Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wahlrecht (Verhältniswahl) 
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erfordert, d. h. bei der W muß eine gewisse 
Mindestzahl von WBerechtigten anwesend sein. 
Das Mehrheitswahlsystem gilt bei 
den Wahlen zum Deutschen Reichstag und zu den 
einzelstaatlichen Volksvertretungen —bis auf Würt- 
temberg, wo für die W von 23 unter 92 Abgeord- 
neten, und Hamburg, wo für die W von 152 unter 
160 Bürgerschaftsmitgliedern Verhältniswahl vor- 
geschrieben ist. Dabei ist das System der rela- 
tiven Mehrheit schon im 1. Wahlgang 
eingeführt in Bayern (bis auf einzelne Ausnah- 
men), in Sachsen-Altenburg, in Lübeck und teil- 
weise in Braunschweig; im übrigen gilt absolute 
Stimmenmehrheit. In Bayern entscheidet 
im 1. Wahlgang relative Stimmenmehrheit, 
wenn 1 Kandidat mehr als ½8 aller Stimmen auf 
sich vereinigt hat; hat kein Kandidat mehr als 
½'aller Stimmen auf sich vereinigt (ein Fall, 
der sich bis jetzt noch nicht ereignet hat!, so findet 
ein 2. Wahlgang statt, bei dem relative Stimmen- 
mehrheit entscheidet. Iy Braunschweig 
entscheidet bei der W der WMänner relative 
Stimmenmehrheit, während für die W der Ab- 
geordneten absolute Mehrheit gilt; erforderlichen- 
falls findet Stichwahl statt. 
Das Stichwahlsystem für den 2. Wahl- 
gang, wenn im 1. WGang nicht absolute Mehr- 
heit erzielt ist, gilt in folgenden Staaten: bei den 
W zum Deutschen Reichsta, in Preußen, König- 
reich Sachsen, Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen- 
Meiningen, Anhalt, Reuß ä. L., Reuß j. L., 
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Ru- 
dolstadt, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Wal- 
deck, Hamburg (für die W von 8 Vertretern) und 
Bremen. 
Relative Stimmenmehrheit im 
2. WGang, wenn im 1. WGang nicht die absolute 
Stimmenmehrheit erzielt ist, entscheidet in Würt- 
temberg (für die W von 69 unter 92 Abgeordneten), 
Baden, Oldenburg und Elsaß-Lothringen. In 
Baden dürfen aber am 2. WGang nur teil- 
nehmen die Kandidaten des 1. WGangs, die 
mindestens 15% der abgegebenen Stimmen er- 
halten haben. In Koburg-Gotha ent- 
scheidet bei der Wder W Männer im 2. WGang 
relative Stimmenmehrheit, wenn im 1. WGang 
keine absolute Stimmenmehrheit erzielt ist; bei 
der W der Abgeordneten werden, falls im 1. W- 
Gange keine absolute Stimmenmehrheit erzielt 
wird, die Kandidaten, die die meisten Stimmen, 
aber zusammen mehr als die Hälfte der abgegebe- 
nen Stimmen erhalten haben, in engere W ge- 
bracht; ergibt sich auch da keine absolute Mehrheit, 
so findet ein 3. WGang statt, bei dem relative 
Stimmenmehrheit entscheidet. 
Nach allen WGesetzen, die das System der 
Mehrheits W kennen, entscheidet im Falle der 
Stimmengleichheit das Los; nur in 
Sachsen-Altenburg entscheidet bei Stimmengleich- 
heit zunächst das höhere Lebensalter und, falls 
auch das Lebensalter gleich sein sollte, das Los. 
Eine qgualifizierte Mehrheit wird 
in einigen Fällen, insbesondere bei indirektem 
Weystem, für die W der Abgeordneten verlangt 
(Koburg-Gotha, Reuß ä. L., Waldeck). Und zwar 
ist in Koburg-Gotha für die W der Abgeordneten. 
durch die WMänner die Anwesenheit von s5, 
in Waldeck von ½ der WMMänner erforderlich; 
anderenfalls ist dort überall auf Kosten der Säu- 
  
migen ein neuer WTermin anzusetzen, bei dem 
dann in Koburg-Gotha ohne Rücksicht auf die Zahl 
der Erschienenen abgestimmt werden kann. In 
Reuß ä. L. ist die Anwesenheit von 358 der WBe- 
rechtigten für die Wi der Ritterguts- und Grund- 
besitzer und der Gemeindevorsteher erforderlich; 
anderenfalls ist auch hier ein neuer WTermin 
auf Kosten der Säumigen anzuberaumen, in dem 
dann ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden 
abgestimmt wird. 
