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Haft oder Temporaliensperre, sondern nur noch
durch Ordnungsstrafen gemäß a 21 Abs 1 des
PolSt GBB realisieren. Und ebenso beschränkt
sich der Ausschluß der Vollziehbarkeit auf das
sog. brachium saeculare, d. h. es darf zur
zwangsweisen Durchführung von nicht plazetier-
ten kirchlichen Verordnungen seitens der
Staatsbehörder keine Hand geboten wer-
den. Demgemäß ist die Kirche, um ihrem Willen
event. Nachdruck zu geben, auf die Anwendung
von rein geistlichen Zuchtmitteln be-
schränkt. Sie kann dem Kontravenienten lediglich
rein kirchliche Gerechtsame entziehen und dadurch
einen kompulsiven Zwang auf sein Gewissen
üben. Dagegen bleibt solchen Maßnahmen, die
in das bürgerliche Leben eingreifen, jede Wir-
kung versagt: sie werden staatsseitig nicht bloß
nicht gefördert, sondern ignoriert, und, sofern
sie gegen ein positives Staatsgesetz verstoßen, im
Wege der Repression geahndet.
Denheutigen Standpunkdt derbayerischen
Staatsregierung präzisieren die Erklärungen der
Minister v. Lutz und v. Crailsheim in den Kammer-
verhandlungen des J. 1888. Danach beschränkt sich
der Endzweck des P. auf die Prüfung, ob der Kirche
der weltliche Arm zur Verfügung zu stellen sei.
Wolle eine kirchliche Behörde sich für einen ihrer
Erlasse diesen Arm sichern, so habe sie das P
einzuholen. Andernfalls ist der Staat berechtigt,
dem kirchlichen Erlasse die Wirkung auf staat-
lichem Gebiete zu versagen. Hieraus folgert
Seydel, daß die Nichteinholung des P. nicht mehr
eine Verfassungsverletzung darstelle, sondern nur
eine Verzichtleistung auf den weltlichen Arm.
§4. Sachsen. Das Mandat v. 19. 2. 1827 (W 3
hatte „Die Bekanntmachung allgemeiner, ent-
weder vom römischen Stuhl ausgehender, oder
sonst vom Vikariate für nötig zu befindender
Anordnungen durch den Druck oder öffentlichen
Anschlag" dem vorgängig einzuholenden landes-
herrlichen P. unterworfen. Diese Vorschrift,
die durch die VU v. 4. 9. 31 (+57 „Der König
übt ... die Aufsicht über die Kirchen nach den
diesfallsigen gesetzlichen Bestimmungen aus“)
ihre Geltung nicht verloren, ist durch das kirchen-
politische G v. 23. 8. 76 §5 1—5 einer näheren
Ausgestaltung unterzogen worden. Leitend war
hierbei der Gedanke, einmal daß das P. in seiner
bisherigen Ausdehnung auf rein geistliche
Angelegenheiten sich allerdings als unwirksam
erwiesen, daß aber bei einer Beschränkung auf
äußere kirchliche Angelegenheiten es dem
Staate keineswegs an Mitteln fehle, die Wirk-
samkeit des P. zu sichern, sodann, daß Publika-
tionen der Kirche hinsichtlich solcher Gegenstände
offenbar anders zu beurteilen seien, als Publi-
kationen der Presse oder bloßer Privatvereine.
Demgemäß dürfen nach §& 1 des genannten Ge-
setzes Verordnungen der katholisch-geistlichen Be-
hörden nichts enthalten, was den Gesetzen des
Staates und den auf Grund derselben von den
zuständigen Behörden erlassenen Anordnungen
widerspricht. Verordnungen allgemeinen
Inhalts, welche ausschließlich und allein dem
Gebiete der inneren kirchlichen Angelegenheiten
angehören, sind vor der Verkündigung der
Staatsregierung vorzulegen. Greifen sie aber
„ganz oder teilweise, sei es auch nur mittelbar,
in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse ein", so
bedürfen sie der landesherrlichen Genehmigung,
welche nur dann erteilt wird, „wenn sie vom
staatlichen Gesichtspunkt unbedenklich ist“, in der
Verordnung selbst bekundet werden muß und
jederzeit wieder außer Kraft gesetzt werden kann.
