Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Allgemeines) 
  
rem Verfahren (ähnlich L. v. Stein, Rechts- 
staat und VRPfl, Grünhuts Z 7, 27f; v. Sten- 
gel, Annalen 1875, 1314 f). Dennoch entschied 
sich die Sache nach dem Verfassungskonflikt rasch 
im entgegengesetzten Sinn und zwar war es 
nun vor allen Gneist, der als Gelehrter und 
Abgeordneter auf die einschlägigen preußischen 
Gesetze maßgebenden Einfluß gewann (wichtigste 
einschlägige Werke: Engl. Verf= und VerwRecht, 
1860, Geschichte und heutige Gestalt der engl. 
Kommunalverfassung, 1863, Rechtsstaat, ½ 1872, 
21 1879). Die Eigentümlichkeiten, welche die 
Organisation und die Ausgestaltung der V. in 
Preußen in seinem Sinne erhielt, werden in #& 4 
dargelegt. 
Wegen der Gesetze, durch welche die Idee der 
V. in Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden 
und Hessen verwirklicht und weiter gebildet 
wurde vgl. des näheren die folgenden Artikel; 
desgl. über die auf franz.-rechtlicher Grundlage 
beruhende V. in Elsaß-Lothringen und über die 
Spezialverwaltungsgerichte im Deutschen Reich. 
Die V. in den übrigen deutschen 
Staaten beruht auf folgenden Gesetzen: 
Oldenburg [NI v. 9. 5. 06; Braunschweig (JA 
v. 5. 3. 95; Anhalt [II v. 27. 3. 88, 1. 3. 90, 
26. 3. 08; S.-Meiningen v. 15. 3. 97; Lippe 
Gesetze v. 9. 2. 98; Thüringischer (XI Staats- 
vertrag betr. Errichtung eines gemeinsamen 
O in Jena v. 15. 12. 10, dazu Landesgesetze 
der beteiligten Staaten: S.-Weimar, S.-Alten- 
burg, S.-Coburg und Gotha, Schwarzburg- 
Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt. Die 
beiden Fürstentümer Reuß I/N| haben sich durch 
Staats Vi v. 22. 1. 11 an das Kgl sächsische OVG 
angeschlossen. 
Keine eigentliche Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit besitzen die drei Hanse- 
städte (Ersatz teilweise der Rechtsweg, vgl. 
Traub 18 ff), die beiden Mecklenburg und Schaum- 
burg-Lippe; für Waldeck greift die preußische V. 
ein. Die Frage der Errichtung eines einheit- 
lichen Reichsverwaltungsgerichts (unten S 751) 
ist in Fluß gebracht und dürfte in absehbarer 
Zeit ihre Erledigung im positiven Sinn finden. 
6#3. Ausgestaltung nach dem süddentschen Typ.6 
Von den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwi- 
schen Staat und Untertanen waren die vermö- 
gensrechtlichen diejenigen, für welche die Anwen- 
dung eines dem Zivilprozeß nachgebildeten Ver- 
fahrens am nächsten liegen mußte und das ba- 
dische Org. Gesetz betraf denn auch in erster Linie 
solche, nämlich vor allem Staatssteuerstreitig- 
keiten, aber auch schon einen nicht vermögens- 
rechtlichen Fall, den Anspruch auf Erteilung des 
Staatsbürgerrechts, dann nämlich, wenn er auf 
Rechtsgründen beruhte. Denn darüber war man 
sich einig und das ist auch das Prinzip, welches 
den VerwGesetzen Oesterreichs, Württembergs, 
Bayerns, soweit die Tätigkeit des V##Hin Frage 
kommt, zugrunde lag und welches von neueren 
Gesetzen dasienige Braunschweigs (1895) und 
Sachsens (1900) befolgt: daß nur die nach 
Rechtsgrundsätzen erlassenen Akte 
  
der Verwaltung der Kontrolle 
der Verwaltungsgerichte unter- 
worfen sein sollten, nicht die nach 
freiem Ermessen ergehenden, daß die VG nur zur 
Rechtskontrolle in diesem Sinn, bei der also die 
  