III. Die Verhältniswahl findet in 
Württemberg nur Anwendung für die W 
der in der Stadt Stuttgart zu wählenden 6 Ab- 
geordneten und für die W der 17 Abgeordneten 
in den beiden Landeswahlkreisen mit 8 bezw. 9 
Abgeordneten. Aus der Technik dieses WSystems 
mag folgendes hier mitgeteilt werden: Die Wäh- 
lergruppen haben W orschläge mit den Namen 
von höchstens so viel Kandidaten einzureichen, 
als Abgeordnete im WKreis zu wählen sind, und 
zwar beträgt die Einreichungsfrist für Stuttgart 
12 Tage, für die W in den beiden Landeswahl- 
kreisen 14 Tage vor der W. Die Worschläge 
müssen von mindestens 20 Wählern unterschrieben 
sein. Die W Vorschläge werden von der WBe- 
hörde geprüft und mindestens 3 Tage vor der W 
öffentlich bekannt gemacht. Mehrere W Vorschläge 
können für die Feststellung des WErgebnisses mit- 
einander verbunden werden. Für die eigentliche 
WHandlung ist „Panachieren“" (Entnahme der 
Kandidaten aus verschiedenen Listen) und Kumu- 
lieren (Abgabe von mehreren lhöchstens 3) Stim- 
men für einen Kandidaten) zulässig. Für „Wilde“ 
(Kandidaten, die auf keinem Worschlag enthal- 
ten sind) kann nicht gestimmt werden. Jeder 
Wähler darf soviel Stimmen abgeben als Abge- 
ordnete im WKreis zu wählen sind. Die Fest- 
stellung der Stimmenzahl, die auf die einzelnen 
W Vorschläge entfällt, geschieht durch Zusammen- 
ählen der auf Kandidaten der einzelnen WoVor- 
schläge entfallenen Stimmen. Die Verteilung der 
Sitze unter die einzelnen WVorschläge geschieht 
nach dem sog. d'Hondtschen Verteilungssystem, 
d. h. es werden die den einzelnen Vorschlägen 
zugefallenen Gesamtstimmenzahlen der Reihe nach 
durch 1, 2, 3, 4 geteilt und von den sich hierbei 
ergebenden Teilzahlen so viele Höchstzahlen aus- 
gesonderr und der Größe nach geordnet, als Ab- 
geordnete zu wählen sind. Jeder WVorschlag 
enthält soviel Abgeordnetensitze als Höchstzahlen 
auf ihn entfallen. 
Folgendes Beispiel möge das erläutern: Es haben er- 
halten Liste A 120 000, Liste B 70 000, Liste C 50 000, 
Liste D 30 000, Liste & 20 O00 Stimmen und es sind 6 Man- 
date zu vergeben. Dann werden die 5 Listen nebeneinander 
gestellt und der Reihe nach durch 1, 2, 3, 4 usw. dividiert. 
4 B · DbD 
120 000 70 000 50 000 % 30 000 20 000 
650 000 35 000 „ 25 000 15 000 10 000 
40 000 „ 23 333 16 666 10 000 666 
30 000 17 500 12 500 7500 5000 
Liste A erhält 3 Mandate, Liste B 2 Mandate, Liste C 1 
Mandat, Listen D und E gehen leer aus; hätten D und E 
ihre Listen verbunden, so wäre der verbundenen Liste D—E 
ein Mandat zugefallen, Liste B hätte nur 1 Mandat erhalten. 
Innerhalb jedes W orschlags geschieht die Zu- 
teilung der Mandate an die Kandidaten, die die 
meisten Stimmen erhalten haben. Nachwahlen 
finden nicht statt. Bei Ausscheiden eines Abge-
	        
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