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Wegerecht (Württemberg — Baden)
reicht. Straßenbenützungsabgaben bestehen nur
in der Form des kraft Herkommens in zwei Städten
erhobenen Pflastergeldes und des bei einer
Brücke zu zahlenden Brückengeldes. Neueinfüh-
rung solcher Abgaben ist unzulässig.
5 5. Besondere Rechtsverhältnisse der Orts-
straßen. Die Bezeichnung Straße ist auf die
Ortsstraßen nicht beschränkt. Das besondere
Recht der Ortsstraßen, d. h. der zur Bebauung
bestimmten, innerhalb des geschlossenen Bezirks
der Wohnräume eines Orts verlaufenden öffent-
lichen W besteht kurz in folgendem X Bauwesen
IVC 6)]: Die Baulast liegt den Gemeinden ob,
auch soweit es sich um die im Zug einer Staats-
straße eine Ortschaft durchziehende Wtrecke
handelt. Die Gemeinden können die Eigentümer
der an eine Ortsstraße anstoßenden Grundstücke
zu den Kosten der Herstellung und der erstmaligen
Einrichtung der Beleuchtung heranziehen (BauO
von 1910 a 24). Der Anlegung der Ortsstraßen
und öffentlichen Plätze hat in der Regel die Fest-
stellung eines Ortsbauplans oder einer Baulinie
voranzugehen (BauO a 7). Durch den Ortsbau-
plan kann auch die Schließung eines innerhalb
des geschlossenen Bezirks der Wohnräume des
Orts verlaufenden öffentlichen W vorgesehen
werden (BauO a 19). Für die Gehwege (Bürger-
steige) ist ein besonderes Recht nicht ausgebildet,
sie sind Teile der Straße, doch kann ihre Herstel-
lung und Unterhaltung ganz den Eigentümern
der angrenzenden Baugrundstücke durch Orts-
bausatzung auferlegt werden (BauO a 24). Die
Reinigung und Beleuchtung der Ortsstraßen ist
Sache der Gemeinden, soweit nicht kraft Her-
kommens die Reinigung den Angrenzern obliegt.
§ 7. Wegeverwaltung (Polizei, Verfahren).
I. Die Polizei in räumlicher Beschränkung auf
den Gemeindebezirk obliegt als solche im gesamten
Umfang der Ortspolizeibehörde (Ortsvor-
steher, Gem O a# 63), soweit nicht durch das positive
Recht einzelne Aufgaben der Landes= oder Bezirks-
polizeibehörde vorbehalten sind. W Pol und Ver-
kehrs Pol ist die Ortsvolizeibehörde, die für ihren
Geschäftskreis der verstärkten Aufsicht der Staats-
behörden untersteht (Gem O a 194, 2). Für die
Verwaltung der Staatsstraßen ist unter dem
Min Inn die Ministerialabteilung für den Straßen-
und Wasserbau unter einem Direktor mit Verw-
Beamten und Technikern gebildet. Ihr unter-
stehen 15 Straßenbauinspvektionen, hervorgegan-
gen aus den schon in der W-O v. 1752 erwähnten
Wönspektoren; eine Regelung ihres Geschäfts-
kreises ist, abgesehen von einer veralteten In-
struktion von 1811, nicht erfolgt.
Die Amtskörperschaften, sofern sie die Unter-
haltung der Nachbarschaftsstraßen übernommen
haben, und ebenso die größeren Gemeinden haben
besonders vorgebildete technische Beamte; in den
übrigen Gemeinden ist die Fürsorge für die W
den mit der Verwaltung des Gemeindevermögens
betrauten Beamten zugewiesen.
