Waldeck (Fürstentum)
861
manialvermögens feststellte und anerkannte, daß
die Einkünfte desselben in erster Linie für den
standesgemäßen Unterhalt des Fürstenhauses,
über einen gewissen Betrag hinaus aber zugleich
für allgemeine Landesverwaltungszwecke zu ver-
wenden seien, und daß insoweit, als sie für jene
nächste Bestimmung nicht ausreichten, das Land
hierfür eintreten müßte. Dieser Rezeß ist durch
den bestehenden Akzessionsvertrag dahin abge-
ändert worden, daß eine Inanspruchnahme der
Domanialeinkünfte für die Landesausgaben aus-
eschlossen, das Land aber von der Verpflichtung,
far den Unterhalt des Fürstenhauses gegebenen-
falls einzutreten, entlastet wird. Die dem Land-
tag zustehende Kontrolle, wonach Veräußerun-
en und Verpfändungen des Domanialvermögens
owie Bestimmungen, durch welche die Substanz
des Domaniums verringert würde, der ständischen
Zustimmung bedürfen, ist aufrecht erhalten. Die
Verwaltung des Domanialvermögens steht nach
dem Akzessionsvertrag dem Fürsten zu; für diese
Verwaltung findet eine Mitbenutzung der Landes-
dienststellen nicht statt. Die Erträgnisse des Do-
manialvermögens verbleiben dem Fürsten.
# 3. VBolksvertretung. Die erste Volksver-
tretung wurde in W. durch die Landständische
Verf v. 19.4.1816 geschaffen. Der Landtag wurde
aber während des 32jährigen Bestehens der Verf
v. 1816 nur dreimal versammelt; in der Regel
wurden die Beschlüsse der Landstände schriftlich
herbeigeführt. Im April 1848 gab der Landtag
seine Zustimmung zur Wahl von 12 Abgeord-
neten, mit welchen dann das Staatsgrundgesetz
vom Jahre 1849 vereinbart wurde. Der jetzige
Landtag, für den die revidierte Verf v. 17. 8. 52
und das (mehrfach abgeänderte) Wahlgesetz
vom gleichen Tage maßgebend sind, besteht aus
12 Abgeordneten aus dem Fürstentum W. und
3 Abgeordneten aus dem Fürstentum Pyrmont.
Die Abgeordneten werden in Wahlbezirken nach
den Grenzen der Kreiseinteilung durch Wahl-
männer der Ortsgemeinden auf 3 Jahre ge-
wählt; in jeder Ortsgemeinde werden je nach
ihrer Größe 3, 6, 9, 12 Wahlmänner gewählt.
Die Wahl der Wahlmänner erfolgt durch die
stimmberechtigten Gemeindebürger nach dem
Dreiklassenwahlsystem. Stimmberechtigter Ge-
meindebürger ist jeder Staatsangehörige, welcher
das 25. Lebensjahr zurückgelegt und einen eigenen
Hausstand hat, seit einem Jahre der Gemeinde
als Mitglied angehört und mindestens 3 Mk.
als Jahresbetrag an direkten Steuern entrichtet
oder ein Grundstück im Werte von mindestens
300 Mk. oder ein Wohnhaus im Gemeindebezirk
besitzt. Zum Abgeordneten wählbar ist jeder
männliche Staatsangehörige, der das 30. Le-
bensjahr zurückgelegt hat, seit wenigstens 2 Jah-=
ren dem Staate angehört, unbescholten ist und
sich nicht im Konkurs oder unter Kuratel befindet.
Die Wahl der Wahlmänner sowohl wie der Ab-
geordneten erfolgt durch mündliche Stimmabgabe.
