 6. 99 
(Pr. GS 1900, 260; Fleischmann 291; Strupp, 
Urkunden, II, 312), Sachsen, Bayern (jetzt v. 
3. 7. 13, GVBl 1913, 747) und Württemberg. 
5. Die preußisch-süddeutsche Lotterie ge- 
meinschaft (Staats Vt v. 29. 7. 11) (JN Lotterie 
Bd. II S 7891. 
6. Die preußischhessische Eisenbahnge- 
* (Vtl v. 23. 6. 96) J Eisenbahnen Bd. 1 
7. Die Gothaer Konvention v. 15. 7. 51 und die 
Eisenacher Konvention v. 11. 7. 53, die eine Ein- 
heit auf dem Gebiete des Armenwesen s 
herstellen [X Armenrecht § 11 Bd. I, S 109—211 1 r 
Weitere Staatsverträge, die in besonders 
reichem Maße die Thüringischen Staaten LIJl ver- 
knüpfen, schaffen Gemeinschaften auf dem Ge- 
biete des Gesundheitswesens (z. B. ge- 
meinschaftliche Benutzung von Kranken= und 
Irrenanstalten), des Schulwesens (gemein- 
schaftliche Anstalten lz. B. die Sachsen-Weimar, 
S.-Altenburg, S.-Coburg-Gotha, S.-Meiningen 
gemeinschaftliche Universität Jenal oder doch ge- 
meinschaftliche Prüfungsbehörden), der Steuer- 
verwaltung (gemeinsame Steuerämter, z. B. 
das Fürstlich Schwarzburgische Erbschafts= und 
Zuwachssteueramt in Rudolstadt für beide Schwarz- 
burg), der Strafanstalten (so auf Grund 
verschiedener Verträge thüringischer Staaten mit 
Preußen), des Eichwesens (Eichämter) usw. 
§# 3. Verwaltungsgemeinschaften des Reichs. 
I. Zwischen dem Reich und einem aus- 
ländischen Staat. 
1. Die deutsch-luxemburgische Zoll- 
gemeinschaft, zurückreichend auf den Vt v. 29. 1. 42 
und nunmehr beruhend auf dem Vt v. 11. 11. 02 
[I/ Zollwesen!. 
2. Die deutsch-5österreichische gollge- 
meinschaft hinsichtlich der Gemeinden Jungholz 
und Mittelberg, Vt v. 2. 12. 90 (A Zollwesen. 
3. In gewissem Sinn gehört auch hierher die 
Zoll gemeinschaft zwischen dem Deutschen Reich 
(Kiautschougebiet) und China auf Grund der 
Uebereinkunft v. 17. 4. 99 bzw. 1. 12. 05 (Köbner, 
Kolonialpolitik, 178, serner Band II S 610 oben). 
4. Die deutsch-uxcemburgische Eisen- 
bahn gemeinschaft auf Grund des Vt1 v. 11. 11.02 
[X7 Eisenbahnen Bd. I S 671, auch III 2821. 
 
	        
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