Wegerecht (Sachsen)
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C. Sachsen
5 1. Begriff und rechtliche Bekandlung. # 2. Wegebau-
pflicht. 1 3. Wegestreitigkeiten.
§ 1. Begriff und rechtliche Behandlung.
I. Die Rechtsverhältnisse der nicht öffentlichen
W werden durch die allgemeinen zivilrechtlichen
Bestimmungen geordnet, wenn man von dem be-
sonderen strafrechtlichen Schutz absieht, den auch
die Privatm nach dem Strafgesetzbuch (Sachbe-
schädigung, verbotswidriges Begehen, Abgraben
usw.) und nach dem Forst= und Feldstrafgesetz
(Beschädigung oder Zerstörung) genießen. Be-
sonderes öffentliches Recht besteht nur für die
öffentlichen Wegec[. Als solche sind au-
zusehen:
1. dieienigen W, die bei ihrer Anlage aus-
drücklich oder stillschweigend von allen Beteiligten
dem Gemeingebrauch gewidmet wurden oder
werden,
2. Diejenigen bestehenden W, die seit Menschen-
gedenken ununterbrochen dem öffentlichen Verkehr
unter zum mindesten stillschweigender Ueberein-
stimmung aller Beteiligten gedient haben.
Nach der herrschenden Ansicht kann es außer-
dem noch beschränkt öffentliche W
geben, die bei Vorhandensein von gewissen Vor-
aussetzungen von jedermann benutzt werden
dürfen.
II. Die Staatsstraßen. Die rechtlichen
Grundlagen für die öffentlichen W sind verschie-
den, je nachdem Staatsstraßen oder nichtstaatliche
Wiin Frage kommen. Für die ersteren gilt noch
das Churfurstliche Mandat von 1781 über den
Straßenbau. Gegenwärtig gilt diejenige Straße
als staatliche, die vom Staat erbaut und unter-
halten wird bezw. in Unterhaltung übernommen
worden ist. Im allgemeinen sieht der Staat jetzt
von Straßenneubauten ab; er überläßt dies den
Gemeinden und leistet gegebenenfalls Beihilfen.
Aus Bezirksmitteln werden jetzt auch ständig Bei-
hilfen gewährt.
Die Aufsicht über die Staatsstraßen und die
Leitung des staatlichen Straßenbaues steht den
Amtshauptmannschaften als Straßenpolizel= und
Straßenbaubehörden unter der Oberleitung des
Finanzministeriums zu. Zur technischen Aussicht
sind den Amteohauptmannschaften die Straßen-
bauämter beigegeben.
III. Nicht staatliche Wege:
1. Die nur dem inneren Ortsverkehr dienenden
W;: deren Herstellung und Unterhaltung richtet
sich nach ortsgesetzlichen Bauordnungen. Sub-
sidiär gilt für sie das Gesetz über die WBaupflicht
v. 12. 1. 70.
2. Die von Ort zu Ort führenden Kommuni-
kationswege.
Für letztere gilt in vollem Umfange das bereits
erwähnte Gesetz über die Waupflicht. Nach
diesem sind die Kommunikationswege von jeder
Gemeinde innerhalb ihrer Flur und von jedem Be-
sitzer eines selbständigen Gutsbezirkes innerhalb
seiner Grenzen zu erbauen und zu unterhalten.
Ueber Anlegung neuer und Verlegung oder Ver-
schmälerung bestehender W hat, wie auch in allen
sonstigen Fällen, die wegebaupflichtige Gemeinde
oder der Gutsvorsteher zunächst selbst zu beschlie-
ßen. Die genannten Maßnahmen müssen jedoch
der zuständigen Amtshauptmannschaft angezeigt
werden und es darf mit ihrer Ausführung erst
4 Wochen nach der Anzeige begonnen werden.
Bei einer beabsichtigten WEinziehung ist vorher
von der Amtshauptmannschaft die Genehmigung
einzuholen; die Amtshauvtmannschaft entscheidet
über die Entziehung nach öffentlicher Bekannt-
gabe unter Zuziehung des Bezirksausschusses.
Falls bei Neuanlagen oder Veränderungen der
Waupflichtige wegen des abzutretenden Areals
mit den Anliegern sich nicht gütlich einigen kann,
wird die Abtretung im Entcignungswege durch-
geführt. Bei Neuanlagen verleiht die Enteig-
nungsbefugnis das Gesamt Min, bei Veränderun-
gen die Amtshauptmannschaft.
IV. Eigentumsverhältnisse. Bei
den Staatsstraßen ist Eigentümer stets der Staat,
bei den nichtstaatlichen W meistens der WBau-
pflichtige. Es ist aber auch die Möglichkeit des
Eigentums eines Dritten nicht ausgeschlossen.
Durch das Bestehen des öffentlichen W ist jedoch
das Eigentum beschränkt (öffentlich-rechtliche
Dienstbarkeit). Auf Ansuchen wird das WGrund-
stück im Grundbuch eingetragen. Werden die
Gemeindefluren geändert, so verschiebt sich auch
dementsprechend die WBaupflicht. Die dadurch
mehr belastete Gemeinde kann jedoch binnen
Jahresfrist bei der Aufsichtsbehörde (in meisten
Fällen Amtshauptmannschaft mit Bezirksaus-
schuß, ausnahmsweise Min Inn) um Ausgleichung
nachsuchen.
§s 2. Besonderheiten in der Wegebaupflicht.
Durch die gesetzliche W Baupflicht sind im allge-
meinen Verbindlichkeiten von Privatpersonen zum
Wau ausgehoben. Ausnahmsweise bleiben je-
doch die vor dem Gesetz über die Maupflicht
gültigen Verbindlichkeiten von Gemeindemitglie-
dern oder Rlassen bestehen, wenn sie entweder auf
gewissen, den Verpflichteten dafür zustehenden
Vorteilen verbunden sind (5. B. Nutzungen) oder
auf einem solchen Privatrechtstitel beruhen, der
nicht bloß als Anertenntnis einer herkömmlichen
Verpflichtung anzusehen ist.
Ausnahmsweise können solche Verbindlich-
keiten neu begründet werden: 1. durch einen
Privatrechtstitel der eben erwähnten Art; 2. durch
Anlage von Eisenbahnen, WBauten und ähn-
liches, falls dadurch eine Erhöhung der Unter-
haltungskosten verursacht wird; verbindlich ist hier
der Unternehmer:; 3. durch wesentliche Abnutzung
von W infolge des Ab= und Zugangsverkehrs zu
forstlichen oder gewerblichen Anlagen; der Besitzer
hat besondere Beiträge zu leisten, über deren
Höhe im Streitfalle die Amtshauptmannschaft
entscheidet.
Diese besonderen Verbindlichkeiten mit Aus-
nahme der zuletzt erwähnten Abnutzungsbeiträge
können jederzeit auf einseitigen Wunsch abgelöst
werden. Es kann dies geschehen durch Zahlung
des 20 fachen Ertrags des jährlichen Durchschnitts-
aufwands oder durch Uebernahme einer festen
Geldrente, die als Reallast auf dem Grundbuch-
blatt des dem Verpflichteten gehörenden Grund-
stücks eingetragen werden kann. Diese Roallast
ist dann trotz ihrer privatrechtlichen Eigenschaft
im Zwangsversteigerungsverfahren den ösffent-
lichen Lasten gleichgestellt. Im übrigen stellen
sich die besonderen Verbindlichkeiten nur als
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