Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wegerecht (Preußen) 
pflichtigen in dieser Weise benutzbar zu erhalten. 
Die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs auf 
diesen W schließt nicht aus, daß daran weiter- 
gehende privatrechtliche Beiugnisse bestehen; diese 
stehen aber dann nicht der Allgemeinheit, sondern 
nur den privatrechtlich Berechtigten zu (vgl. 
# 1, 3 W0O für Sachsen, ss 2, 4 WO für West- 
preußen, Posen, Ostpreußen). 
4. Eisenbahnzufuhrwege bkönnen 
je nach ihrer Zweckbestimmung öffentliche oder 
nicht öffentliche W sein. Sind sie als Teile 
der Bahnanlage zu betrachten, und nur dazu an- 
gelegt, um diese an das öffentliche WNetz an- 
zuschließen, so sind sie Privat W des Eisenbahn- 
unternehmers und zwar auch dann, wenn etwa 
der einzelne Weg alleiniger ZufahrtsW zum 
Bahnhof ist. Dienen die W jedoch gleich- 
zeitig zur Verbesserung und Ergänzung des 
öffentlichen WNetzes (z. B. ein neu angelegter 
W über einen Bahnhof, der zugleich gegen die 
bisherigen WVerbindungen zweier Ortschaften 
eine Abkürzung bedeutet), dann werden sie in der 
Regel als öffentliche W zu betrachten sein. Dem- 
gemäß regelt sich auch ihre Unterhaltungspflicht 
(Germershausen 1, 16 ff, 351 ff). 
III. Eine Unterart der öffentlichen W im wei- 
testen Sinne sind die Straßen, städtische, wie 
Dorfstraßen nebst den in der Regel dazu gehören- 
den Bürgersteigen; eine weitere Sonderart 
die Chausseen. Letztere unterscheiden sich 
von anderen W wegetechnisch durch den kunst- 
mäßigen Ausbau (seste Packlage, Bepflan- 
zung mit Bäumen, Einhalten bestimmter Stei- 
gungsverhältnisse usw.) und durch die Zweck- 
bestimmung, dem allgemeinen Durchgangsver- 
kehr zu dienen. Rechtlich erlangt ein so aus- 
gebauter Weg die Eigenschaft einer Chaussee, 
jedoch erst durch die staatliche Anerkennung; fehlt 
diese, so ist der W lediglich Privatchaussee. (Im 
einzelnen unten §5 5, 6). 
6é 3. Rechtsverhältuisse im allgemeinen — 
Gebrauchsbefugnis. 
I. Bestehen eines öffentlichen Weges. 
Wann ein W als öffentlicher W anzusehen 
ist, wird in Streitfällen danach festgestellt werden 
müssen, ob die Schaffung eines öffentlichen W 
beabsichtigt war. Nach der herrschenden Auf- 
fassung (Germershausen und O) bedarf es zum 
Entstehen eines öffentlichen W der ausdrücklichen 
oder stillschweigenden Widmung des W für 
den öffentlichen Verkehr durch die 
sämtlichen rechtlich Beteiligten, d. i. die W Pol, 
den Eigentümer und den WBaupflichtigen. Die 
beiden Letztgenannten werden dabei vielfach in 
einer Person vereinigt sein (Germershausen 1, 4 ff). 
Ob eine solche Widmung vorliegt, ist Frage der 
tatsächlichen Feststellung. Diese Theorie ist neuer- 
dings (Schultzenstein, Pr Verw l 34, 765) wie- 
der angegriffen worden; sie geht auch zu weit. 
