Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen) 
755 
  
weise entzogen und auf den Oberpräsidenten von 
Brandenburg und Berlin und auf andere Behör- 
den verteilt (LV G # 45. G v. 13. 6. 00 und 
verschiedene Ergänzungs--und Erweiterungsgesetze); 
b) der Bergausschuß (Berg# # 192 a II, 5 194 
in der Fassung der G v. 14. 7. 05, 18. 6. 07, 
28. 7. 09, Gesch O v. 8. 12. 05, Min Bl Hand. 
333) für Klagen gegen gewisse Entscheidungen 
des Oberbergamts, Revisionsinstanz ist das 
Oberverwaltungsgericht; 
e) Die Beschlußbehörde für Groß-Berlin (Zw. 
Verbandsgesetz für Groß-Berlin v. 19. 6. 11, 
GS 123) 8 39. Diese entscheidet nach § 28 im 
Disziplinarstrafverfahren, nach § 33 V in Ver- 
bindung mit ProvO 5 98, 4 im Verwtreitver- 
fahren (streitig, aber mir nicht zweifelhaft), im 
übrigen anscheinend im Beschlußverfahren. Die 
wichtigsten Bestimmungen, namentlich über die 
obrigkeitliche Gewalt, sind recht unklar und un- 
vollständig. [X Zweckverband.!) 
d) nach der Novelle auch die Kammern für Abgaben- 
sachen, welche wie die Bezirksausschüsse an die Regierung 
angegliedert aber eine untere Instanz derselben für städtische 
Abgabensachen und ähnliche Angelegenheiten bilden sollen. 
Berufungsgericht ist der Bezirksausschuß, Revisionsgericht 
das Oberverwaltungsgericht. 
3. In der Provinzialinstanz der Oderstrom- 
Ausschuß (G v. 12. 8. 05 & 3, 11 II), für 
das Beschlußverfahren in gewissen Angelegen- 
heiten. 
4. In der höchsten Instanz des Verw- 
Streitverfahrens das Bundesamt für das Hei- 
matwesen in Berlin. Dieses ist ein VH für 
Heimatstreitigkeiten, der für Streitigkeiten zwi- 
schen verschiedenen Bundesstaaten kraft Reichs- 
recht zuständig ist, UnterstützungswohnsitzE v. 
7. 6. 08 (RGG# Bl 380) JIF 37 II, 41—51, für Strei- 
tigkeiten zwischen preußischen Armenverbänden 
aber auf Grund des AG v. 8. 3. 71 957 in Ver- 
bindung mit § 52 des Reichsgesetzes. 
5s 3. Zulässigkeit des Verfahrens. Die all- 
gemeine Zuständigkeit der V0, die 
Zulässigkeit des Verw treit= und Beschluß- 
verfahrens beruht in Preußen nicht auf allge- 
meinen Regeln, sondern nur auf besonderen 
Bestimmungen, die grundsätzlich der analogen 
Ausdehnung entzogen sind, aber der logischen 
Auslegung wie jede andere Rechtsnorm unter- 
liegen. Die Zulässigkeit des Verfahrens hat mit.- 
der Unterscheidung zwischen öffentlichem und 
privatem Recht, wenn überhaupt, nur einen 
losen Zusammenhang. Es gibt öffentlich-rechtliche 
Streitigkeiten vor den Zivilrichtern, und ebenso 
privatrechtliche vor den Verwichtern (z. B. 
Wildschaden). In gewissen, aber sehr seltenen 
Fällen ist dem VG ausdrücklich die Entscheidung 
über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen über- 
wiesen, wo aber diese Beschränkung nicht be- 
steht, hat das V#G alle Rechtsbehelfe des Klägers 
und des Beklagten zu prüfen, ohne Unterschied, 
ob sie dem öffentlichen oder dem Privatrecht 
angehören; die mehrfach wiederholte Vorschrift, 
daß die Entscheidungen unbeschadet aller privat- 
rechtlichen Verhältnisse ergehen (LBG #§& 7 1, 
127 V, ZustG # 160 I1), hat nur eine ganz ge- 
ringfügige Bedeutung. 
