Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen) 
  
schen Gemeindevorstand in Stadt und Land 
(ZustG 21 II, 37 II) wegen gewisser Rechts- 
streitigkeiten. Wenn von dieser Befugnis kein 
Gebrauch gemacht wird, so werden diese Kolle- 
gien von den zur Vertretung des Kommunal= 
verbandes berufenen Behörden vertreten. Fer- 
ner braucht der Gemeindevorsteher, der als 
solcher legitimiert ist, keine Vollmacht des Ge- 
meindevorstandes oder des Gemeinderats bei- 
zubringen, sondern es bleibt seiner pflichtmäßigen 
Verantwortung überlassen, sich diese Genehmi- 
ung zu verschaffen. Diese Vorschrift wird in 
er Praxis in weitem Umfange analog ausgedehnt 
und soll in der Novelle noch weiter ausgedehnt 
werden. Abgesehen davon braucht der Bevoll- 
mächtigte eine schriftliche Vollmacht (LBV## . 
Die Parteien sind in der Wahl ihrer Bevoll- 
mächtigten nicht beschränkt. Das Gericht kann 
solche Personen, die, ohne Rechtsanwalt zu 
sein, die Vertretung vor dem Gericht geschäfts- 
mäßig betreiben, zurückweisen. 
Bei den Beratungen des Landesverwaltungsgesetzes hat 
die Besorgnis vor unkundigen und vielleicht gewissenlosen 
Rechtskonsulenten eine große Rolle gespielt, und deshalb 
ist dieser Grundsatz auch nicht wie im Zivilprozeß und ver- 
schiedenen anderen streitigen VBerw Verfahren abgeschwächt 
worden. 
Die Novelle will ihn noch verstärken, indem vor allen Be- 
hörden Personen zurückgewiesen werden können, welche 
nicht beschränkt geschäftssähig sind, und vor dem CVG 
auch solche, welche weder zum höheren Verw Dienst noch 
zum Richteramt besähigt sind. 
Wenn aber mehrere Streitgenossen vorhanden sind, so 
kann ihnen nach der Novelle die Bestellung eines gemein- 
samen Vertreters aufgegeben, und wenn sie vieser Anord- 
nung nicht nachkommen, ein solcher von Amts wegen be- 
siellt werden. Wenn das geschehen ist, so können Bevoll- 
mächtigte und Beistände einzelner Streitgenossen, aber 
nicht diese selbst zurückgewiesen werden. Das paßt natür- 
lich nur auf solche Fälle, in denen kein Widerstreit der In- 
teressen möglich ist, wird auch kaum anders angewandt 
werden. 
Bisher besteht aber auch schon die Vorschrift, 
daß die Ausfertigung der ergangenen Entscheidung 
nur einem der Streitgenossen zugestellt wird, 
während die übrigen Teilnehmer nur unter 
Mitteilung des Tenors von der Entscheidung 
benachrichtigt werden. Regulativ für das OV 
5 16 V, anwendbar auch auf Provinzialrat, Be- 
zirksausschuß und Kreisausschuß. 
Im übrigen besteht kein Zwang zur Bestellung 
des Bevollmächtigten, namentlich kein An- 
waltszwang. 
Die Rechtsanwälte [/| haben keine besonderen 
Vorrechte. Die allgemeinen Vorschriften der 
Rechtsanwaltsordnung über die Rechte und 
Pflichten der Rechtsanwälte finden auch auf die 
Tätigkeit vor den VerwE Anwendung, abgesehen 
von #& 25 1II und 33, 40, zu denen die Gelegen- 
heit fehlt. In bezug auf die Sitzungsvolizei (/I 
sind sie den Parteien gleichgestellt, LBG K 72 IV. 
Die Novelle wollte sie den Beamten gleichstellen, die 
Kommission des Herrenhauses hat aber eine Verweisung 
auf das deutsche Gerichtsverfasjungsgesetz vorgeschlagen. 
Indessen gibt es Maßregeln, um die Hinzu- 
ziehung von Rechtsanwälten möglichst einzu- 
schränken. Das sind die Vorschriften über die 
Pflicht zur Kostenerstattung. Nach dem gegen- 
wärtigen Recht können die Kosten cines Rechts- 
  
