Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wassergenossenschaften 77 
  
hebung der älteren Bestimmungen eine Kodifi- 
kation dieser ganzen Rechtsmaterie gegeben. 
Dies Gesetz hat sich durchaus bewährt und auf 
die neuere außerpreußische Gesetzgebung großen 
Einfluß geübt. An seine Stelle ist jetzt der dritte 
Abschnitt des preußischen Wasser G v. 7. 4. 13 
etreten, der aber inhaltlich im wesentlichen die 
Vorschriften des G von 1879 zugrunde gelegt 
habe, bei nicht unwichtigen Abweichungen im 
einzelnen. In Frankreich wurde durch das — in 
Elsaß-Lothringen noch geltende — G über 
die Syndikal-Assoziationen v. 21. 6. 65 die Bil- 
dung von Genossenschaften für eine Reihe von 
Meliorationszwecken, auch solchen, die anderen 
Gebieten der Landeskultur als der Wasserwirt- 
schaft angehören, zugelassen und geregelt. Die 
danach zu bildenden Genossenschaften sind ent- 
weder freie oder öffentliche (autorisées). 
§5 2. Begriff und Arten der Wassergenossen- 
schaften. Insbesondere die „freie“ Wasserge- 
nossenschaft. Unter W. im technischen Sinne 
versteht man eine genossenschaftliche Vereinigung 
von Grundeigentümern zu dem Zwecke der ge- 
meinsamen Ausführung oder Unterhaltung von 
Anlagen, die der Beherrschung oder Benutzung 
des Wassers dienen sollen. Dieser Zweck ist regel- 
mäßig ein dauernder. Die Wirksamkeit der An- 
lage beschränkt sich auf einen örtlich feststehenden 
Kreis von Grundstücken. Die W. ist also eine 
Realgenossenschaft, und dieser Cha- 
rakter wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß 
einzelne Gesetze (z. B. das preußische Wasser G 
#Ò, das sächs. Wasser G §#5 104) auch Gemeinden, 
Kommunal= und Meliorationsverbänden den 
Beitritt zu W. gestatten. Das französische und nach 
dessen Vorgang das preußische Gv. 1879 unter- 
scheiden zwischen freie n und öffentlichen 
W. Erstere sind auf Grund gesetzlicher Normativ- 
bestimmungen errichtete Privatvereine, mit dem 
Rechte der juristischen Persönlichkeit, aber ohne 
öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Kontrollen. 
Die Bestimmungen des Gvon 1879 lehnten sich 
vielfach an diejenigen des R über die Erwerbs- 
und Wirtschaftsgenossenschaften v. 4. 7. 68 an. 
Auch der Charakter der Realgenossenschaft ist kaum 
festgehalten. Jedoch braucht auf die Rechtsver- 
hältnisse der freien W. hier nicht näher eingegan- 
gen zu werden, weil diese Vorschriften des preu- 
ßischen Gesetzes seither so gut wie unfruchtbar 
geblieben und deshalb auch in das neue Wasser- 
Gesetz (1913) nicht übernommen sind. Dies Ge- 
setz kennt nur noch öffentliche W. Die 
wenigen bestehenden freien W. sind, da das. 
G v. 1879 durch § 399 Nr. 11 in ganzem Umfange 
aufgehoben ist, nach den Vorschriften des bürgerl. 
Rechts zu beurteilen. 
Auch die Gesetze für Bayern, Sachsen, 
Baden, Hessen haben die Form der freien 
W. nicht ausgenommen. Württemberg hat 
neben den öffentlichen auch W. als privatrechtliche 
Vereinigungen, bei denen aber der öffentliche 
Charakter, wenngleich mangelhaft entwickelt, doch 
keineswegs fehlt (Anschütz im HW StaatsW 8, 
619/20). 
Die im weiteren Sinne ebenfalls unter den 
Begriff der W. fallenden Deichgenossen- 
schaften (Deichverbände) sind wegen ihrer 
eigenartigen rechtsgeschichtlichen Entwicklung hier 
nicht berücksichtigt. # Deichwesen, Wasserrecht. 
  