Denn im allgemeinen und grundsätzlich ist der 
Rechtsweg wegen der Ansprüche, die im Verw- 
Streitverfahren geltend gemacht werden können, 
  
ausgeschlossen (LVG 5P 13, ZustG §## 160). Wenn 
hinter einem Verw Streitverfahren eine Klage 
im ordentlichen Rechtsweg [/I folgen kann, so 
kann sie niemals denselben Anspruch betreffen, 
sondern einen anderen, wenn auch wirtschaftlich 
mit ihm zusammenhängenden. 
Wenn z. B. das Verwc entschieden hat, daß der Eigen- 
tümer und nicht der Pächter nach öffentlichem Recht einen 
Weg zu bauen, einen Graben zu räumen oder eine Schule 
zu unterhalten hat, so kann hinterher im Rechtswege geprüft 
werden, ob der Pächter etwa vertragsmäßig unternommen 
hat, dem Verpächter diese Last von der Hand zu halten. 
Wenn das Verwc# eine Gemeindesteuerveranlagung als 
zu Recht bestehend aufrecht erhalten hat, so kann im Rechts- 
wege darüber entschieden werden, ob die Gemeinde sich 
vertragsmäßig verpflichtet hat, den Untemehmer von Folgen 
des Besteuerungsrechts freizuhalten. 
Ferner läßt das Reichsgericht die actio 
judicati und ähnliche Klagen vor den 
ordentlichen Gerichten zu, indem es ausführt, 
daß zwischen der Feststellung und der Befriedi- 
gung eines Anspruchs noch ein Ereignis ein- 
treten kann, welches eine Entscheidung erforder- 
lich macht: Verzug des Schuldners, Zahlung 
an einen Unberechtigten oder an einen falschen 
Vertreter, Berücksichtigung einer unzulässigen 
oder Nichtberücksichtigung einer zulässigen Pfän- 
dung. Wenn die V zur Entscheidung dieser 
Streitigkeiten nicht mehr zuständig sind, und 
ihre Aufgabe mit der Rechtskraft ihres Urteils 
erschöpft ist, muß der ordentliche Rechtsweg ein- 
geschlagen werden, so weit seine Zulässigkeit aus 
s 13 GBV oder einem besonderen Gesetze ge- 
folgert werden kann, Ro# 3# 19, 69—73; Fried- 
richs, LVG 8 7 Anm. 15. 
Die Zulässigkeit des Verwtreitverfahrens 
hängt auch nicht davon ab, ob der Streit sich um 
Rechts= oder Ermessensfragen dreht. Die nament- 
lich von süddeutschen Juristen aufgestellte Lehre, 
wonach Ermessensfragen in der Beschwerde- 
instanz, Rechtsfragen im Verwstreitverfahren 
zu entscheiden seien, ist bis zu einem gewissen 
Grade bei der Anfechtung polizeilicher Verfü- 
gungen [V] (LV G SF 127—129) zum Ausdruck 
gebracht, aber gerade dieses wird als „preußische 
Original-Erfindung“, als „eine der unglücklichsten 
Schöpfungen der modernen Gesetzgebung“" be- 
zeichnet (Friedrichs, LVG N+ 128 Anm. 1) und 
soll durch die Novelle zum LV zum Ver- 
schwinden gebracht werden. Dagegen hat das 
O# vielfach den Grundsatz aufgestellt, daß die 
VGBehörden die Prüfung der Rechts= und Er- 
messensfragen in demselben Umfange haben, 
wie die nach der früheren Gesetzgebung zuständi- 
gen Behörden, an deren Stelle sie getreten sind. 
Danach ist dann in der Regel zu beurteilen, ob 
das „kann“ von dem V0 auszuüben sei, oder 
ob das Ermessen von der Behörde anzuwenden 
sei, die im Verfahren als Partei auftritt (Be- 
fugnis, eine gewerbliche Erlaubnis zu entziehen, 
oder Jemand von der Steuer aus besonderen 
Gründen freizustellen.) 
Zuweilen kann derselbe Tatbestand von der- 
selben Behörde wahlweise auf mehrfache Art zur 
Entscheidung gebracht werden; so hat der Ge- 
meindevorstand gegenüber einer Wahl zum Ge- 
meindeverordneten die Wahl zwischen der Klage 
nach ZustE § 11, 28 und der Anfechtung nach 
Zust G 3 15, 20 (OG 54, 46). 
48
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.