anwalts im Verfahren vor dem Kreisausschuß 
garnicht erstattet werden, vor dem Bezirks- und 
dem O nur wegen der Vertretung in der 
mündlichen Verhandlung, also mit Einschluß der 
halben Prozeßgebühr und gegebenenfalls der 
Beweis= und Vergleichsgebühr, aber ohne die 
Pauschsätze und andere Auslagen. 
Die Novelle will diese Beziehungen ändern, aber eine 
volle Erstattung soll nur im Berfahren vor dem O## G satt- 
finden. 
Prozeßhandlungen eines Nichtbevollmächtigten 
sind schon nach dem bisherigen Recht wirksam, 
wenn nur die Vollmacht bis zum Erlaß der Ent- 
scheidung nachgebracht wird. Die Novelle will 
das ausdrücklich aussprechen. 
Ueber den Umfang der Vollmacht entscheidet 
allein der Inhalt der Urkunden. Es gibt keine 
gesetzlichen Regeln. Doch wird das Wort „Pro- 
zeßvollmacht" im Sinne der §5s# 81, 82, 84, 85 88O 
zu verstehen sein. 
6 8. Das Verfahren. Grundsätzliches. 
I. Als Quelle des Verwtreitverfahrens gilt 
nur das LVG v. 30. 7. 83 und die auf Grund 
desselben (s 56) erlassenen Regulative für das 
OVG (v. 22. 2. 92, Mli V 133) und für Pro- 
vinzialrat, Bezirksausschuß und Kreisausschuß 
(v. 28. 2. 84, MBli B S 35, 37, 41). Die 8P O 
wird nur in einzelnen Fällen als anwendbar 
bezeichnet, Anführungen, die als sogenannte 
echte Verweisungen anzusehen sind, d. h. sich auf 
das Prozeßrecht in seiner jeweiligen Gestalt be- 
zichen. Eine allgemeine Bezugnahme auf die 
Z PoO hat nicht stattgefunden. 
Indessen ist die 8 PO auch im übrigen nicht 
ohne Einfluß auf die Anwendung und Auslegung 
des LV . Das Verwtreitverfahren ist dem 
Zivilprozeßverfahren nachgebildet. 
Gneist, Verh. des XlII. D#T 320; Zorn im 
Verwürch 2, 75; Schultzenstein im Verwürch 1, 91: 
2, 572; 4, 81; 7, 265; in DJZ8 1, 653; Anschütz im Verw- 
Arch 1, 402; Eccius in 3 für Gesetzgebung 3, 233; G. 
Mever-Dochon, D. Verw. 63; v. Sarwey, 
Berw R. 166; v. Sculze, Staats R. d. K. Preußen 131, 
Pr. StaatsR. 2, 667; v. Stengel, Organisation 29, 
Vern R. 109. 
Die Anhaltspunkte für eine angemessene Aus- 
füllung der Lücken sind daher der Wissenschaft des. 
Zivilprozeßrechts zu entnehmen. Allerdings hat 
die 3 PO v. 30. 1. 77 noch nicht als Muster ge- 
dient, weil das Verw treitverfahren in seinen 
wesentlichen, zum Teil noch heute geltenden 
Grundzügen schon zu einer Zeit eingeführt ist, 
als der Text der 8 PO noch nicht feststand. Aber 
noch weniger ist anzunehmen, daß die älteren 
Zivilprozeßgesetze, die auf ihrem eigentlichen 
Geltungsgebiete beseitigt worden sind, noch eine 
besondere Bedeutung für das Verwstreitver- 
fahren haben sollten, BAH in Pr Verwl 9P, 233 1. 
Vielmehr sind diejenigen zivilprozeßrechtlichen 
Sätze anzuwenden, die nach der heutigen wissen- 
schaftlichen Auffassung als notwendig für jeden 
Parteistreit und als geschriebene Vernunft und 
nicht als willkürliche positive Vorschriften anzu- 
sehen sind. Diese wissenschaftliche Auffassung 
ist bei sämtlichen Juristen, die das LV anzu- 
wenden haben, mit Hilfe der 3PO ausgebildet; 
die 3 PO stimmt auch in einer Reihe von Stellen 
(Schultzenstein zählt sie im Verw#rch 7, 265 auf) 
mit dem LV0 überein, und es läßt sich daher
	        
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