Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wegerecht (Preußen) 
909 
  
selbst auf eigenen Grundstücken fördern kann, von 
jedermann aus dessen landwirtschaftlichen, Forst- 
u#w. Grundstücken gegen Entschädigung entneh- 
men, falls sie der Eigentümer nicht selbst braucht. 
Hierüber entscheidet mangels gütlicher Einigung 
der Kreisausschuß in erster Instanz (§&4 50—58 
Enteignungs G). 
V. Besteht Streit darüber, ob ein W ein öffent- 
licher ist oder nicht, so kann er durch Verfügung der 
W Pol für den öfsfsentlichen Verkehr 
in Anspruch genommen werde n. Die 
Berfügung ist gegen den zu richten, der die Oeffent- 
lichkeit des W bestreitet; das Verfahren regelt sich 
nach den unten III angegebenen Grundsätzen. Zweck 
dieser Bestimmung ist, der WoPol die Möglichkeit 
zu geben, den Bestand öffentlicher Wigegen private 
Aneignungsversuche zu wahren. Die endgültige 
Feststellung der Oeffentlichkeit des W gilt aber nur 
demjenigen gegenüber, der die Oeffentlichkeit 
bestritten hat. Eine Möglichkeit, die Oeffentlich- 
keit eines Wim Verw Streitverfahren objektiv und 
allgemein gültig festzustellen, gibt es im preußischen 
Verwecht nicht (Germershausen 1, 704 ff). Ist 
der W unzweifelhaft Privat W, so ist ein solches 
Vorgehen der W Pol unzulässig; der W muß dann, 
nötigenfalls durch Enteignung, erworben und dem 
öffentlichen Verkehr übergeben werden. Wird 
der W im Verwtreitverfahren für einen öffent- 
lichen erklärt, so können privatrechtliche Ansprüche 
darauf gegen den WBaupflichtigen im ordentlichen 
Rechtswege nach # 4 des G über die Zulässigkeit 
des Rechtswegs in Beziehung auf polizeiliche 
Vfig v. 11. 5. 42 (GS 1912) geltend gemacht 
werden. 
VI. Oeffentliche W können je nach dem Verkehrs- 
bedürfnis verlegt# werden, wenn andere In- 
teressen dadurch nicht erheblich verletzt werden. 
Sind sie überflüssig geworden oder müssen sie 
aus überwiegenden anderen öffentlichen Interessen 
beseitigt werden, so können sie eingezogen; 
haben sie an Bedeutung verloren, in eine ge- 
ringer wertende W Klasse verse #zt 
werden (Deklassierung). 
Das Verfahren bei Einziehung und Verle- 
gung ist durch § 57 Zust G an bestimmte Formen 
geknüpft. Hiernach ist das Vorhaben mit der Auf- 
forderung, Einsprüche binnen 4 Wochen geltend 
zu machen, durch die W Pol in ortsüblicher Weise 
und durch das Kreis= und Amtsblatt bekannt zu 
machen. Dann beschließt die W Pol über die Ein- 
ziehung oder Verlegung unter Zurückweisung zu 
Unrecht erhobener Einsprüche. Gegen den Be- 
schluß haben die mit dem Einspruche Zurückgewie- 
senen die Klage im Verw Streitverfahren vor dem 
Kreis-(Bezirks-)Ausschusse nach § 56 Abs 7. Das 
Recht des Einspruches ist nicht auf einen bestimm- 
ten Personenkreis beschränkt, sondern steht in 
Abweichung von den sonstigen Bestimmungen 
jedem zu, der sich durch die Anordnung zu Unrecht 
für benachteiligt hält (Popularklage, s. Germers- 
hausen 1, 721). Lehnt die W Pol die beantragte 
Einziehung oder Verlegung eines W ab, so ist 
dagegen nur Beschwerde an die Aufsichtsbehörde 
(Landrat, Reg Präsident) zulässig. Das hier er- 
wähnte Verfahren findet nicht Anwendung, wenn 
besondere Gesetze für einzelne Fälle andere Vor- 
schriften enthalten (Germershausen 1, 725 f). Die 
Bestimmungen in & 4, II. 15 ALK über die Ein- 
ziehung und Verlegung von Land= und Heerstraßen 
  
sind mit dem Aufhören dieser Straßen gegenstands- 
los geworden. 
