Wegerecht (Preußen)
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selbst auf eigenen Grundstücken fördern kann, von
jedermann aus dessen landwirtschaftlichen, Forst-
u#w. Grundstücken gegen Entschädigung entneh-
men, falls sie der Eigentümer nicht selbst braucht.
Hierüber entscheidet mangels gütlicher Einigung
der Kreisausschuß in erster Instanz (§&4 50—58
Enteignungs G).
V. Besteht Streit darüber, ob ein W ein öffent-
licher ist oder nicht, so kann er durch Verfügung der
W Pol für den öfsfsentlichen Verkehr
in Anspruch genommen werde n. Die
Berfügung ist gegen den zu richten, der die Oeffent-
lichkeit des W bestreitet; das Verfahren regelt sich
nach den unten III angegebenen Grundsätzen. Zweck
dieser Bestimmung ist, der WoPol die Möglichkeit
zu geben, den Bestand öffentlicher Wigegen private
Aneignungsversuche zu wahren. Die endgültige
Feststellung der Oeffentlichkeit des W gilt aber nur
demjenigen gegenüber, der die Oeffentlichkeit
bestritten hat. Eine Möglichkeit, die Oeffentlich-
keit eines Wim Verw Streitverfahren objektiv und
allgemein gültig festzustellen, gibt es im preußischen
Verwecht nicht (Germershausen 1, 704 ff). Ist
der W unzweifelhaft Privat W, so ist ein solches
Vorgehen der W Pol unzulässig; der W muß dann,
nötigenfalls durch Enteignung, erworben und dem
öffentlichen Verkehr übergeben werden. Wird
der W im Verwtreitverfahren für einen öffent-
lichen erklärt, so können privatrechtliche Ansprüche
darauf gegen den WBaupflichtigen im ordentlichen
Rechtswege nach # 4 des G über die Zulässigkeit
des Rechtswegs in Beziehung auf polizeiliche
Vfig v. 11. 5. 42 (GS 1912) geltend gemacht
werden.
VI. Oeffentliche W können je nach dem Verkehrs-
bedürfnis verlegt# werden, wenn andere In-
teressen dadurch nicht erheblich verletzt werden.
Sind sie überflüssig geworden oder müssen sie
aus überwiegenden anderen öffentlichen Interessen
beseitigt werden, so können sie eingezogen;
haben sie an Bedeutung verloren, in eine ge-
ringer wertende W Klasse verse #zt
werden (Deklassierung).
Das Verfahren bei Einziehung und Verle-
gung ist durch § 57 Zust G an bestimmte Formen
geknüpft. Hiernach ist das Vorhaben mit der Auf-
forderung, Einsprüche binnen 4 Wochen geltend
zu machen, durch die W Pol in ortsüblicher Weise
und durch das Kreis= und Amtsblatt bekannt zu
machen. Dann beschließt die W Pol über die Ein-
ziehung oder Verlegung unter Zurückweisung zu
Unrecht erhobener Einsprüche. Gegen den Be-
schluß haben die mit dem Einspruche Zurückgewie-
senen die Klage im Verw Streitverfahren vor dem
Kreis-(Bezirks-)Ausschusse nach § 56 Abs 7. Das
Recht des Einspruches ist nicht auf einen bestimm-
ten Personenkreis beschränkt, sondern steht in
Abweichung von den sonstigen Bestimmungen
jedem zu, der sich durch die Anordnung zu Unrecht
für benachteiligt hält (Popularklage, s. Germers-
hausen 1, 721). Lehnt die W Pol die beantragte
Einziehung oder Verlegung eines W ab, so ist
dagegen nur Beschwerde an die Aufsichtsbehörde
(Landrat, Reg Präsident) zulässig. Das hier er-
wähnte Verfahren findet nicht Anwendung, wenn
besondere Gesetze für einzelne Fälle andere Vor-
schriften enthalten (Germershausen 1, 725 f). Die
Bestimmungen in & 4, II. 15 ALK über die Ein-
ziehung und Verlegung von Land= und Heerstraßen
sind mit dem Aufhören dieser Straßen gegenstands-
los geworden.
