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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Bayern)
Viehseuchen und über die Reblaus, dann über
Flurbereinigungen, Erwerbs= und Wirtschafts-
genossenschaften, über private Versicherungsunter-
nehmungen, Zwangserziehung.
Der VerwRechtsweg ist für den Vollzug der
Gesetze über die Arbeiterversicherung INl beseitigt
[J Versicherungsbehörden!l.
Besondere Zuständigkeiten des Verwaltungs-
gerichtshofs sind noch:
1. Vorentscheidung über die Frage des amtlichen
Verschuldens (oben § 3);
2. schiedsrichterliche Entscheidung in zweiter
Instanz (über der Kreisregierung, Kammer des
Innern oder dem Bezirksamt) bei Auseinander-
setzungen über Ortschafts-, Gemeinde-, Distrikts-,
Kreis-, Kirchen-, Gemeinde= oder Schulvermögen
und -Anstalten, wenn Aenderungen im Bestande
der bezüglichen Verbände eintreten und sich die
Beteiligten nicht einigen können.
+5. Parteien und deren Vertretung; Staats-
anwaltschaft. Der Verw#echtsstreit setzt wie
jeder Rechtsstreit zwei streitende Teile voraus,
die möglicher-, aber nicht notwendigerweise auch
Prozeßparteien sind. Die Staatsgewalt als solche
verzichtet in der Regel, wenn ein öffentlicher
Rechtsstreit zwischen ihren Organen und einem
einzelnen oder einer Körperschaft entsteht, auf
die Rolle einer Partei im Prozesse. Eine Aus-
nahme besteht nur für die Streitigkeiten vor den
verwaltungsrechtlichen Senaten der RegFinanz-
kammern. Hier ist die Staatsgewalt durch einen
Staatsanwalt vertreten, der die Rechte einer
Prozeßpartei hat.
Eine völlig andere Stellung hat die Staats-
anwaltschaft beim VGH. Sie vertritt die Staats-
gewalt nicht als Prozeßpartei, sondern das „öffent-
liche Interesse“ an einer richtigen und gleichmäßi-
gen Rechtsprechung (a 4).
Die Prozeßrollen von Kläger und Beklagtem
sind für das verwaltungsgerichtliche Verfahren da,
wo nur eine Prozeßpartei auftritt, gegenstandslos.
Sie haben aber auch da, wo zwei Prozeßparteien
vorhanden sind, keine erhebliche sachliche Bedeu-
tung. Es gibt im verwaltungsgerichtlichen Pro-
zesse keine Beweislast, sondern die Ermittlung der
objektiven Wahrheit ist Aufgabe des Verwaltungs-
richters.
Das verwaltungsgerichtliche Verfahren kennt,
abgesehen von den Verhandlungen des Kompetenz-
senates beim VGH, keinen Anwaltszwang.
#6. Leitende Grundsätze des Verfahrens.
Die Prozeßparteien haben Anspruch auf rechtliches
Gehör (a 27, 35, 41). Das Verfahren ist, von
den Verw Untergerichten abgesehen, regelmäßig
mündlich und öffentlich (a 33, 41; Ausnahmen
Seydel-Piloty, Bayer. Staatsrecht? 1 #& 90).
Im allgemeinen besteht für die Parteien kein
Zwang zum Erscheinen bei Gericht. Es gibt kein
Versäumnisurteil. Wenn Parteien nicht erschei-
nen, gpird nach Lage der Sache erkannt (a 19, 27,
35, 41).
Der Satz, daß der Richter nur auf Anrufen
tätig wird, gilt für das verwaltungsgerichtliche
Verfahren dann nicht, wenn eine VerwBehörde,
welche zugleich Verw ist, in ihrer ersteren Eigen-
schaft aus Zweifel über ein Rechtsverhältnis stößt,
deren Beseitigung ihre amtliche Pflicht und nur
im VerwRechtswege möglich ist. Auch kann in
solchem Falle die höhere Verw Behörde die Ein-
leitung des verwaltungsrechtlichen Verfahrens an-
ordnen.
