Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wegerecht (Elsaß-Lothringen) 927 
  
1892 zu den infolge ablehnender Haltung des 
Landesausschusses vergeblichen Versuchen der 
Landesregierung, durch den Entwurf eines Ge- 
setzes betreffend die Kreisstraßen und Gemeinde- 
wege im Jahre 1878 und den Entwurf eines Ge- 
setzes betreffend die Kreisstraßen im Jahre 1892 
im Anschluß an den Entwurf einer Kreisordnung 
eine den modernen Verhältnissen entsprechende 
Neuregelung des Straßenwesens herbeizuführen. 
Der Bezirkstag von Lothringen hat 1875, der 
des Unter-Elsaß 1894 hauptsächlich aus finan- 
ziellen Gründen den Weg zur Einheitsstraße, 
soweit an ihm lag dadurch beschritten, daß er die 
Bezirkestraßen und die Vizinalstraßen von großem 
Verkehr mit den BVizinalstraßen vom gemein- 
samen Interesse — in Lothringen unter dem 
Namen Kreisstraßen, im Unter--Elsaß unter dem 
Namen Wizinalstraßen — vereinigte. 
2. Allgemeine Bestimmungen. Sämtliche 
Straßen sind öffentlich und stehen im öffent- 
lichen Eigentum. Das ist ein Hauptunter- 
schied von den preußischen Wegerechten, die nur 
ein Privateigentum der Wege kennen. Die Staats- 
straßen stehen im Eigentum des Staates, die Be- 
zirksstraßen, soweit sie noch bestehen, in dem des 
Bezirks, die Vizinalstraßen und Ortsstraßen in 
dem der Gemeinden, auf deren Bann sie liegen. 
Die „Usoirs“, freie Flächen zwischen der Straßen- 
flucht und den Häusern, die in der Regel in länd- 
lichen Ortschaften für Miststätten, zur Aufstellung 
der Wagen und zu ähnlichen Zwecken dienen, 
gehören bis zum Beweise des Gegenteils zum 
ösfentlichen Eigentum. 
Jedermann hat das Recht, die öffentlichen 
Straßen ihrer Bestimmung entsprechend zu be- 
nutzen. Wer durch die schlechte Beschaffenheit 
eines öffentlichen Weges genötigt ist, das Nach- 
bargrundstück zu betreten, bleibt straflos. Der Ei- 
gentümer des Nachbargrundstücks kann Entschä- 
digung von der Verwaltung fordern, die den Weg 
zu unterhalten hat. Privatrechte wie Dienstbar- 
keiten usw. können im Gegensatz zu den preu- 
ßhischen Wegegesetzen an öffentlichen Wegen nicht 
bestehen. 
Die Unternehmer oder Eigentümer von Berg- 
werken, Steinbrüchen, Forsten oder sonstigen indu- 
striellen Unternehmungen sind verpflichtet, wegen 
außerordentlicher Abnutzung einer 
Vizinalstraße besondere Beiträge zu zahlen, welche 
vertragsmäßig durch den Bezirkspräsidenten oder 
auf Antrag der Gemeinden durch den Bezirksrat 
nach Anhörung von Sachverständigen festgesetzt 
werden. Für die gewöhnliche Benutzung der 
Straßen dürfen im allgemeinen Gebühren nicht 
erhoben werden. In einzelnen Fällen kann das 
Recht zur Erhebung gewisser Abgaben, Wege= und 
Brückengelder durch besondere landesherrliche 
Verordnung verliehen werden. Die Erhebung 
derartiger Gebühren ist aber äußerst selten. 
Wenn Eigentümern überbauter Grundstücke, 
welche im Wohngebiet eines Ortes an einer öffent- 
lichen Straße gelegen sind, durch Beseitigung oder 
Veränderung der Straße die Möglichkeit, die 
Straße in der bisherigen Weise zum Verkehr oder 
zur Befriedigung des Luft= und Lichtbedürfnisses 
zu benutzen, entzogen oder wesentlich er- 
schwert wird, haben sie einen im ordentlichen 
Rechtsweg zu verfolgenden Ersatzanspruch. 
