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Viehseuchen — Viehversicherung
Viehseuchenübereinkommen unter
dem 25. 1. 05 (Röenl 287) vereinbart worden.
Nach diesem kann der Verkehr mit Tieren, ein-
schließlich des Geflügels, mit tierischen Roh-
stoffen und mit Gegenständen, welche Träger
des Ansteckungsstoffes von Tierseuchen sein
können, aus den Gebieten des einen der vertrag-
schließenden Teile nach den Gebieten des anderen
auf bestimmte Eintrittsstationen beschränkt und
dort einer tierärztlichen Kontrolle von seiten jenes
Staates, in welchen der Uebertritt stattfindet,
unterworfen werden, bei der Einfuhr der Tiere
und Gegenstände aus den Gebieten des einen
in oder durch die Gebiete des anderen Teils muß
ein von der Ortsbehörde ausgestelltes Ursprungs-
zeugnis beigebracht werden, welches, wenn es
sich auf lebende Tiere bezieht, mit der Beschei-
nigung eines staatlich angestellten und von der
Staatsbehörde hierzu ermächtigten Tierarztes
über deren Gesundheit versehen ist und den von
den Tieren und Gegenständen bis zur Eintritts-
station zurückgelegten Weg sowie das Freisein
des Herkunftsortes und seiner Nachbargemeinden
von Seuchen innerhalb der letzten 40 Tage vor
der Absendung nachweist. Sendungen, welche
diesen Bestimmungen nicht entsprechen und Tiere,
die vom Grenztierarzt mit einer ansteckenden
Krankheit behaftet oder solcher verdächtig befunden
werden oder mit derartigen Tieren in Berührung
gekommen sind, sind zurückzuweisen. Wenn die
Rinderpest in den Gebieten eines der vertrag-
schließenden Teile auftritt oder wenn eine an-
zeigepflichtige ansteckende Tierkrankheit aus den-
selben durch den Viehverkehr eingeschleppt ist
oder, auch abgesehen von der Rinderpest, in be-
drohlicher Weise herrscht, so steht dem anderen
Teile das Recht zu, die Einfuhr von Tieren,
tierischen Rohstoffen und giftfangenden Gegen-
ständen für die Dauer der Seuchengefahr zu ver-
bieten oder zu beschränken. Beide Teile räumen
sich die Befugnis ein, sich durch Kommissare über
den Gesundheitszustand der Viehbestände und
die Durchführung der veterinärpolizeilichen Ein-
richtungen in den Gebieten des anderen orientiert
zu halten, und jeder der beiden Teile hat sich ver-
pflichtet, periodische Nachweisungen über den
jeweiligen Stand der Tierseuchen in seinem Ge-
biet erscheinen und dieselben dem anderen direkt
zugehen zu lassen. Besondere Bestimmungen
sind noch über den Weideverkehr und den
Gewerbebetrieb der unmittelba-
ren Grenzbewohner vereinbart worden.
Gleichzeitig mit diesem Viehseuchenübereinkom-
men ist reichsseitig ein Uebereinkommen mit
Oesterreich-Ungarn über die Desinfektion
der Eisenbahn viehwagen v. 25. 1. 05
RG#Bl 1906, 502) getroffen worden, welche die
gleichartige Weise der Reinigung und Entgiftung
der zur Beförderung von Tieren benutzten Eisen-
bahnwagen sicherstellt. Zu diesen Uebereinkom-
men mit Oesterreich-Ungarn haben die Bundes-
staaten Ausführungsvorschriften erlassen, Preußen
durch eine allgemeine Verfügung des Min Landw
v. 24. 4. 07. Eine Zusammenstellung der Aus-
führungsverordnungen der übrigen Einzelstaaten
findet sich in der Beilage I zum Eisenbahn-Tier-
euchenanzeiger.
