936
Wehrpflicht
5 10). Sie ist noch keine militärische Dienstpflicht.
Der Militärpflichtige gehört noch nicht zur be-
waffneten Macht; er unterliegt nicht der mili-
tärischen Disziplin= und Rechtsordnung. Die
Militärpflicht beginnt mit dem 1. Januar des
Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige
das 20. Lebensjahr vollendet, und dauert solange,
bis über die Dienstpflicht endgültig entschieden
ist. Ein Militärpflichtiger, der sich den Ersatz-
behörden nicht stellt, bleibt also bis zum Erlöschen
der W., dem 45. Lebensjahre, militärpflichtig.
Freiwilliger Eintritt vor jedem 1. Januar ist
zulässig mit der Vergünstigung, sich den Truppen-
teil zur Ableistung der Dienstpflicht wählen zu
können; solche Wehrpflichtige werden niemals
militärpflichtig (RMilG # 10, WO 5# 24).
II. Die Militärpflicht enthält:
a) die Meldepflicht; der Wehrpflichtige
hat sich alljährlich bis zur endgültigen Ent-
scheidung in der Zeit v. 15. 1. bis 15. 2. bei
der Ortsbehörde seines dauernden Aufenthaltes
bezw. Wohnsitzes (gleichgültig ob er dem be-
treffenden Einzelstaat angehört, sog. militä-
rische Freizügigkeit, W # 17) zur
Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle anzu-
melden (W # 25).
b) die Gestellungspflicht; der Mi-
litärpflichtige hat sich zur Herbeiführung einer
endgültigen Entscheidung der Dienstpflicht vor
den Ersatzbehörden des Aushebungsbezirkes seiner
Stammrolle zur Musterung (d. i. vor der Er-
satzkommission) und zur Aushebung (d. i. vor
der Oberersatzkommission), jedoch höchstens zwei-
mal jährlich, zu gestellen. Bei zeitweiliger Ab-
wesenheit des Militärpflichtigen obliegt die An-
meldung den Eltern, Vormündern, Lehr-, Brot-
und Fabrikherren. (Ueber die Besonderheiten
der Melde= und Gestellungspflicht der Einjäh-
rig-Freiwilligen vgl. WO #§#l 93.)
III. Die Militärpflichtigen werden von den
Ersatzbehörden
a) bei völliger Brauchbarkeit und nach deren
Maßgabe in der durch das Los bestimmten
Reihenfolge für einen Truppenteil, die see-
männische und halbseemännische Bevölkerung
für die Marine, „ausgehoben“ (WO s# 43, 23;
RVa 63 Abs 4);
b) bei völliger Untauglichkeit sowohl zum
Dienst mit wie ohne Waffe „ausgemustert“ (WO
z 38), bei Unwürdigkeit (Bestrafung mit Zucht-
haus oder Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte)
„ausgeschlossen“ (WO # 37);
R) bei bedingter Tauglichkeit der Ersatzreserve
(bezw. Marine-Ersatzreserve) oder dem Land-
lturm 1. Aufgebots „überwiesen" (WO ös 39,
, 41);
d) bei zeitiger (vorübergehender) Untauglich-
keit, sowie im Falle der Ueberzähligkeit und der
Berücksichtigung bürgerlicher Verhältnisse im ersten
und zweiten Militärjahr bis zur nächsten Aus-
hebung, ausnahmsweise bei zeitiger Unwürdig-
keit und zwecks Ausbildung für den Lebensberuf
bis zum 5., die zum einjährig-freiwilligen Dienst
Berechtigten und die Studierenden der kath.
Theologie sogar bis zum 7. Militärjahr „zurück-
gestellt" (WO §§F 29—35), dann aber der Ersatz-
reserve (bezw. der Marine-Ersatzreserve) oder
dem Landsturm 1. Aufgebots „überwiesen“; aus-
genommen von dieser Ueberweisung sind die-
jenigen Personen, die wegen Unwürdigkeit,
zweschs Ausbildung (hier wieder ausgenommen
ine Studierenden der kath. Theologie) und wegen
dauernden Aufenthaltes im Auslande zurück-
estellt sind; über diese wird nach a-e ent-
chieden (WO #s§§ 39, 40, 41, 30). Bei Eintritt
einer Mobilmachung verlieren alle Zurückstellun-
gen ihre Gültigkeit.
Ueber die Erfüllung der Militärpflicht in den
Schutzgebieten ( Schutztruppe und jetßzt
das W für die Schutzgebiete v. 22. 7. 14 und
damn Ausführungs V des RK v. 4. 3. 14 (RG#
Ueber die Organisation der Ersatzbehör-
den und das Verfahren zur Durchführung der V.
(Ersatzgeschäft) J Militärersatz, für die Schutz
gebiete Schutztruppe sowie ebengenanntes W6
und Verordnung des Reichskanzlers.
B. Die Dienstpflicht währt in der Regel
vom vollendeten 20. Lebensjahre bis zum 31. 3.
desjenigen Kalenderjahres, in welchem der
Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet.
Sie umfaßt:
I. Die Dienstpflicht im stehen-
den Heer (Marine). Diese dauert 7 Jahre,
in der Regel vom 20. bis zum beginnenden
28. Lebensjahr und gliedert sich in zwei Teile:
1. Die Pflicht zum aktiven Dienst
(bei den Fahnen"). Die aktive Dienst-
pflicht ist potenzierte Untertanenpflicht, nämlich
die volle Hingabe des Untertanen an den Staat
in Form der durch den Fahneneid gelobten
unbedingten Treue und Unterordnung un-
ter die militärischen Oberen. Eine rechtliche
Grenze für das, was dienstlich befohlen werden
kann, gibt es nicht (Ausnahme: der Befehl des
Vorgesetzten ist nicht rechtsverbindlich, wenn der
Untergebene weiß, daß der Befehl eine Handlung
betrifft, die ein bürgerliches oder militärisches Ver-
brechen oder Vergehen bezweckt. MtGB #47).
Da der Untertan während der aktiven Dienstleistung
an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, so über-
nimmt der Staat die Fürsorge für seine Lebens-
bedürfnisse, teils durch Naturalverpflegung, teils
durch Geldgewährung; diese „Löhnung“" ist keine
Vergütung, sondern Alimentation. Außerdem
gewährt er den Familien, deren Söhne durch
Ableistung ihrer gesetzlichen mehrjährigen Dienst-
pflicht eine Gesamtdienstzeit von 6 Kahren zu-
rückgelegt haben, auf Verlangen Aufwandsent-
schädigungen von jährlich 340 Mk. für jedes
weitere Dienstjahr (Näheres Bek des Bv.
26. 3. 14). Die aktive Dienstpflicht dauert bei
den Mannschaften der Kavallerie und reitenden
Feldartillerie 3 Jahre, bei den Mannschaften
der übrigen Waffengattungen 2 Jahre (NB à59
in der Fassung des R# v. 15. 4. 65) vom Dienst-
eintritt (Tag der Einstellung) an gerechnet mit
der Maßgabe, daß die zwischen 2. Oktober bis
31. März eingestellten Mannschaften als am
vorhergehenden 1. Oktober eingestellt gelten
(We 6). Die Entlassung kann in gewissem
Umfange schon vor Ablauf der gesetzlichen aktiven
Dienstzeit stattfinden, und zwar entweder zur
Disposition der Ersatzbehörden oder des Trupven-
teiles (sog. Dispositions= oder Königsurlauber).
„Einjährig-Freiwillige". Junge Leute,
welche die erforderliche Bildung durch Zeug-
nisse der hierzu berechtigten Lehranstalten oder