Von der Einziehung zu unterscheiden ist die De-
klassierung, die VBersetzung in eine Wlasse
niederer Ordnung, womit dann die Wünterhal-
tungspflicht von dem höheren WVerband auf den
untergeordneteren übergeht. Die neueren WOse-
hen derartiges ausdrücklich vor: durch Vereinbarung
der Beteiligten können mit Genehmigung der W-
Pol und erforderlichenfalls der Kommunalaufsichts-
behörde Provinzial W in die Klasse der Kreis= oder
Gemeinde W, Kreis W in die Klasse der Gemeinde W
versetzt werden. Für Posen und Ostpreußen ist
außerdem vorgesehen, daß in Ermangelung einer
Vereinbarung auf Antrag der Prov oder des Krei-
ses der Bezirksausschuß über die Versetzung in eine
niedere Klasse beschließen kann. Zu Gemeinde W
dürfen nur solche W deklassiert werden, die lediglich
dem örtlichen Verkehr dienen (5F22 W0O für West-
preußen, .21 W0O für Posen und Ostpreußen).
Die W0 für Sachsen enthält keine derartige An-
ordnung; für die übrigen Provinzen gibt es
ebenfalls keine gesetzlichen Bestimmungen.
Besondere Vorschriften bestehen in den
Prov Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-
Nassau über die Anlegung, Verlegung und Einzie-
hung von öffentlichen W insofern, als sie von dem
sonst geltenden Grundgedanken, daß die W Pol
das hierfür zuständige Organ ist, zum Teil ab-
weichen. In Schleswig-Holstein entscheiden
über die Anlegung, Verlegung und Einziehung von
Nebenwegen und Fußsteigen die Gemeinden,
deren Beschlüsse der Bestätigung des Kreisaus-
schusses, in Stadtkreisen des Bezirksausschusses
bedürfen (558 Ziff. 1, 2 Zust G). Die Deklassierung
von W erfolgt durch den Provinziallandtag mit Ge-
nehmigung der Ressortminister. In Hannover
beschließt über die Anlegung, Berlegung und Ein-
ziehung von Gemeinde W die Gemeinde. Gegen
den Beschluß, der zu veröffentlichen ist, können
binnen 4 Wochen Einsprüche erhoben werden, über
die der Kreis-, in selbständigen Städten der Be-
zirks-Ausschuß entscheidet. Eine Bestätigung des
Gemeindebeschlusses ist nicht vorgeschrieben (§ 60
Ziff. 1 Zust GE). In den ehemals großherzoglich hes-
sischen Landen beschließt über die Genehmigung
zur Anlage neuer Ortsstraßen und Vizinal W sei-
tens der Gemeinden der Kreisausschuß (5§63 Ziff. 1
ZustcO; Germershausen 1, 739 ff).
Kiteratur: Germershausen, Whecht und
Werwaltung in Preußen", 1907; v. Rönne, W Polizei
und W Recht des preuß. Staates, 1852; Ernst Frie-
denthal, Preuß. WRecht unter bes. Berücksichtigung des
schlesischen Provinzialrechts, 1906; Rud. Curtius,
Die WBauvorausleistungen in Preußen, 1 (Materialien),
1901; Ecker, Rheinisches WRecht, 1909; Kluckhuhn,
Recht der WirtschaftsW, 1904; Hecht, Gesetz üÜber die
Reinigung öffentl. W', 1913.— Erläuterungen zu den W O:
Sachsen (v. Arnstedt 1802), Posen (Oecht# 1000), Ost-
preußen lv. Hippel 1912); — Hans Hoffmann,
Whaulast in Pommern, Diss. Tübingen 1907; Wilh.
Dreyer, Der ECntschädigungsanspruch der Straßenan-
lieger (mit reicher Rechtsprechung, Berwärch 17, S 20,
161, 195); Ueber Eisenbahnzufuhrc Otto Mayer,
Arch OessK 16, 205 f; Ueber Entschädigungspflicht bei poll-
zeilicher Straßensperrung Fleischmann in Egers
3 f. Eisenbahnrecht 20, 295 f. Aber Zorn.