Volkszählungen — Vorflut
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3. Die Frage nach den von der B. zu er-
fassenden Personen kann verschieden
beantwortet werden, je nachdem man zählen will:
a) die im Augenblick der Zählung tatsächlich
vorhandene, ortsan wesende Bevölke-
rung;
b) die ansässige Bevölkerung (Wohnbevöl-
kerung), wobei die vorübergehend Anwesenden
nicht, die vorübergehend Abwesenden dagegen
mit in Betracht kommen;
IP) die rechtlich staats= und ortsangehörige Be-
völkerung (Rechtsbevölkerung).
Die BRestimmungen forderten bis 1890
sowohl die Ermittelung der Wohn= wie auch der
ortsanwesenden Bevölkerung. Seit 1895 ge-
nügt dem Reiche die Aufnahme der ortsanwesen-
den Personen, jedoch haben einige Staaten die
Zählung nach beiden Prinzipien beibehalten.
Versuche zur Ermittelung der deutschen Rechts-
bevölkerung sind, freilich mit nicht völligem Er-
folge, in der Weise unternommen worden, daß
man einerseits die fremden Staatsangehörigen
in Deutschland, andererseits die deutschen Reichs-
angehörigen im Auslande feststellte.
4. Hinsichtlich des sachlichen Umfanges
der V. besteht die Kunst darin, die richtige Mitte
zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig einzu-
halten. Einerseits muß alles Wichtige festgestellt;
anderseits von solchen Fragen abgesehen werden,
hinsichtlich derer ein zuverlässiges Ergebnis nicht
zu erwarten und der Wert der Ermittelung in
keinem vernünftigen Verhältnis zum Aufwande
an Zeit und Kosten steht. Bei der letzten Volks-
zählung mußten für das Gesamtgebiet des
Deutschen Reiches von jeder ortsanwesenden
Person folgende Fragen beantwortet werden:
1. Vor= und Familienname; 2. Stellung im
Haushalt; 3. Geschlecht; 4. Familienstand; 5. Ge-
burtstag und -jahr; 6. Hauptberuf (Haupterwerb)
und Stellung im Hauptberufe; 7. ob im aktiven
Dienst des deutschen Heeres oder der deutschen
Marine stehend; 8. Religionsbekenntnis (Kon-
session); 9. Staatsangehörigkeit (ob reichsange-
hörig oder welchem fiemden Staate angehörig).
Diese Fragen stellen das Mindestmaß
dar, über das die einzelnen Bundesstaaten hinaus-
gehen können, die ihrerseits wieder den Gemein-
den die Einfügung besonderer kommunaler Zu-
satzfragen zu gestatten pflegen. So fragte Preu-
fen 1910 noch nach dem Geburtsort, der Mutter-
prache und dem Vorliegen körperlicher und
geistiger Gebrechen, ferner bei den Ehefrauen
nach der Zahl der geborenen Kinder. Als kom-
munale Zufsatz fragen sind namentlich
zu nennen: Die Dauer des Wohnsitzes, der
Herkunftsort, die Unterscheidung von Wohn-
und Beschäftigungsort. Außerdem pflegen die
großen Städte mit den V. besondere Woh-
nungserhebungen IHI zu verbinden.
II. Die Ergebnisse der V. werden für
das ganze Reich in den Vierteljahrsheften zur
Statistik des Deutschen Reichs veröffentlicht (so
für 1910 im 20. Jahrg., Heft I, S 273, Heft IV,
147; 21. Jg., Heft II, S 214, Heft III, S 106
und Heft IV, S 112), oder, wenn eine eingehendere
textliche Bearbeitung damit verbunden ist, auch
in besonderen Bänden der „Statistik des Deut-
schen Reichs“ (so für 1900 in Bd. 150 und 151),
für die einzelnen Bundesstaaten in sehr verschie-
dener Weise.
Während einzelne Staaten wie
Preußen, Bayern, Württemberg u. a. sehr ein-
gehende, oft wissenschaftlich bedeutsame Bearbei-
tungen publizieren (teils in ihren großen Quellen-
werken, teils in ihren Zeitschriften), beschränken
sich andere auf die Wiedergabe von Zahlenmate-
rialien in bescheidenstem Maßstabe. Daneben ha-
ben auch von jeher einzelne städtische Statistische
Aemter die Volkszählungsergebnisse für die
eigene Kommune zu besonderen Monographien
verarbeitet. Diese haben für die Beurteilung
der Bevölkerungsverhältnisse schon manchen wich-
tigen Gesichtspunkt gezeitigt, der bei der Bear-
beitung im großen ganzen allzu leicht entgeht.
Eiteratur: Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 201,
„Das Arbeitsgebiet des Kaiserlichen Statistischen Amtes
nach dem Stande des Jahres 1012 (1913)“; Beuke-
mann, Methode und Umsang der deutschen Volkszäh-
lungen in „Die Statistik in Deutschland“ cherausg. von
Zahn 1011, I. S 197); Zahn, „Wozu brauchen wir
eine Volkszählung“ (Blätter für abmin. Praxis, Bb. LX,
1910, S 321); van der Borght, Art. „Volks-
zählungen“ im HW Staats We 8, 501; Silbergleit,
Art. „Bevölkerungswirtschaft und Bevölkerungsstatistik“
im Handwörterbuch der Kommunalwissenschaften Bd. I,
1914; ferner die Lehr-- und Handbücher der Statistik,
insbes. Ballod, Grundriß der Statistik, 1913, S 15;
Conrad, Statistik , 1910, S 57; Kaufmann,
Theorie und Methoden der Statistik, 1913, S 317; Georg
v. Mayr, Bevölkerungsstatistik, 1897, S17; Schnapper.
Arndt, Scozialstatistik, 1009, S 50; Most, Bevölke-
rungswissenschaft, 1918. Most.
Vollstrechung
Verwaltungszwang; Berwaltungsgerichtsbar-
keit (der einzelnen Staaten)
Vorflut
#m 1. Begriff und allgemeines 1 2. Vorflut bei wild ab-
lausendem Wasser. 1 3. Bei Gräben und Privatflüssen.
#sn 4. Bei den öffsentlichen Flüssen. # 5. Die Zuständigkeit
der Verwaltungsbehörden und Gerichte.
K1. Begriff und allgemeines. Unter V. ist die
Möglichkeit des ungehinderten Ablaufs des auf
der Erdoberfläche befindlichen Wassers nach dem
natürlichen Gefälle zu verstehen. Das Recht der
V. begreift deshalb diejenigen rechtlichen Be-
ziehungen, die durch den natürlichen Ab-
lauf des Wassers zwischen den Besitzern benach-
barter Grundstücke sich bilden (Nieberding, Wasser-
rechts, 84). Bei der V. kommt das Wasser nur nach
seiner schädlichen Seite in Betracht. Die
Frage, inwieweit der Eigentümer durch den Ver-
brauch des auf seinem Grundstücke befindlichen
Wassers den natürlichen Ablauf desselben auf die
unterhalb liegenden Grundstücke beeinflussen darf,
scheidet aus. Ebenso ist die künstliche Abführung
des Wassers — die Entwässerung [/X1 — von