Verwaltungsgerichtsbarkeit (Württemberg)
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Gemäß a 1 findet der Verwaltungs-
rechtsweg statt: bei Streitigkeiten
und Beschwerden in Beziehung
auf Ansprüche und Verbindlich-
keiten aus dem öffentlichen Recht
in den im Gesetz bezeichneten
Fällen.
III. Eine Ergänzung fand das VerwRechts-
pflegegesetz (V#G) in dem Gesetz betr. die Entschei-
dung von Kompetenzkonflikten, v. 25.
8. 79. Dasselbe überträgt die Entscheidung von
solchen zwischen den Verw Gerichten und Verw-
Behörden einem dem Staatsministerium unter-
stellten, in der Besetzung von 7 Mitgliedern ent-
scheidenden Kompetenzgerichtshof IJ
„Rechtsweg und Kompetenzkonflikt in Württem-
berg" . — Außerdem ist die Zuständigkeit der Ver-
waltungsgerichte seit Erlaß des VRG durch Be-
stimmungen in einzelnen Gesetzen erweitert wor-
den (s. § 4 IIL, 5 6 II).
§# 2. Die Organisation der Verwaltungsrechts-
Ppflege. Als verwaltungsrichterliche Behörden sind
eingesetzt:
I. Der Verwaltungsgerichtshof,
das ganze Königreich umfassend, mit den Befug-
nissen eines Landeskollegiums ausgestattet, ist
dienstlich dem Staats Min unmittelbar unterstellt.
Er setzt sich zusammen aus einem Vorstand und der
erforderlichen Anzahl weiterer Mitglieder, die
nach gutachtlicher Aeußerung des Gerichtshofes
auf den Vorschlag des Staats Min vom König er-
nannt werden. Bis auf weiteres werden 2 Mitglie-
der aus dem Oberlandesgericht für die Dauer der
Bekleidung ihres Hauptamts, die übrigen lebens-
länglich ernannt. Der Vorstand und die Hälfte
der weiteren Mitglieder müssen die Befähigung
zum Richteramt besitzen. Sämtliche Mitglieder,
mit Ausnahme der den ständigen Räten des
Staatsministeriums angehörenden nach freier Ent-
schließung des Königs entlaßbaren, stehen in Be-
ziehung auf die Versetzung auf ein anderes Amt,
die Versetzung in den Ruhestand und die Entfer-
nung im Disgiplinarwege unter den für richter-
liche Beamte geltenden Vorschriften, so jedoch,
daß die bei letzteren dem OL# zukommenden
Funktionen vom VH ausgeübt werden (a 3, 4,
5 VRG in Verb. mit Verf G 6./15. 6. 1911).
Im einzelnen Falle verhandelt und beschließt
der V in der Besetzung mit fünf Mitgliedern
einschließlich des Vorsitzenden; auch hier müssen
der Vorstand und die Hälfte der weiteren Mit-
glieder die Befähigung zum Richteramt besitzen
(a 7). Sind so viele Mitglieder behindert oder
abgelehnt, daß die zur Beschlußfassung erforder-
liche Zahl nicht mehr vorhanden ist, so wird durch
Vermittelung des Justiz Min die zur Ergänzung
erforderliche Anzahl aus den Mitgliedern des
O### beigezogen (a 8).
II. Die 4 Kreisregierungen IÜ#I,
die aus einem Vorstand mit dem Titel „Präsident"
und der erforderlichen Anzahl von Räten und
Assessoren bestehen. Ihre Organisation nebst Ge-
schäftsgang ist geordnet durch die Kgl V v. 5.
11. 89 und die Vollzugs Bfg v. 26. 11. 89. Als
Verw Gerichte sind sie der dienstlichen Aufsicht
des VG unterstellt, der auch die Rekursinstanz
für Strafverfügungen der Kreisregierungen als
Verwerichte bildet (a 6 VR0).
Werden die Kreisregierungen als Verw Gerichte
tätig, so verhandeln und beschließen sie in der Be-
setzung mit drei Mitgliedern einschließlich des Vor-
sitzenden.
Die Befähigung zum Richteramt wird für diese
Mitglieder nicht verlangt, auch stehen sie nicht
unter den Garantien des Richter-
amts.
Die sachliche Zuständigkeit der
Kreisregierungen beschränkt sich auf die Partei-
streitsachen, die in dem a 10 VG und in den
diese Bestimmungen ergänzenden Gesetzen auf-
geführt sind. Für die Regelung der örtlichen
Zuständigkeit sind nicht die zivilprozessua-
len Grundsätze verwendet (insbesondere nicht der
Gerichtsstand des Wohnsitzes der beklagten Partei).
Nach a 25 Abs 1 V soll vielmehr die verwaltungs-
gerichtliche Zuständigkeit zusammenfallen mit der
administrativen in der Art, daß diejenige Kreis-
regierung zuständig ist, welche dem Oberamt vor-
gesetzt ist, in dessen Ressort als Verw Behörde der
betreffende Gegenstand gehört. Erstreckt sich der
Gegenstand auf den Verwereich mehrerer
Kreisregierungen, so hat entsprechend § 36 Z. 2
3PO der VG|# das zuständige Gericht zu be-
stimmen. Bei Streitigkeiten zwischen einem
Armenverband und einer von ihm unterstützten
Person über den Ersatz der Unterstützung nach a 3
A# v. 17. 4. 73 ist ausdrücklich die Regierung des
Kreises für zuständig erklärt, in dem die Armen-
unterstützung geleistet worden ist (a 25 Abs 2).
Die Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeit
durch eine abweichende Vereinbarung
der Parteien ist nicht zulässig (a 25 Abs 4).
III. Als besondere Verwaltungs-
gerichte, gleichfalls erster Instanz, sind ein-
gesetzt für einzelne gesetzlich bezeichnete Fälle die
in a 9 VRG benannten Behörden, denen die Ent-
scheidung gewisser öffentlich-rechtlicher Streitig-
keiten übertragen ist, nämlich die Ablösungs-
kommission, die Zentralstelle für
Landeskultursachen, das Ober-
bergamt und die zur Entscheidung von Strei-
tigkeiten aus Anlaß der Aushebung des Lehens-
verbandes berufene Kommission.
Den Bezirksämtern kommt eine Ver-
waltungsgerichtsbarkeit nicht zu.
3. Umfang und Formen der Verwaltungs=
gerichtsbarkeit.
I. Bei Festsetzung des Umfangs der V.
geht das Gesetz davon aus, daß, wo nicht aus
besonderen Gründen Ausnahmen geboten sind,
der verwaltungsrichterliche Schutz für jedes
von der öffentlichen Rechtsordnung
anerkannte subjektive Recht zu gewähren
ist; ohne Rücksicht darauf, ob sich der Streit be-
wegt zwischen einzelnen und Korporationen,
zwischen Korporationen untereinander oder ob der
einzelne der öffentlichen Gewalt, die in Aus-
übung eines Hoheitsrechts eine Verfügung ge-
troffen hat, unmittelbar gegenübersteht.
Nur bezüglich der sachlichen Zuständigkeit
der eingesetzten Verw Gerichte unterscheidet das
Gesetz zwischen solchen Gegenständen, in denen
eine Trennung der V. von der Verwaltung schon
in der unteren Instanz insofern beginnt, als schon
die Verhandlung und Entscheidung in der unte-
ren Instanz eine verwaltungsrichterliche ist, und
solchen Gegenständen, die ohne eine Entscheidung