II. Die Anlegung nenuer öffentlicher W
geschieht freiwillig durch den WBaupflichtigen oder
unter dessen Zustimmung durch den Eigentümer
eines Grundstücks, dessen Aufschließung beab-
sichtigt ist. Des Nachweises der ausdrücklichen Zu-
stimmung der W Pol bedarf es nicht. Wenn das
Eigentum an dem erforderlichen Gelände nicht
freiwillig zu erhalten ist, erfolgt Zwangsenteig-
nung (Zwangsenteignungs G v. 1888). Bezüglich
der Anlegung der Straßen und öffentlichen
Plätze in Ortschaften 7 Bauwesen IV C §+ 6.
Besteht Streit über die Oeffentlichkeit eines W,
so wird die Frage im Verwtreitverfahren ob-
jektiv und in allgemein gültiger Weise entschieden
(VerwRPflG a 10 Ziff. 21). Die Einziehung
öffentlicher W wegen Entbehrlichkeit geschieht
durch die VerwBehörde (a. a. O.). Ein Verw-
Streitverfahren ist hier nicht zulässig, wohl aber
ist die Zustimmung der WPol als erforderlich zu
erachten; gleiches ist für die Verleg ung an-
zunehmen.
V. Wegepolizeiliche Verfügungen, die über die
Notwendigkeit eines Waus und die Art seiner Aus-
führung entscheiden, sind nur mit Beschwerde
anfechtbar (VerwR PflG a 10 Ziff. 20); gleiches
gilt für Verfügungen, die den Schutz der W und
des Verkehrs bezwecken, es sei denn, daß hier der
Betroffene die Verletzung eines ihm zustehenden
Rechts oder die Belastung mit einer ihm nicht
obliegenden Verbindlichkeit geltend macht, in wel-
chem Fall nach Durchlaufung der Verwenstanzen
Rechtsbeschwerde an den Verw Gerichtshof
möglich ist (VerwR PflG a 13). Ist streitig, wer
wegebaupflichtig ist, so erfolgt die Entscheidung im
Parteistreitverfahren vor den Verwce-
richten; die W Pol kann in diesem Fall nur die im
öffentlichen Interesse gebotenen vorläufigen Ver-
fügungen gegen diejenige der Parteien treffen,
die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als wege-
unterhaltungspflichtig sich darstellt (Verwei#t Pfl
a 10 Ziff. 20; Goez 393).
Literatur: Goez, Verwdechtspflege in Würt-
temberg, 1902; Lang, HB des in Württemberg gelten.
den Sachenrechts, 1878; Mandry, Das württ. Privat=
recht, 1901; F. F. Mayer, Grundsätze des VerwRechts.
1862; Derselbe, Die Gemeindewirtschaft, 1831:
Mohl, Staatsrecht des Kgr. Württemberg, 1846;: Sar.
wey, Das öffentliche Recht und die Verwdechtspflege,
1880; Stumpp in Sarwevs Monassschrift für v. Justiz-
pflege in Württemberg 9, 265; Wächter, O des im
Kgr. Württemberg geltenden Privatrechts, 1842. — Von
besonderer Bedcutung die Entscheidungen des Goheimen
Rats, im Württ. Archiv für Recht und Rechtsverwaltung
von Kübel- Sarwey und (seit 1877) des Verw Gerichtshofs.
ebendort und in den Jahrb. der Württ. Rechtspiflege.
Frauer.
E. Baden
56 1. Geschichtliche Entwicklung. 5 2. Begrisf und Arten
der öffentlichen Wege. § 3. Anlage der Wege (Wegedau-.
pflicht). & 4. Berwaltung der vorhandenen Wege. 3s 5. Ein.
ziehung und Veränderung bestehender Wege.
sP 1. Geschichtliche Entwicklung.
I. Die erite umfassende Regelung der Rochts-
verhältnisse der öffentlichen Land des Großhers.
Baden erfolgte durch die unterm 7. 5. 1810 er-
lassene Chaussee O, welche die öffentlichen W in
drei Klassen einteilte: in die Gemeinde= oder Vi-
zinalW, die Konkurrenzstraßen und die Staats-
chausseen. #6