Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Viehversicherung 
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für V. möglich zu machen und zu erleichtern und 
um dem Kleinbesitz mit gutem Beispiel voranzu- 
ehen. 
6 # 2. Geschichtliche Eutwicklung. Die Ver- 
sicherung gegen Verluste aus dem Viehsterben hat 
infolge der Verschiedenartigkeit der Besitzverhält- 
nisse in den einzelnen Teilen Deutschlands eine sehr 
verschiedenartige Gestaltung angenommen und sich 
am frühesten in den Gegenden mit vorherrschen- 
dem Kleingrundbesitz entwickelt. Vielfach bestan- 
den für die V. die allereinfachsten Formen. 
Die Viehbesitzer einer Gemeinde erklärten sich soli- 
darisch haftbar für Verluste. Trat ein Verlust ein, 
so wurde zur Aufbringung der Entschädigung ein 
Beitrag erhoben. Wenn ein Stück geschlachtet wer- 
den mußte, waren die übrigen Besitzer zur Abnah- 
me des Fleisches verpflichtet. Meistens beschränk- 
ten sich solche Vereinigungen darauf, nur für Rind- 
viehverluste Entschädigung zu gewähren. Sie 
hießen Kuhladen oder Kuhgilden. Die ersten An- 
fänge solcher Versicherungen reichen in das 18. 
Jahrhundert zurück. Die erste Kuhgilde soll im 
Jahre 1799 in Holstein errichtet worden sein. 
Erst als mit den steigenden Fleischpreisen eine 
große Werterhöhung für den Viehbestand eintrat 
und der vorangeschrittenen Versicherungstechnik 
die Lösung schwierigerer Probleme gelang, ent- 
standen größere Vereine und Gesellschaften. Die 
erste größere Viehversicherungsgesellschaft wurde 
im Jahre 1833 zu Leipzig von E. A. Masius ge- 
gründet. Sie hieß „Viehversicherungsanstalt für 
Deutschland“, löste sich aber schon im Jahre 1839 
wieder auf. In Bayern entstand im Jahre 1847 
ein Landes-Viehversicherungsverein. Da es dem- 
selben aber an den nötigen Grundlagen fehlte, 
brachte er es nur zu einem Versicherungskapital 
von 450 000 Gulden und mußte er seine Tätigkeit 
nach 14iährigem Bestande wieder einstellen. 
§ 3. Viehversicherungsanstalten. Die Tätig- 
keit der Versicherungsgesellschaften war auch auf 
dem Gebiete der V. nicht ohne Erfolg, wenn auch 
nicht zu leugnen ist, daß sich der Versicherungs- 
technik hier große Schwierigkeiten entgegenstellten. 
Die Gesellschaften mußten es sich zur Aufgabe 
machen, ihre Tätigkeit auf ein möglichst großes 
Gebiet, zum Teil sogar auf alle deutschen Bundes- 
staaten zu erstrecken. Wenn hierin einerseits ein 
wohltätiger Ausgleich lag, so war doch die lokale 
Einwirkung der Gesellschaften, die gerade bei der 
V. von größter Bedeutung ist, erschwert und die 
Verwaltung verteuert. Im Jahre 1911 bestanden 
in Deutschland 36 V. Gesellschaften. Gegenüber 
dem Gesamtwerte des Viehbestandes ist das bei den 
Gesellschaften versicherte Kapital verhältnismäßig 
nicht groß. Insbesondere hat sich die Rindviehver= 
sicherung nicht immer als lohnend erwiesen, weil 
hauptsächlich die Besitzer gefährdeter Rindvieh- 
bestände davon Gebrauch machten. Es fand dage- 
gen die Pferdeversicherung eine ver- 
hältnismäßig größere Verbreitung. An mehreren 
Orten sind Versicherungsanstalten für Pferde mit 
größerem Arbeitsgebiete entstanden, wie die ba- 
dische, die Stuttgarter und Altenburger Anstalt. 
Neben diesen Anstalten bestehen in einigen Län- 
dern, wo die Pferdezucht besonders blüht, beson- 
dere Vereinigungen zur Versicherung von Zucht- 
hengsten und Zuchtstuten, um Gelegenheit zur 
Versicherung wertvollerer Tiere zu bieten, da 
diese häufig von derselben ausgeschlossen sind. 