Nachprüfung der Ermessens= (nicht aber auch 
die der Tatfragen) ausgeschlossen ist, berufen 
sein sollten. Die Gesetze drücken das so aus, daß 
sie die Verletzung eines subjektiven Rechts odber 
das Bestehen eines Streits über Ansprüche und 
Verbindlichkeiten zur Voraussetzung der Verw- 
Klage machen. 
Oesterr. BG v. 22. 10. 75 #1 2: der BGe hat zu er- 
kennen „in allen Fällen, in denen jemand durch eine ge- 
setzwidrige Entscheidung oder Berfügung einer BerwBe- 
hörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet“; württ. 
VRPflG v. 16. 12. 76 a 13: der Kläger muß „in einem 
ihm zustehenden Recht verletzt oder mit einer ihm nicht 
obliegenden Verbindlichkeit belastet“ sein; braunschw. G 
v. 5. 3. 95 5 : die Klage kann nur darauf gestützt werden, 
daß die Entscheidung „den Kläger in seinen Rechten ver- 
letze“; bayr. BGG v. 8. 8. 78 a 8: es muß sich handeln 
um „Rechtsansprüche und Verbindlichkeiten“; ebenso 
bad. BR Pfl G v. 14. ö. 84: um „Ansprüche und Berbind- 
lichkeiten aus dem öffentlichen Recht“; zum Teil (so württ. 
BMR fl. G a# 13 Abs 2, bayr. V6G a 13 Abs 3, bad. BR Pfl G 
à 4 Abs 4) wird die Nachprüsung der akte freien Ermessens 
durch die VG noch auedrücklich ausgeschlossen. Das sächs. 
VR PflG v. 19. 7. o0 verlangt dagegen in bewußter A# 
weichung hiervon nur die Berletzung des objektiven Rechts; 
die Anfechtungsklage ist nach 76 desselben darauf zu 
stützen, „daß das bestehende Recht nicht oder nicht richtig 
angewendet worden sei“ (was übrigens, wie ein folgender 
Absatz deutlich macht, ebenfalls nicht im Sinn vdes Aus- 
schlusses auch der Tatfragen gemeint ist) und auch das 
bad. G v. 1863 hatte in 3 1 Abs 4 als Aufgabe der BG „die 
Rechtspflege in bestimmten Streitigkeiten über öffentliches 
Recht“ bezeichnet. 
Die letzteren Bestimmungen scheinen die in 
der Theorie vertretene Meinung zu stützen, 
wonach die Wahrung des öffentlichen Rechts. 
schlechthin als Aufgabe der V. zu bezeichnen wäre, 
ohne Rücksicht darauf, ob dessen Sätze eine 
solche Beziehung zu einzelnen Individuen haben, 
daß sie für diese subjektive öffentliche Rechte er- 
zeugen. Das hätte zur Folge, daß z. B. wegen 
einer mit den Baugesetzen in Widerspruch stehen- 
den Baugenehmigung nicht nur der Nachbar, zu 
dessen Schutz jene Normen geschaffen sind und 
für den sie daher Rechte erzeugen, sondern jeder 
Beliebige Klage erheben könnte. In Wirklich- 
keit wollen die meisten Gesetzgebungen solche 
Popularklagen im allgemeinen nicht ermöglichen. 
Dies gilt auch von dem badischen OrgG von 
1863 und dem sächsischen VRPflG von 1900. 
Das erstere, das dem Aufzählungsprinzip (s. 31 4) folgt, 
nennt dabei im allaemeinen nur solche Streitigkeiten, in 
denen es sich um Rechte einzelner handelt; Ausnahmen. 
könnte man etwa in den Fällen sehen, in denen es sich 
um die Wählbarkeit oder um die Ungültigkeit angefochtener 
Wahlen handelt (3# 5 Ziff. 9, val. jenzt BR# Pfl G v. 1884 
3 Ziff. 17 und 24), wofern man nicht auch in diesen Fällen 
subjektive Berechtigungen der Kläger als im Streit stehend 
annimmt, wie das der badische VG auedrücklich sogar 
für den Fall tut, daß irgend ein Wahlberechtigter die Gül- 
tigkeits-- oder Ungültiakeitserklärung einer Wahl anficht 
(vgl. Rechtsprechung des badischen G III, 104, 108, 1130. 
Das sächsische VR Pfl G aber hat die Anfechtungsklage, für 
die es nach §## 76 nur die Verletzung des objektiven Rechts 
zu sordern scheint, durch eine andere Bestimmung (6 73) 
nur „den Beteiligten" eröffnet und das bedeutet zusammen 
mit # 76 in Wirklichkeit eine Einschränkung ganz derselben 
Art, als wenn die Verletzung eines subicktiven öffentlichen 
Rechts ausdrücklich verlangt worden wäre; das sächsische
	        
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