Der Mangel der Genehmigung macht die Verord-
nung „rechtlich unwirksam“, d. h. sie gilt für den
Staat in allen staatlichen und bürgerlichen Be-
ziehungen als nicht vorhanden (5#5 2, 3). Päpst-
liche Erlasse unterliegen den gleichen Beschrän-
kungen, dürfen aber überhaupt nur von den in-
ländischen katholisch-geistlichen Behörden ver-
kündet und angewendet werden (§ 4).
Gegen Verletzungen des P. sind nach # 34
Exekutivmaßregeln und die Verhängung von
Geldstrafen (als Ordnungsstrafen) zulässig.
5. Württemberg. In Abänderung der Vu
v. 25. 9. 1819, die im 5 72 ganz allgemein
bestimmt, daß „Verordnungen der Kirchengewalt
ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des
Staatshauptes weder verkündigt, noch vollzogen
werden können“, war durch die mit den Ver-
bandsstaaten der oberrheinischen Kirchenprovinz
vereinbarte V v. 1. 3. 53 das P. für die inne-
fren Kirchenangelegenheiten aufgehoben und
nur noch für die gemischten Gegenstände
beibehalten worden. 4
Das württemb. Konkordat (NI von 1857, das im a 6
die Publikation von kirchlichen Erlassen grundsätzlich frei
gab (absque praevia inspectione et adprobatione Regil
Gubernii publicabuntur), hielt im wesentlichen den 1853
geschafsenen Rechtszustand sest. Denn nach einem das
Konkordat ergänzenden Spczialabkommen sollte der Landes-
bischof gehalten sein, bei jedem Erlaß eines Generale oder
einer Verordnung von größerer Bedeutung gleichzeitig mit
der Publikation ein Exemplar an die Staatsregierung mit-
zuteilen, bei hirtenamtlichen Anordnungen aber, „welche
sich nicht innerhalb ver rechtlichen Zu-
ständigkeit der Kirche allein halten, sondern
zugleich auf Gegenstände erstrecken, welche in dem Gebicte
der Staatsgewalt liegen“, vor deren Veröffentlichung
sich mit der Staatsregierung „ins Einvernehmen
zu setzen“.
Nach Verwerfung des Konkordats wurden je-
doch die Bestimmungen der V von 1853 in das
behufs „Regelung des Verhältnisses der Staats-
gewalt zur katholischen Kirche“ erlassene Gv.
30. 1. 62 a 1 wörtlich eingefügt. Dem-
gemäß bedürfen alle von kirchlichen Behörden
ausgehenden „allgemeinen Anordnungen und
Kreisschreiben an die Geistlichkeit und Diözesanen,
wodurch dieselben zu etwas verbunden werden,
was nicht ganz in dem eigentüm-
lichen Wirkungskreise der Kirche
liegt, sowie auch sonstigen Erlasse, welche
in staatliche oder bürgerliche Ver-
hältnisse eingreifen, der (vorgängigen)
Genehmigung des Staates. Solche all-
gemeine kirchlichen Anordnungen und öffentlichen
Erlasse dagegen, welche rein geistliche
Gegenstände betreffen, sind der Staatsbehörde
gleichzeitigmit der Verkündigung zur Ein-
sicht mitzuteilen.“ Denselben Bestimmungen
unterliegen die auf Diözesan= und Provinzial-
synoden gefaßten Beschlüsse, ebenso die „päpst-
lichen Bullen, Breven und sonstigen Erlasse,
welche immer nur von dem Bischof verkündet.
und angenommen werden dürfen“.