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ziehung zur nochmaligen Verhandlung und Ent-
scheidung vor einer weiteren Instanz zu bringen,
und findet vorbehaltlich ausdrücklicher anderwei-
tiger Vorschriften gegen die erstinstanziellen Ur-
teile der Kreis= und Provinzialausschüsse statt.
Sie geht an das nächsthöhere Gericht, ist an eine
zweiwöchige Notfrist von der Zustellung des Ur-
teils ab gebunden und wird durch Einreichung
einer Berufungsschrift bei dem Gerichte einge-
legt, von welchem das angefochtene Urteil erlassen
ist (a 76—78). Das Berufungsverfahren zeigt
bei grundsätzlicher Uebereinstimmung mit dem erst-
instanziellen Verfahren einzelne Besonderheiten;
namentlich kann das Gericht eine nicht form= oder
fristgerecht eingelegte Berufung ohne vorgängige
mündliche Verhandlung durch Bescheid als
unzulässig zurückweisen. Dieser Bescheid gilt,
falls nicht binnen einer zweiwöchigen Notfrist An-
trag auf mündliche Verhandlung gestellt wird,
als endgültiges Urteil (a 80—83). Bezüglich der
Beiziehung des Vertreters des Staatsinteresses
in dem Berufungsverfahren vor dem VGH s.
oben unter II Ziff. 3.
2. Die Revision. Sie ist das Rechtsmittel,
durch welches die Rüge erhoben wird, daß die
angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwen-
dung oder auf der unrichtigen Anwendung des
bestehenden Rechts beruhe, oder daß das Ver-
fahren an wesentlichen Mängeln leide. Hiernach
sind dem Revisionsverfahren begrifflich von vorn-
herein bestimmte Grenzen gesteckt. Die Revision
findet vorbehaltlich ausdrücklicher anderweitiger
Vorschriften gegen die zweitinstanziellen Be-
schlüsse der Provinzialausschüsse statt, geht stets
an den VGH und steht im wesentlichen unter den
gleichen Verfahrensgrundsätzen wie die Berufung.
Bezüglich der Beiziehung des Verireters des
Staatsinteresses s. oben § 5 II Ziff. 3. Der
Prüfung des VG unterliegen nur die gestellten
Anträge sowie — gegebenenfalls — die von den
Parteien geltend gemachten oder vom Gerichte
von Amts wegen gewürdigten Revisionsgründe.
Insoweit die Revision für begründet erachtet wird
und die Entscheidung sich nicht aus anderen
Gründen als richtig darstellt, hebt das Gericht
das angefochtene Urteil auf und entscheidet in der
Sache selbst, wenn diese spruchreif ist. Ist die
Sache nicht spruchreif, so verweist der V# sie
zur anderweitigen Entscheidung an diejenige Vor-
instanz zurück, die er nach der Sachlage für ge-
eignet hält, und ordnet gegebenenfalls die erfor-
derliche Wiederholung oder Ergänzung des Ver-
fahrens an. Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung
die rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen, aus
der das Urteil aufgehoben worden ist (a 84—94).
3. Die Beschwerde. Sie findet nur in
den Fällen statt, in denen das Gesetz sie ausdrück-
lich zuläßt, und ist auf die Anfechtung solcher Be-
schlusse der Gerichte und ihrer Vorsitzenden, sowie
solcher Beschlüsse eines beauftragten oder ersuch-
ten Richters beschränkt, die keine sachliche Ent-
scheidung über den Streitgegenstand selbst ent-
halten (also bloße „Prozeßbeschwerde“). Aus-
drücklich ausgeschlossen ist sie gegenüber Entschei-
dungen des V# oder seines Vorsitzenden sowie
gegenuber den Entscheidungen der in der Haupt-
sache endgültig entscheidenden Gerichte und ihrer
Vorsitzenden. Die Beschwerdeeinlegung erfolgt
binnen einer zweiwöchigen Notfrist bei dem Ge-
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Hessen — Elsaß-Lothringen)
richt, von dem oder von dessen Vorsitzenden, die
Entscheidung erlassen ist. Wird die Beschwerde
hier für begründet erachtet, so ist ihr abzuhelfen;
andernfalls ist sie vor Ablauf einer Woche dem
„Beschwerdegericht", d. h. dem nächsthöheren
Gericht zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.
Sowohl das Beschwerdegericht wie die Vorinstanz
oder deren Vorsitzender können den Vollzug der
angefochtenen Entscheidung aussetzen (a 95—1019).
II. Wiederaufnahme des Ver-
fahrens. Die Klage auf Wiederaufnahme ist
unter den für die Nichtigkeits= und Restitutions-
klage des Zivilprozesses geltenden Voraussetzungen.
gegen die im Verw Streitverfahren ergangenen
rechtskräftigen Urteile und Bescheide zulässig.
Erachtet der hierfür ausschließlich zuständige V#.
die Klage für begründet, so hebt er die angefoch-
tene Entscheidung auf, verweist die Sache zur
anderweitigen Entscheidung an die nach der
Sachlage geeignete Instanz und ordnet die er-
forderliche Wiederholung oder Ergänzung des
Verfahrens an. Die Unterinstanz ist an die dem
Aufhebungsbeschlusse zugrunde gelegten tatsäch-
lichen Feststellungen gebunden (a 102, 103).
Literatur: Amtl. Handausg. v. vorbez. G, hrsgeg.
von W. Best, Geheimerat i. Gr. Min Inn (1911); sie
enthält eingehende Erläuterungen auf Grund der aml.
Materialien, besonders der Landtagsverhandlungen; W.
van Calker, Die Entwicklung der heff. Berw Organi-
sation im 19. Jahrh., Jahrb OessR. UI (1908) 125 ff; Der-
selbe, Dae Staaterecht des Gr. Hessen, (1918) 87 ff.
##. van Caller.
G. Elsaß-Lothringen
4 1. Fransösischrechtliche Grundlagen. J 2. Verände-
rungen unter deutscher Verwaltung. # 3. Zuständigkeit des
Bezirk#e#ates. 1 4. Zustandigkeit des Kaiserlichen Rates.
##5. Berfahren.
5 1. Französischrechtliche Grundlagen. Das.
französische Verw Recht, welches die deutsche Re-
gierung im Lande vorfand, zeichnet sich aus durch
seine hochentwickelte Verwaltungsrechts-
pflege. Darunter ist verstanden die Erlassung
oder Nachprüfung eines Verwlktes durch eine
der Verwaltung angehörige Behörde unter Mit-
wirkung der Beteiligten als Parteien im Sinne
des Zivilprozesses und mit Rechtskraftfähigkeit des
ergehenden Ausspruches (Urteils). Die dazu be-
stimmten Behörden hießen Verwaltun g s-
gerichte. Das wichtigste von allen ist der
Staatsrat. Außerdem besteht noch eine Reihe
von Sondergerichten für bestimmte Arten von
Verw Streitsachen: Präfekturrat, Rechnungshof,
Aushebungskommission, Unterrichtsräte usw. Auch
der Minister galt, wenigstens zurzeit als Elsaß-
Lothringen deutsch wurde, unbestritten als Verw-
Richter dann, wenn er nach Anhörung der Par-
teien über eine Sache entscheidet, in welcher
nachher der ordentliche Rechtsweg zum Staatsrat
zulässig ist.
1. Die ordentliche Verwaltungs-
rechtspflege besteht darin, daß der ganze