Viehseuchen (Rinderpest)
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fuhr, des Transports und Handels in bezug auf
lebendes oder totes Rindvieh, Schafe und Ziegen,
tierische Rohstoffe, Rauhfutter, Streu, Lumpen,
gebrauchte Kleider, Geschirre und Stallgeräte,
Einführung einer Rindviehkontrolle im Grenzbe-
zirk, Absperrung von Gehöften, Ortsteilen, Orten,
Bezirken gegen den Verkehr mit der Umgebung,
Tötung selbst gesunder Tiere und Vernichtung von
giftfangenden Sachen, Desinfizierung in weitestem
Umfange, Enteignung des Grund und Bodens für
die zum Verscharren von Tieren und Sachen nöti-
gen Gruben.
Jeder ist zur Anzeige des Ausbruchs oder
Verdachts der Rinderpest verpflichtet.
Für die auf Anordnung der Behörde getöteten
Tiere, vernichteten Sachen und enteigneten Plätze
sowie für die nach rechtzeitig erfolgter Anzeige des
Besitzers gefallenen Tiere wird, soweit sie nicht
erst innerhalb 10 Tagen vom Auslande eingeführt
waren, der durch unparteiische Taxatoren festzu-
stellende gemeine Wert aus der Bundeskasse ver-
gütet (unten 8 4).
Die näheren Bestimmungen über die Ausfüh-
rung der vorstehenden Vorschriften und deren
Ueberwachung durch die geeigneten Organe, über
die Bestreitung der entstehenden Kosten und die
Bestrafung der Zuwiderhandlungen sind von
den Einzelstaaten zu treffen. Diese haben aber
das Bundespräsidium von ihren Maßnahmen in
Kenntnis zu erhalten, der Bundeskanzler soll die
Ausführung überwachen unnd ist berechtigt, einen
besonderen Kommissar mit der Oberleitung der
Tilgung zu betrauen.
Zur Durchführung der Sperrmaßregeln darf
militärische Hilfe requiriert werden.
g 3. Instruktion zum Rinderpestgesetz. Auch
die von dem Bundespräsidium erlassene revi-
dierte Instruktion zu dem G v.
7. 4. 609, Maßregeln gegen die Rin-
derpest betr., v. 9. 6. 73 (RBl 147)
gibt nur eine allgemeine Anleitung, um die Be-
hörden in ihren Entschließungen nicht lahm zu
legen. Es wird betont, daß eine energische schnelle
Tilgung trotz der scheinbar großen direkten Opfer
in der Regel das beste Verfahren sei, weil dadurch
der Zweck ohne unverhältnismäßige anderweite
wirtschaftliche Opfer für die Bevölkerung am
sichersten erreicht werde.
I. Maßregeln zur Abwehr der Ein-
schleppung aus dem Auslande (Instr.
## 1—10), je nachdem die Rinderpest in entfern-
teren Gegenden desselben oder in der Nähe der
Grenze herrscht.
