Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Volkszählungen — Vorflut 
841 
  
3. Die Frage nach den von der B. zu er- 
fassenden Personen kann verschieden 
beantwortet werden, je nachdem man zählen will: 
a) die im Augenblick der Zählung tatsächlich 
vorhandene, ortsan wesende Bevölke- 
rung; 
b) die ansässige Bevölkerung (Wohnbevöl- 
kerung), wobei die vorübergehend Anwesenden 
nicht, die vorübergehend Abwesenden dagegen 
mit in Betracht kommen; 
IP) die rechtlich staats= und ortsangehörige Be- 
völkerung (Rechtsbevölkerung). 
Die BRestimmungen forderten bis 1890 
sowohl die Ermittelung der Wohn= wie auch der 
ortsanwesenden Bevölkerung. Seit 1895 ge- 
nügt dem Reiche die Aufnahme der ortsanwesen- 
den Personen, jedoch haben einige Staaten die 
Zählung nach beiden Prinzipien beibehalten. 
Versuche zur Ermittelung der deutschen Rechts- 
bevölkerung sind, freilich mit nicht völligem Er- 
folge, in der Weise unternommen worden, daß 
man einerseits die fremden Staatsangehörigen 
in Deutschland, andererseits die deutschen Reichs- 
angehörigen im Auslande feststellte. 
4. Hinsichtlich des sachlichen Umfanges 
der V. besteht die Kunst darin, die richtige Mitte 
zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig einzu- 
halten. Einerseits muß alles Wichtige festgestellt; 
anderseits von solchen Fragen abgesehen werden, 
hinsichtlich derer ein zuverlässiges Ergebnis nicht 
zu erwarten und der Wert der Ermittelung in 
keinem vernünftigen Verhältnis zum Aufwande 
an Zeit und Kosten steht. Bei der letzten Volks- 
zählung mußten für das Gesamtgebiet des 
Deutschen Reiches von jeder ortsanwesenden 
Person folgende Fragen beantwortet werden: 
1. Vor= und Familienname; 2. Stellung im 
Haushalt; 3. Geschlecht; 4. Familienstand; 5. Ge- 
burtstag und -jahr; 6. Hauptberuf (Haupterwerb) 
und Stellung im Hauptberufe; 7. ob im aktiven 
Dienst des deutschen Heeres oder der deutschen 
Marine stehend; 8. Religionsbekenntnis (Kon- 
session); 9. Staatsangehörigkeit (ob reichsange- 
hörig oder welchem fiemden Staate angehörig). 
Diese Fragen stellen das Mindestmaß 
dar, über das die einzelnen Bundesstaaten hinaus- 
gehen können, die ihrerseits wieder den Gemein- 
den die Einfügung besonderer kommunaler Zu- 
satzfragen zu gestatten pflegen. So fragte Preu- 
fen 1910 noch nach dem Geburtsort, der Mutter- 
prache und dem Vorliegen körperlicher und 
geistiger Gebrechen, ferner bei den Ehefrauen 
nach der Zahl der geborenen Kinder. Als kom- 
munale Zufsatz fragen sind namentlich 
zu nennen: Die Dauer des Wohnsitzes, der 
Herkunftsort, die Unterscheidung von Wohn- 
und Beschäftigungsort. Außerdem pflegen die 
großen Städte mit den V. besondere Woh- 
nungserhebungen IHI zu verbinden. 
II. Die Ergebnisse der V. werden für 
das ganze Reich in den Vierteljahrsheften zur 
Statistik des Deutschen Reichs veröffentlicht (so 
für 1910 im 20. Jahrg., Heft I, S 273, Heft IV, 
147; 21. Jg., Heft II, S 214, Heft III, S 106 
und Heft IV, S 112), oder, wenn eine eingehendere 
textliche Bearbeitung damit verbunden ist, auch 
in besonderen Bänden der „Statistik des Deut- 
schen Reichs“ (so für 1900 in Bd. 150 und 151), 
für die einzelnen Bundesstaaten in sehr verschie- 
dener Weise. 
  
Während einzelne Staaten wie 
Preußen, Bayern, Württemberg u. a. sehr ein- 
gehende, oft wissenschaftlich bedeutsame Bearbei- 
tungen publizieren (teils in ihren großen Quellen- 
werken, teils in ihren Zeitschriften), beschränken 
sich andere auf die Wiedergabe von Zahlenmate- 
rialien in bescheidenstem Maßstabe. Daneben ha- 
ben auch von jeher einzelne städtische Statistische 
Aemter die Volkszählungsergebnisse für die 
eigene Kommune zu besonderen Monographien 
verarbeitet. Diese haben für die Beurteilung 
der Bevölkerungsverhältnisse schon manchen wich- 
tigen Gesichtspunkt gezeitigt, der bei der Bear- 
beitung im großen ganzen allzu leicht entgeht. 
Eiteratur: Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 201, 
„Das Arbeitsgebiet des Kaiserlichen Statistischen Amtes 
nach dem Stande des Jahres 1012 (1913)“; Beuke- 
mann, Methode und Umsang der deutschen Volkszäh- 
lungen in „Die Statistik in Deutschland“ cherausg. von 
Zahn 1011, I. S 197); Zahn, „Wozu brauchen wir 
eine Volkszählung“ (Blätter für abmin. Praxis, Bb. LX, 
1910, S 321); van der Borght, Art. „Volks- 
zählungen“ im HW Staats We 8, 501; Silbergleit, 
Art. „Bevölkerungswirtschaft und Bevölkerungsstatistik“ 
im Handwörterbuch der Kommunalwissenschaften Bd. I, 
1914; ferner die Lehr-- und Handbücher der Statistik, 
insbes. Ballod, Grundriß der Statistik, 1913, S 15; 
Conrad, Statistik , 1910, S 57; Kaufmann, 
Theorie und Methoden der Statistik, 1913, S 317; Georg 
v. Mayr, Bevölkerungsstatistik, 1897, S17; Schnapper. 
Arndt, Scozialstatistik, 1009, S 50; Most, Bevölke- 
rungswissenschaft, 1918. Most. 
Vollstrechung 
Verwaltungszwang; Berwaltungsgerichtsbar- 
keit (der einzelnen Staaten) 
Vorflut 
#m 1. Begriff und allgemeines 1 2. Vorflut bei wild ab- 
lausendem Wasser. 1 3. Bei Gräben und Privatflüssen. 
#sn 4. Bei den öffsentlichen Flüssen. # 5. Die Zuständigkeit 
der Verwaltungsbehörden und Gerichte. 
K1. Begriff und allgemeines. Unter V. ist die 
Möglichkeit des ungehinderten Ablaufs des auf 
der Erdoberfläche befindlichen Wassers nach dem 
natürlichen Gefälle zu verstehen. Das Recht der 
V. begreift deshalb diejenigen rechtlichen Be- 
ziehungen, die durch den natürlichen Ab- 
lauf des Wassers zwischen den Besitzern benach- 
barter Grundstücke sich bilden (Nieberding, Wasser- 
rechts, 84). Bei der V. kommt das Wasser nur nach 
seiner schädlichen Seite in Betracht. Die 
Frage, inwieweit der Eigentümer durch den Ver- 
brauch des auf seinem Grundstücke befindlichen 
Wassers den natürlichen Ablauf desselben auf die 
unterhalb liegenden Grundstücke beeinflussen darf, 
scheidet aus. Ebenso ist die künstliche Abführung 
des Wassers — die Entwässerung [/X1 — von
	        
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