Der Landtag muß nach der V regelmäßig im
Laufe des Monats Oktober jedes Jahres ver-
sammelt werden. Eine Vertagung darf ohne
seine Zustimmung weder 2 Monate überschreiten
noch während derselben Sitzungsperiode wieder-
holt werden. Wird der Landtag aufgelöst, so
müssen die neugewählten Stände innerhalb von
3 Monaten nach der Auflösung versammelt wer-
den. In der Regelung seiner Geschäfte und seiner
innern Angelegenheiten genießt der Landtag
die übliche Autonomie. Er kann Abgeordnete,
welche an der Wahrnehmung der Geschäfte
dauernd behindert sind oder sich denselben be-
harrlich entziehen oder sich unwürdigen Betragens
schuldig machen, für die übrige Dauer der Wahl-
zeit mit einer Mehrheit von 3¾ sämtlicher Land-
tagsmitglieder ausschließen. Die Immunität steht
den Abgeordneten in der üblichen Weise zu; jedoch
erstreckt sich die Immunität nicht auf während der
Sitzungsperiode außerhalb der Ständeversamm-
lung begangene, mit Strafe bedrohte Handlungen.
1s Aufgaben des Landtags bezeichnet die
Vu im 5+l 46 die „Wahrnehmung der verfassungs-
mäßigen Rechte, namentlich des Rechtes bei der
Mitwirkung der Gesetzgebung und des Steuer-
bewilligungsrechts“. Das Mitwirkungsrecht bei
der Gesetzgebung beschränkt sich nicht auf das
Recht der Annahme oder Ablehnung bzw. Ab-
änderung von Reg Vorlagen, sondern es gehört
dazu auch die Befugnis, die Vorlage von Gesetzen
zu beantragen. Das Steuerbewilligungsrecht
umfaßt neben der periodischen Etatsaufstellung
die Befugnis, zur Einführung neuer Steuern
sowie zur Aenderung oder Forterhebung der
bestehenden Steuern die Zustimmung zu er-
teilen. Jedoch „dürfen die zu einer den Bundes-
pflichten und der Landesverfassung entsprechen-
den Regierung erforderlichen Mittel nicht ver-
weigert werden“. Schließlich ist der Landtag
befugt, über alle Landesangelegenheiten Aus-
kunft zu begehren sowie zur Aufklärung von Tat-
sachen und Vorbereitung der Beratungsgegen-
stände Ausschüsse zu bilden; er kann Adressen,
Beschwerden und Bitten in allen Landesange-
legenheiten an den Landesherrn richten. Die
Abgeordneten erhalten während der Dauer des
Landtags Tagegelder, z. Zt. 9 Mk.
## 4. Behördenorganisation nud Beamten-
recht. I. Die Organisation der inneren Staatsver-
waltung beruht auf dem Atkzessionsvertrage und
dem AE v. 25. 1. 69. Durch diesen Erlaß wurde
die ehemalige waldecksche Regierung ausfgehoben,
die Funktionen der Gesamtregierung und ihrer
einzelnen Abteilungen wurden auf einen „Landes-
direktor“ übertragen, soweit sie nicht auf preußische
Behörden unmittelbar übergingen. Die Er-
nennung des Landesdirektors erfolgt durch den
König von Preußen, vor der Berufung ist seine
Person dem Fürsten namhaft zu machen; wird
die Anstellung beanstandet, so werden zwei
andere Personen namentlich bezeichnet, zwischen
denen der Fürst binnen Monatsfrist eine Wahl
zu treffen hat. Der Landesdirektor leistet dem
Könige den Diensteid, in den das Gelöbnis auf-
genommen wird, in bezug auf die dem Fürsten
vorbehaltenen Rechte demselben treu und ge-
horsam zu sein. Zur Bearbeitung der Geschäfte
sind dem Landesdirektor höhere Verw-Beamte
und höhere technische Beamte sowie die erforder-
liche Zahl von Bureaubeamten beigegeben; die
Behörde führt den Namen „Landesdirektorium“
und hat in Arolsen ihren Sitz.
Das Land ist in 4 Kreise eingeteilt, an der
Spitze jedes Kreises steht ein Kreisamtmann
(während der früheren waldeckschen Verwaltung
„Kreisrat"). Dem Kreisamtmann steht als be-
schließende Behörde der „Kreisvorstand“ zur