Der Straßenkörper öffentlicher Stra- 
  
ßen und Plätze darf nur auf Grund beson- 
derer Erlaubnis dazu benutzt werden, 
Leitungen — wie Kanalisationsröhren, Gas= und 
Wasserleitungen, Elektrizitätskabel, Straßenbah= 
nen und dgl. zu legen, Kandelaber und Masten 
zu errichten. Diese Erlaubnisse werden vom 
Staat oder Bezirk in der Regel in stets wider- 
ruflicher Weise, von den Gemeinden meistens 
vertraglich auf bestimmte Dauer erteilt. Die 
Benutzung der Straßen und Plätze in dauern- 
der oder vorübergehender Weise zur Aufstellung 
von Wagen, Errichtung von Buden, Kiosken 
erfolgt auf Grund besonderer Erlaubnis in der 
Regel gegen Entrichtung von Standgeld. Die 
Benutzung der Ortsstraßen durch Kraftfahrzeuge 
ist gesetzlich und durch Verordnung geregelt. 
Für den Verkehr auf den Straßen durch Fuhr- 
werke bestehen Fuhrpolizeivorschrif- 
ten, welche die Innehaltung der rechten Straßen- 
seite, das Ausweichen nach rechts, das Vorbeifah- 
ren auf der linken Seite, Beleuchtung von über 
Nacht auf der Straße stehenden Fuhrwerken und 
andere Bestimmungen enthalten, den modernen 
Verkehrsbedürfnissen aber nicht mehr genügen. 
# 3. Staats-, Bezirks= und Vizinalstraßen, 
Gizinalwege. 
I. Klassierung. 
Jede öffentliche Straße ist einer bestimmten 
Klasse der bestehenden Straßen zugeteilt — „klas- 
siert“; soll sie aus dieser Klasse gestrichen werden, 
sei es, daß sie aufhört, öffentliche Straße zu sein 
oder daß sie einer anderen Klasse zugeteilt wird, 
muß sie „deklassiert“ werden. 
1. Die Klassierung einer Staatsstraße er- 
folgt durch Gesetz auf Grund eines Vorverfahrens. 
Die Deklassierung erfolgt durch Kaiserliche, vom 
Statthalter zu vollziehende Verordnung. Nach 
der Deklassierung kann eine Staatsstraße als Straße 
niederer Ordnung klassiert werden, wenn der 
Verband, der in diesem Falle für ihre Unterhal- 
tung zu sorgen hat, zustimmt. Wenn sie ganz auf- 
hört, Straße zu sein, wird sie veräußert, doch soll 
im Bedarfsfall für die angrenzenden Grund- 
eigentümer durch Beschluß des Bezirkspräsidenten 
ein Wirtschaftsweg gelassen werden. Für die 
Herstellung und Unterhaltung der Staatsstraßen 
hat der Staat zu sorgen. 
Die Bezirksstraßen werden nach öffent- 
licher Voruntersuchung durch den Bezirkstag klas- 
siert und deklassiert. Die Herstellungs= und Un- 
terhaltungskosten liegen dem Bezirk ob. 
Der bedeutendste Teil des Straßenwesens wird 
gebildet durch die VWizinalstraßen. Der Un- 
terschied zwischen Vizinalstraßen des großen Ver- 
kehrs und solchen von gemeinsamem Interesse hat 
keine praktische Bedeutung mehr. Die Vizinal- 
straßen werden vom Bezirkstag nach Einholung 
von Gutachten der Gemeinderäte und Kreistage 
klassiert und deklassiert. Breite, Grenzen und Bau- 
fluchtpläne setzt der Bezirksvpräsident fest, welcher 
die Verwaltung dieser Straßen führt. 
2. Während für die Staatsstraßen und für die 
noch im Oberelsaß vorhandenen Bezirksstraßen 
sowohl für die Voruntersuchung vor der Klassie- 
rung wie besonders für die eventuell erforderliche 
Zwangsenteignung ein sehr umständliches Ver- 
fahren nötig ist (G v. 3. 5. 41), hat die Deklas- 
sierung der Bezirksstraßen und der Vizinalstraßen 
von großem Verkehr zu Vizinalstraßen von ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.