Von der Einziehung zu unterscheiden ist die De- 
klassierung, die VBersetzung in eine Wlasse 
niederer Ordnung, womit dann die Wünterhal- 
tungspflicht von dem höheren WVerband auf den 
untergeordneteren übergeht. Die neueren WOse- 
hen derartiges ausdrücklich vor: durch Vereinbarung 
der Beteiligten können mit Genehmigung der W- 
Pol und erforderlichenfalls der Kommunalaufsichts- 
behörde Provinzial W in die Klasse der Kreis= oder 
Gemeinde W, Kreis W in die Klasse der Gemeinde W 
versetzt werden. Für Posen und Ostpreußen ist 
außerdem vorgesehen, daß in Ermangelung einer 
Vereinbarung auf Antrag der Prov oder des Krei- 
ses der Bezirksausschuß über die Versetzung in eine 
niedere Klasse beschließen kann. Zu Gemeinde W 
dürfen nur solche W deklassiert werden, die lediglich 
dem örtlichen Verkehr dienen (5F22 W0O für West- 
preußen, .21 W0O für Posen und Ostpreußen). 
Die W0 für Sachsen enthält keine derartige An- 
ordnung; für die übrigen Provinzen gibt es 
ebenfalls keine gesetzlichen Bestimmungen. 
Besondere Vorschriften bestehen in den 
Prov Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen- 
Nassau über die Anlegung, Verlegung und Einzie- 
hung von öffentlichen W insofern, als sie von dem 
sonst geltenden Grundgedanken, daß die W Pol 
das hierfür zuständige Organ ist, zum Teil ab- 
weichen. In Schleswig-Holstein entscheiden 
über die Anlegung, Verlegung und Einziehung von 
Nebenwegen und Fußsteigen die Gemeinden, 
deren Beschlüsse der Bestätigung des Kreisaus- 
schusses, in Stadtkreisen des Bezirksausschusses 
bedürfen (558 Ziff. 1, 2 Zust G). Die Deklassierung 
von W erfolgt durch den Provinziallandtag mit Ge- 
nehmigung der Ressortminister. In Hannover 
beschließt über die Anlegung, Berlegung und Ein- 
ziehung von Gemeinde W die Gemeinde. Gegen 
den Beschluß, der zu veröffentlichen ist, können 
binnen 4 Wochen Einsprüche erhoben werden, über 
die der Kreis-, in selbständigen Städten der Be- 
zirks-Ausschuß entscheidet. Eine Bestätigung des 
Gemeindebeschlusses ist nicht vorgeschrieben (§ 60 
Ziff. 1 Zust GE). In den ehemals großherzoglich hes- 
sischen Landen beschließt über die Genehmigung 
zur Anlage neuer Ortsstraßen und Vizinal W sei- 
tens der Gemeinden der Kreisausschuß (5§63 Ziff. 1 
ZustcO; Germershausen 1, 739 ff). 
Kiteratur: Germershausen, Whecht und 
Werwaltung in Preußen", 1907; v. Rönne, W Polizei 
und W Recht des preuß. Staates, 1852; Ernst Frie- 
denthal, Preuß. WRecht unter bes. Berücksichtigung des 
schlesischen Provinzialrechts, 1906; Rud. Curtius, 
Die WBauvorausleistungen in Preußen, 1 (Materialien), 
1901; Ecker, Rheinisches WRecht, 1909; Kluckhuhn, 
Recht der WirtschaftsW, 1904; Hecht, Gesetz üÜber die 
Reinigung öffentl. W', 1913.— Erläuterungen zu den W O: 
Sachsen (v. Arnstedt 1802), Posen (Oecht# 1000), Ost- 
preußen lv. Hippel 1912); — Hans Hoffmann, 
Whaulast in Pommern, Diss. Tübingen 1907; Wilh. 
Dreyer, Der ECntschädigungsanspruch der Straßenan- 
lieger (mit reicher Rechtsprechung, Berwärch 17, S 20, 
161, 195); Ueber Eisenbahnzufuhrc Otto Mayer, 
Arch OessK 16, 205 f; Ueber Entschädigungspflicht bei poll- 
zeilicher Straßensperrung Fleischmann in Egers 
3 f. Eisenbahnrecht 20, 295 f. Aber Zorn.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.