Kiteratur: Dammann, Die Notwendigkeit und
die Grundzüge eines einheitlichen V. Gesetzes für das Deutsche
Reich, 1875; Hoppe, Die wissenschaftl. Bedeutung der
B. im Deutschen Reiche und deren Bekämpfung, Diss. 1913;
Plehn (Fröhner), Der staatliche Schutz gegen B.,
1903: Nevermann, B. Gesetze nebst den für das
Deutsche Reich und für Preußen geltenden Ausführungs-
vorschriften und anderen für das Beterinärwesen wichtigen
Bestimmungen, 1912; Gugel, Reichsviehseuchengesetz,
1012; H. v. Hippel, Reichs V. Gesetz nebst Ausführungs-
vorschrift und preuß. Ausführungsgesetz", 1912; Back-
haus, B. Gesetzgebung für das Reich und Preußen, 1912;
H. Lehmann, B. Gesetz (Ausgabe für Preußen und
Bayern), 1912; Hallbauer, B. Gesetzggebung des
Reichs und des Kar. Sachsen, 1895; Edelmann, Vor-
schriften für das Veterinärwesen im Kar. Sachsen, Bd. 1
bis VII, 1906—1012; (Hessische) 3iehseuchengesetze
Amtliche Handausgabe, Darmstadt 1912; Stengleins
Kommentar zu den strafrechtl. Nebengesetzen des Deutschen
Reiches ", I Nr. 71—74 (Ebermayer).
Jahresberichte über die Verbreitung
von Tierseuchen im Deutschen Reiche,
bearbeitet im Kaiserl. Gesundheitsamte, 1.—26. Jahrgang:
Die Jahre 1887—1911.
Dammann (1), durchgesehen von Fleischmann.
Viehversicherung
1 1. Einleitende Bemerkungen. 1 2. Geschichtliche Ent-
wicklung. 3. Biehversicherungsgesellschaften. 4. Orts-
Viehversicherungsvereine. # 5. Staatliche Einwirkung.
4# 6. Organisation in Baden. 1 7. Die bayerische Landes-
Viehversicherungsanstalt.
1. Einleitende Bemerkungen. Die Vieh-
bestände bilden im Deutschen Reich einen sehr er-
heblichen Teil des Volksvermögens. Am I. 12. 12
waren vorhanden 20,2 Millionen Stück Rindvieh,
4,5 Mill. Stück Pferde, 21,9 Mill. Schweine, 5,8.
Mill. Schafe und 3,4 Mill. Ziegen.
Die unversehrte Erhaltung, Vermehrung und
Verbesserung dieser Bestände sind Aufgaben, in
welche sich die landwirtschaftliche Verwaltung in
den Einzelstaaten, die Veterinärpolizei und die-
Versicherungsanstalten teilen.
Das Bedürfnis der V. tritt erfahrungsgemäß
am dringendsten da hervor, wo der kleinere und
mittlere Besitz vorherrscht. Je größer der Vieh-
stand ist, desto mehr nähert sich der tatsächliche
Verlust in den einzelnen Jahren dem durchschnitt-
lich sich ergebenden Jahresverlust, und desto leichter
ist der Besitzer in der Lage, außergewöhnliche-
Verluste selbst zu tragen, ohne hiervon allzu emp-
findlich betroffen zu werden. Beim kleineren Be-
sitz dagegen wird der Wiederersatz der verlorenen
Tiere häufig geradezu zu einer Frage der Mög-
lichkeit des wirtschaftlichen Fortbestandes. Die Be-
teiligung an einer V. wird den Kleinbesitzer vor
Ausbeutung solcher Notlage mit Erfolg schützen.
Der Versicherungsbeitrag darf kein Hindernis
einer solchen Beteiligung sein und soll, wenn es
sich um staatlich geleitete Versicherungsanstalten
handelt, möglichst niedrig gegriffen werden, um
die allgemeine Beteiligung zu ermöglichen. Aber
auch die Besitzer größerer Viehbestände sollten
sich von der V. nicht ausschließen, um Einrichtungen.