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Wandergewerbe
nung des Scheins durch die örtlich zuständige
höhere Verw Behörde. Als solche sind sachlich
zuständig in Preußen die Finanzabteilungen
der Regierung, im Stadtkreise Berlin die Verwal-
tung der dir. Steuern, Bayern die Distrikts-
verwaltungsbehörden, München der Magistrat,
für Preßerzeugnisse die PolDirektion, Sachsen
die Kreishauptmannschaft, Württemberg
die Oberämter, Baden die Bezirksämter,
Hessen die Kreisämter, Oldenburg die
Poldcdirektion, Elsaß-Lothringen der Be-
zirkspräsident. Z
Vielfach, wie insbesondere in Preußen, wird
die Verabfolgung des Scheins von der Ent-
richtung der Landessteuern ab-
hängig gemacht (unten # 9).
Gemäß 8 460 RVO hat der Arbeitgeber im
W. die Krankenkassenbeiträge für die Zeit bis zum
Ablaufe des W. Scheins im voraus zu entrichten.
Ueber die empfangenen Beiträge hat die Kranken-
kasse nach einem vom BR bestmmten Muster
(ogl. Bek d. RK v. 21. 11. 13, RGBl 762) Be-
scheinigung auszustellen, ohne deren Vorlage der
W. Schein nicht erteilt werden darf (§F 461 RV0).
III. Die Gültigkeitsdauer des Scheins
erstreckt sich nur auf das Leltheriahr
Das Gültigkeitsgebiet is,, soweit es sich
nicht um Lustbarkeiten handelt (s. oben), das
ganze Reich. Für Ausländer s. u. § 7.
8. Die Versagung des W. Scheins ist
schriftlich unter Angabe von Gründen zu eröff-
nen. Die Versagungsgründe sind entweder un-
bedingt zwingend oder bedingt zwingend oder
fakultativer Natur. Aus anderen als diesen
Gründen darf Inländern der Schein nicht ver-
sagt werden.
I. Der Schein muß versagt werden
(5 67 GewO), wenn der Nachsuchende
1. mit abschreckender oder ansteckender Krank-
heit behaftet oder in abschreckender Weise entstellt
ist. Als ansteckende Krankheit ist jede Krankheit
zu erachten, die von Person zu Person übertragen
werden kann;
2. unter Polizeiaussicht (gemäß # 38 StGB
teht;
n "7 zu mindestens 3 Monaten Freiheitsstrafe ver-
urteilt ist und seit Ablauf der festgesetzten Straf-
zeit drei Jahre noch nicht verflossen sind.
Die Verurteilung müßte wegen nachstehender Straftaten
erfolgt sein: a) Handlungen aus Gewinnsucht, wenn diese
auch nur in der Absicht der Abwendung eines Schadens zu
erblicken ist; b) Verletzung fremden Vermögens, auch wenn
sie nicht aus Gewinnsucht erfolgt, wie z. B. Sochbeschädi-
agung: c) Handlungen gegen die Sittlichkeit:; d) Vorsätzliche
Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen,
wie sic nicht nur durch das Strafgesetzbuch, sondern auch z. B.
durch die Nahrungsmittelgesetze bedroht werden; e) Land-
oder Hausfriedensbruch; 1) Widerstand gegen die Staats-
gewalt; g) Vorsaätzliche Brandstiftung; h) Zuwiderhand-
lungen gegen Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betr.
Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder
Viebseuchen.
4. wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu,
Bettelei, Landstreicherei, Trunksucht übel berüch-
tigt ist:
5. für Musikaufführungen, Schaustellungen,
theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbar-
keiten den Schein nachsucht, obgleich der den
Verhältnissen des Verwhezirks entsprechenden
Anzahl von Personen W. Scheine erteilt oder aus-
gedehnt sind;
6. ein Ausländer ist (unten & 7) und keinerlei Be-
dürfnis für den betreffenden Gewerbebetrieb in
den Bezirken der Verw Behörde besteht oder wenn
der Ausländer zu den Zigeunern [IAI zu rechnen
ist oder zu polizeilichen Bedenken irgendwelcher
Art Anlaß gibt.
II. Der Schein ist in der Regel zu ver-
sagen (557a GewO), wenn der Nachsuchende
1. das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
es müßte denn sein, daß er der Ernährer einer
Familie und bereits vier Jahre als Begleiter oder
Gehilfe in gesetzmäßiger und erlaubter Weise im
W. tätig gewesen ist. Treffen diese Voraussetzun-
gen zusammen, so muß der W. Schein erteilt
werden; doch gilt dies nicht für Ausländer;
2. blind, taub oder stumm ist oder an Geistes-
schwäche leidet. *
III. Der Schein kann versagt wer-
den (§ 57b GewO), wenn der Nachsuchende
1. als Inländer im Inlande einen festen Wohnsitz
nicht hat. Ein Wohnsitz im Auslande genügt für
den Inländer nicht; 2. wegen einer der unter
I 3a—h bezeichneten strafbaren Handlungen zu
einer Freiheitsstrafe von mindestens einer Woche
verurteilt ist und seit Verbüßung der Strafe funf
Jahre noch nicht verflossen sind; 3. wegen Ver-
letzung der auf den Gewerbebetrieb im Umher-
ziehen bezüglichen Vorschriften im Laufe der
letzten drei Jahre wiederholt mit Geld= oder Frei-
heitsstrafe belegt worden ist; 4. ein oder mehrere
Kinder besitzt, für deren Unterhalt und, sofern
sie im schulpflichtigen Alter sind, für deren Unter-
richt nicht genügend gesorgt ist.
IV. Gegen den versagenden Bescheid ist, abge-
sehen von dem Fall unter I5 Rekurs zu-
lässig, jedoch ohne aufschiebende Wirkung, für
den nach S§ 20, 21 der GewO zu verfahren ist.
V. Die Zurücknahme des Scheins erfolgt
schriftlich unter Angabe von Gründen unter Zu-
lassung des gleichen Rechtsmittels. Die in 1, 5
bezeichneten Gewerbetreibenden haben nur ein
Beschwerderecht.
VI. Die Gründe, die zur Versagung des W.=
Scheins berechtigen, gelten auch für seine Entzie-
hung, wofern sie erst nachträglich eingetreten oder
bekannt geworden sind. Jedoch kann eine Entzie-
hung wegen nachträglicher Verneinung des Be-
dürfnisses nicht erfolgen. Die Rechtsmittel sind die
gleichen wie im Falle der Versagung des Scheins.
C. Der Inhaber des W. Scheins ist ver-
pflichtet, ihn stets bei sich zu füh-
ren, solange er in der Ausübung des Gewerbes
begriffen ist d. h. solange er mit seinen Waren
herumzieht. Während dieser Zeit hat er auf Er-
fordern der zuständigen Behörden und Beamten
den Schein vorzuzeigen und, wofern er hierzu
nicht imstande ist, auf ihr Geheiß den Betrieb bis
zu seiner Herbeischaffung einzustellen. Er ist auch
verpflichtet, die mitgeführten Waren vorzulegen.
Der Schein ist höchstpersönlich und darf nieman-
dem, auch nicht dem Gehilfen oder Vertreter zur
Benutzung überlassen werden, auch wenn diese
in dem Scheine als Begleiter aufgeführt werden
(§s 60 c und 60 d GewO). Gegen Zuwiderhand-
lungen Strafe nach §§ 148, 149 Gew O.
Um die Bevölkerung vor Belästigungen
durch zudringliche Hausicrer zu schützen, ist es