  
Als ein besonderer Zweig der V. hat sich die 
Schlachtviehversicherung herausge- 
bildet. Je mehr die Anforderungen der Hygiene 
bezüglich der Beschaffenheit des Fleisches als 
menschliches Nahrungsmittel wuchsen, desto mehr 
trat das Bedürfnis hervor, dem Verkläufer 
von Schlachtvieh für die Verluste, die durch den 
Minderwert des von der Fleischbeschau 1/) bean- 
standeten Fleisches entstehen, Ersatz zu gewähren. 
Der Zweck der Schlacht V. ist also zunächst Be- 
wahrung des redlichen Händlers vor Verlusten 
durch unerwartete Verringerung des Schlacht- 
wertes einzelner Tiere infolge verborgener Krank- 
heiten; dann die Sicherstellung der Versorgung 
der Stadtbewohner mit gutem, preiswertem 
Fleische. Die Schlacht V. wird in der Regel an 
den Schlachthöfen eingerichtet. Vielfach ist sie 
von den Fleischerinnungen und Viehkommissio- 
nären in das Leben gerufen worden. Auch einzelne 
Gesellschaften gewähren Schlachtviehversicherung. 
4. Orts-Viehversicherungsvereine. Am mei- 
sten Fortschritte hat in neuerer Zeit die Organi- 
sation örtlicher V. Vereine gemacht. In Preußen 
sind die Vereine für V. von 3096 im Jahre 1880 
auf 7362 im Jahre 1912 gestiegen, die sich ungleich 
auf die einzelnen Provinzen verteilen. So hatte 
z. B. Hannover über 2000, Westpreußen nur 
6 Vereine. Der Zusammenschluß dieser Vereine 
zu Kreisverbänden zum Zwecke der Rückversiche- 
rung ist geplant, in einzelnen Provinzen auch schon 
durchgeführt. Auch in den übrigen deutschen 
Staaten haben die V. Vereine in den letzten Jahr- 
zehnten rasch zugenommen. Immerhin ist aber die 
V. sehr ungleich über die einzelnen Gebiete ver- 
breitet. 
Am meisten wird von der Rind V. durch die 
bäuerlichen und Kleinbesitzer Gebrauch gemacht. 
Großgrundbesitzer halten sich nicht selten von der ge- 
meinschaftlichen Versicherung mit den Kleinbe- 
sitzern fern, weil sie beim Eintreten größerer Un- 
glücksfälle in ihren Stallungen eine allzugroße 
Belastung der Kleinbesitzer befürchten. 
Die Pferde versicherung wird von vielen Ver- 
einen gleichzeitig mit der Rind V. betrieben, je- 
doch rechnerisch vollkommen selbständig behandelt. 
Als neuer Fortschritt bei der Pferdeversicherung 
ist die Versicherung der Minderwertigkeit bei ein- 
tretender Gebrauchsuntüchtigkeit der Pferde für 
gewisse Zwecke zu betrachten. 
Die Versicherung der Schweine durch einfach 
gestaltete Vereinigungen von Interessenten hat 
ebenfalls bemerkenswerte Fortschritte gemacht. 
Die einfachsten Einrichtungen für solche Vereini- 
gungen können dann getroffen werden, wenn die 
Versicherung sich auf Verluste durch die Trichinen 
beschränkt, in welchem Falle die Beitragsleistung 
so niedrig bemessen werden kann, daß die Ein- 
führung eines gleichmäßigen festen Jahresbei- 
trages ermöglicht wird. 
Die Versicherung der Ziegen, der Milchtiere 
des armen Mannes, wird gegenwärtig vielfach mit 
der Rind V. verbunden. 
8 5. Staatliche Einwirkung auf das Vieh- 
versicherungswesen. Von nicht zu leugnendem 
Einfluß auf die Versicherung war die Seuchen- 
gesetzgebung, insbesondere das RG v. 23. 6. 
80, betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh- 
seuchen INI, ergänzt durch das R# v. 1. 4. 84, das 
jetzt durch das Re# v. 26. 6. 09 ersetzt ist. 
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