Die Verhandlungsmaxime ist auf das verwal-
tungsgerichtliche Verfahren nicht anwendbar.
Die Feststellung des Sachverhalts geschieht von
Amts wegen (a 20). Die Verw G sind nicht auf
das von den Beteiligten gebotene Beweismaterial
beschränkt (a 27) und würdigen es nach freier
Ueberzeugung (a 21 Abs 1).
Die Sachinstruktion und Beweisaufnahme ge-
schieht zunächst durch die Distriktsverwaltungs-
behörde (a 31, 36, 40, 45). Beweismittel sind:
Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden
(a 27 und Vollzugsvorschriften).
Der Parteieneid ist im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren ausgeschlossen (a 20 Abs VII).
Aus der Aufgabe des Verw, den wahren
Sachverhalt, selbst im Gegensatze zu dem Partei-
vorbringen, zu ermitteln, ergibt sich dessen Recht,
unabhängig von den Parteianträgen die rechtlichen
Folgerungen aus dem gefundenen Sachverhalte
zu ziehen und denselben gemäß zu erkennen.
. Entscheidungen, Rechtskraft, Rechtsmittel.
I. Jeder Endbescheid, sowie jeder Zwischenbe-
scheid, gegen welchen auf Grund besonderer gesetz-
licher Bestimmung selbständig Beschwerde erhoben
werden kann, ist mit Entscheidungsgründen zu ver-
sehen. Beschwerdeinstanzen können auch auf die
Entscheidungsgründe der Vorinstanzen verweisen.
Mit jedem Endbescheid ist ein Beschluß über den
Kostenpunkt (über die Prozeßkosten s. Seydel-Pilo-
ty a. a. O. & 95) zu verbinden. Die Entscheidungen
sind in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen (a 21).
II. Die Rechtskraft einer verwaltungsrecht-
lichen Entscheidung erstreckt sich auf alles, was zur
Entscheidung gestellt war, von der entscheidenden
Behörde entschieden werden wollte und von der-
selben entschieden worden ist. Das G v. 8. 8. 78
enthält keine Bestimmung, durch welche die Rechts-
kraft auf die Entscheidungsformel beschränkt würde.
(Ueber Verhängung von Ordnungs= und Frivoli-
tätsstrafen a 25, 40.)
III. Das ordentliche Rechtsmittel des ver-
waltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Beschwerde
(à 22, 25). Die Beschwerde kann sich sowohl
auf Mängel des Verfahrens als auf den Inhalt der
angefochtenen Entscheidung beziehen. Ein Unter-
schied zwischen Berufung und Nichtigkeitsbeschwer-
de besteht nicht. Das Gesetz enthält keine Be-
stimmung darüber, daß und welche Mängel des
Verfahrens Nichtigkeit desselben bewirken. Es
begnügt sich mit der Bestimmung (a 14, 36, 41),
daß die höhere Instanz „die Aufhebung des Ver-
fahrens wegen wesentlicher Mängel desselben von
der Zeit des eingetretenen Beschwerdegrundes
an auch von Amts wegen aussprechen“ könne.
Die Beschwerde frist beträgt, soferne nicht in
einzelnen Gesetzen eine kürzere Frist bestimmt ist,
vierzehn Tage. Diese Frist läuft nur für die Ein-
legung der Beschwerde, nicht für deren Ausfüh-
rung, da letztere keinen gesetzlich notwendigen Be-
standteil der Beschwerde bildet. Die Beschwerden
sind bei der ersten Instanz des Verw Rechtszuges
in den Fällen, wo der VGH erste und letzte ver-
waltungsrichterliche Instanz ist, bei derjenigen
Verw Instanz einzulegen, welche die angefochtene
Entscheidung erlassen hat. Die Einlegung bei
einer unrichtigen Instanz ist nach Maßgabe der K.
Deklaration v. 15. 6. 98 unschädlich.