#l"3. Die Zwecke der Wassergenossenschaften. 
Die möglichen Zwecke genossenschaftlicher Unter- 
nehmungen sind durch die neuere Gesetzgebung 
immer mehr erweitert worden und beschränken 
sich nicht mehr auf landwirtschaftliche Zwecke. 
In Preußen konnten (1879) Genossenschaf- 
ten gebildet werden zur Benutzung oder Unter- 
haltung von Gewässern, zur Ent= oder Bewässe- 
rung von Grundstücken (dies war früher der 
einzige Fall der Genossenschaftsbildung und ist 
noch jetzt einer der wichtigsten) zum Schutze der 
Ufer, zur Anlegung, Benutzung oder Unterhal- 
tung von Wasserläufen oder Sammelbecken, zur 
Herstellung und Verbesserung von Wasserstraßen 
(Flößereien) und anderen Schiffahrtsanlagen. 
Fast übereinstimmend Hessen im G v. 1887 
a 32. Das preuß. G v. 1913 dehnt die zulässigen 
Zwecke aus (5 206) u. a. auf die Reinhaltung der 
Gewässer, die Verfehnung von Grundstücken und 
Unterhaltung von Verfehnungsanlagen, die An- 
legung, Unterhaltung und Ausnutzung von Was- 
serversorgungsanlagen, die Beseitigung von Hin- 
dernissen des Hochwasserabflusses, die Zurück- 
haltung von Wasser in den Niederschlagsgebieten, 
die Aufhöhung und Aufspülung von Grund- 
stücken im Interesse der Bodenkultur. 
Die bayerische Gesetzgebung kannte früher 
nur Genossenschaften für Bewässerung oder Ent- 
wässerung sowie Uferschutzgenossenschaften. Das 
Wasser G v. 1907 dehnt in a 110 die Zweckbestim- 
mung aus auf alle Arten der Benutzung und 
Instandhaltung der Gewässer sowie auf Her- 
stellung und Unterhaltung von Trink= und Nutz- 
wasserleitungen. Nicht ganz so weit gehen 
Sachsen (Wasser G v. 1909 5 99, vgl. aber 
§ 65), Württemberg (Wasser G v. 1900 
a 67) und Baden (Wasser G v. 1913 58). 
Für Elsaß-Lothringen ist das franz. 
Gvon 1865 a 1 und das Ergänzungs G v. 11. 5.77 
z 1 maßgebend. 
z 4. Voraussetzungen für die Bildung von 
Wassergenossenschaften; Zulässigkeit eines Zwan- 
ges im allgemeinen. Mit Rücksicht auf die öffent- 
lich-rechtliche Natur der W. muß ihrer Bildung 
eine behördliche Prüfung des Unternehmens 
vorangehen, die sich auf Zweckmäßigkeit und 
Ausführbarkeit des Meliorationsplanes, sowie auf 
das vereinbarte Genossenschaftsstatut zu erstrecken 
hat. Die meisten Gesetze lassen die Form der 
öffentlichen Genossenschaft nur für solche Unter- 
nehmungen zu, die von größerer wirtschaftlicher 
Bedeutung sind. Preußen erfordert den 
Nachweis eines öffentlichen oder gemeinwirt- 
schaftlichen Nutzens, dessen Vorhandensein durch 
die Bestätigung des Statuts endgültig festgestellt 
wird (G v. 1913 5 207). Uebereinstimmend oder 
ähnlich Bayern (a 112), Sachsen (§7 99), 
Württemberg (a 80), Baden (* 58), 
Hessen (a 33). In Elsaß---Lothringen 
wird lediglich die behördliche Genehmigung des 
Unternehmens erfordert, ohne daß den Behörden 
besondere gesetzliche Anhaltspunkte für die Ent- 
scheidung gegeben sind. 
Die Bildung der Genossenschaft setzt ferner im 
allgemeinen die Zustimmung der Be- 
teiligten voraus. Um aber nicht die Aus- 
führung nützlicher Unternehmungen an dem 
Widerspruche einzelner scheitern zu lassen, haben 
die Gesetze diesen Grundsatz nicht streng durch-
	        
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