1. Schon in dem ersteren Falle ist die Einfuhr
von Wiederkäuern aller Art und von frischen
Teilen derselben aus den verseuchten Gegenden
zu verbieten. Da die Pest in Rußland nie-
mals aufhört und in den Hinterländern von
Oesterreich= Ungarn oft auftritt, so gelten
Rußland und Oesterreich zur Zeit im Sinne des # 4
der Instr als „ständig“ oder „häufig umfangreich“
verseucht. Demgemäß hat der B durch Be-
schlüsse v. 29. 4. 73, v. 27. 6C. 79 und v. 29. 1. 85
die Ein= und Durchfuhr von Rindvieh
und Schafen aus Rußland und Oesterreich-Ungarn
bis auf weiteres verboten, desgleichen die Ein-
und Durchfuhr frischen Fleisches von Schafen
aus diesen Ländern untersagt. Die Ein= und
Durchfuhr frischen Fleisches von Rindvieh und
Ziegen aus Oesterreich-Ungarn ist durch Bundes-
ratsbeschluß verboten, während Rußland gegen-
über ein gleiches Verbot durch die preußischen
Landespolizeibehörden in den Grenzbezirken an-
geordnet ist. Der BRBeschl v. 27. 6. 79 läßt
einige Ausnahmen von dem allgemeinen Verbot
der Einfuhr von Rindvieh aus Oesterreich-Ungarn
u, indem er den beteiligten Bundesstaaten (Preu-
en, Bayern, Sachsen) anheimgibt, hinsichtlich des
Verkehrs mit Nutz= und Zuchtvieh, das aus no-
torisch seuchenfreien Grenzbezirken stammt und
nicht für den weiteren Handel, sondern zur Weide
oder Einstellung innerhalb eines inländischen
Grenzbezirks bestimmt ist, Ausnahmen von dem
Einfuhrverbote insoweit zuzulassen, als die erfor-
derlichen Garantien gegen Mißbrauch der Bewil-
ligungen zu schaffen sind. In Preußen hat sich der
Min Landw die Genehmigung solcher Ausnahmen
vorbehalten, in Bayern ist diese Angelegenheit
durch die Bek des Min Inn v. 22. 1. 87 (GVBl 13),
in Sachsen durch die V v. 10. 2. 85 und 10. 3. 85.
geordnet. Weitere Verbote und Beschränkungen
der Einfuhr von Tieren, tierischen Teilen und
giftfangenden Sachen sowie Maßregeln zur Ver-
hinderung des Viehschmuggels sind und werden
je nach dem Stande der Rinderpest in dem be-
treffenden Nachbarlande von den Landesregie-
rungen bezw. Landespolizeibehörden für die
Grenzdistrikte nach Anleitung der revidierten In-
struktion angeordnet. Im Interesse des Handels-
standes werden sie ihrem wesentlichen Inhalte nach
in dem nichtamtlichen Teile des Reichsanzeigers,
vollständig in den Amtsblättern der Regierungen
an der Grenze bekannt gemacht.
2. Wenn die Pest in der Nähe, innerhalb 40—80.
hun von der Grenze, auftritt, so ist für eine zu be-
stimmende Grenzstrecke das Einfuhrver-
bot [JI auf alle Arten von Vieh, mit Aus-
nahme der Einhufer, auf alle von Wiederkäuern
stammenden frischen und trockenen Teile, auf
Dünger, Rauhfutter, Stroh, Streu, gebrauchte
Stallgeräte, Geschirre, Lederzeuge und sonstige
giftfangende Sachen auszudehnen. Rückt sie
ganz nahe, so hat für die betreffenden Grenz-
strecken die vollständige Verkehrs-
sperre mit Beschränkung des Eisenbahn-
und Postenverkehrs unter Bildung eines Kor-
dons mit militärischen Kräften
einzutreten. Auch ohne diesen letzteren Fall wer-
den in den bedrohten Grenzdistrikten Vieh-
register geführt und wöchentlich revidiert,
und der Transport von Rindvieh in dem wei-
teren Binnenlande ist Beschränkungen und
Kontrollen unterworfen, um die Beförderung von
geschmuggeltem Rindvieh zu verhindern. Zu die-
sem Zwecke ist die Zahl der Grenzgendarmen er-
heblich vermehrt, und in Preußen sind besondere
Grenztierärzte, in Bayern Kontrolltierärzte (bayer.
Ministerialausschreibung, die Dienstesinstruktion
für die Kontrolltierärzte betr., v. 11. 4. 80 [Asl.
des Staats Min S 1591) angestellt.
3. Ueber die Behandlung des wegen Ver-
dachts der Einschwärzung beschlagnahm-
ten Rindviehs hat in Preußen der Min-
Landw eine Af'g unter dem 10. 10. 78, in
Bayern das Min ein Ausschreiben unter dem 12.
12. 81 (Al des Staats Min 490) erlassen.
II. Maßregeln zur Unterdrückung
eines Pestausbruches im Inlande