Nach §& 55 Zust G hat die W Pol, soweit nicht, wie 
in den neueren Prov, andere gesetzliche Vor- 
schriften bestehen, dafür zu sorgen, daß den Be- 
dürfnissen des öffentlichen Verkehrs in bezug auf 
das WWesen Genüge geschieht; sie ist mithin die 
einzige Stelle, der eine öffentlich-rechtliche Ein- 
wirkung auf das WWesen zusteht (so auch Ger- 
mershausen 1, 5). Dann kann aber ohne ihre Mit- 
wirkung ein öffentlicher W überhaupt nicht ent- 
  
  
899 
stehen; andererseits kann sie den Eigentümer und 
den WBaupflichtigen zwingen, gegen ihren Willen 
öffentliche W anzulegen. So kann man z. B. von 
einer Widmung durch den WBaupflichtigen dann 
nicht reden, wenn der Waupflichtige sich wei- 
gert, einen öffentlichen W, dessen Anlegung ihm 
von der W Pol aufgegeben ist, herzustellen, und 
die Herstellung dann auf deren Veranlassung 
durch einen Dritten erfolgt. Demgemäß wird für 
die Frage der Oeffentlichkeit eines W in erster 
Linie das Verhalten der WpPol maßgebend sein; 
hier trifft es zu, daß die unbestrittene — oder im 
Inanspruchnahmeverfahren (s. ##7) erstrittene — 
Herrschaft der W Pol über einen W den Beweis 
für seine Oeffentlichkeit liefere. Dies ist auch umso 
mehr von Bedeutung, als bei W, die von Alters 
her dem öffentlichen Verkehr offen gestanden 
haben, die von der herrschenden Ansicht gefor- 
derte Widmung fast ausnahmslos nicht mehr 
nachzuweisen ist, wenn die Eigenschaft eines W 
als eines öffentlichen einmal streitig wird. Karten, 
Rezesse, W Kataster, Steuerbücher usw. können 
für die Frage der Oeffentlichkeit eines W An- 
haltspunkte bieten; ein zwingender Beweis kann 
hieraus nur dann geführt werden, wenn die Auf- 
nahme in derartige Verzeichnisse kraft Gesetzes 
die rechtliche Eigenschaft eines W festlegt (Ger- 
mershausen 1, 13 , 32 f). In den neueren WO 
sind solche Veerzeichnisse vorgesehen (& 16 WO 
für Westpreußen, § 15 WO für Posen, 5 22 WO 
für Ostpreußen); sie haben die Vermutung für 
die Richtigkeit des Inhaltes für sich, jedoch vor- 
behaltlich des Gegenbeweises. 
Schwierigkeiten macht die Feststellung der recht- 
lichen Natur öffentlicher Fußwegee bis- 
weilen insofern, als im Geltungsgebiete des ALR 
das Betreten gebahnter Fußsteige auf offenen 
Feldern, sofern sie nicht als gesperrt gekennzeichnet 
sind, jedermann gestattet ist (§§ 63, 64 I, 22 ALR). 
Es kann also hier aus der seit langer Zeit ungehin- 
dert stattfindenden Benutzung des einzelnen 
FußW kein Beweis für seine Oeffentlichkeit her- 
geleitet werden, vielmehr ist in jedem Falle der 
Nachweis erforderlich, daß der Fuß W für den all- 
gemeinen Verkehr bestimmt und notwendig ist 
(Germershausen 1, 207). 
II. Das Eigentum am Wege. 
An öffentlichen W können nach preußischem 
Rechte — anders im französischen s. Art. 538 code 
civil — Privatrechte bestehen (vgl. unten V). Diese 
können aber im Rechtswege nur dann verfolgt 
werden, wenn sie der öffentlich-rechtlich gewähr- 
leisteten Benutzung des W nicht entgegenstehen. Die 
W Körper der öffentlichen W sind nicht herrenloses 
Gut, auch nicht „öffentlich-rechtliches Eigentum“ 
der W Unterhaltungspflichtigen (so Otto Mayer 1, 
60 ff); sie stehen vielmehr ausschließlich im Privat- 
eigentum (Germershausen 1, 118). Das Rechtsver- 
hältnis ist hier analog dem der Gebietshoheit im 
Staatsrechte (ldominium — imperium). Wer der 
Eigentümer des WfKörpers ist, muß im einzelnen 
Falle festgestellt werden. Ueber das Eigen tum 
am Wegekörper enthält das preußische 
Recht keine allgemeine Vorschrift, etwa der Art, 
daß der WBaupflichtige der Eigentümer des WhKör- 
pers sein müsse; in den seit 1891 erlassenen WO 
finden sich auch nur die Vorschriften, daß die pri- 
vatrechtlichen Nutzungs= und sonstigen Rechte dem 
WBaupflichtigen auf Verlangen abgetreten wer- 
57
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.