Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Wehrpflicht 
  
5 10). Sie ist noch keine militärische Dienstpflicht. 
Der Militärpflichtige gehört noch nicht zur be- 
waffneten Macht; er unterliegt nicht der mili- 
tärischen Disziplin= und Rechtsordnung. Die 
Militärpflicht beginnt mit dem 1. Januar des 
Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige 
das 20. Lebensjahr vollendet, und dauert solange, 
bis über die Dienstpflicht endgültig entschieden 
ist. Ein Militärpflichtiger, der sich den Ersatz- 
behörden nicht stellt, bleibt also bis zum Erlöschen 
der W., dem 45. Lebensjahre, militärpflichtig. 
Freiwilliger Eintritt vor jedem 1. Januar ist 
zulässig mit der Vergünstigung, sich den Truppen- 
teil zur Ableistung der Dienstpflicht wählen zu 
können; solche Wehrpflichtige werden niemals 
militärpflichtig (RMilG # 10, WO 5# 24). 
II. Die Militärpflicht enthält: 
a) die Meldepflicht; der Wehrpflichtige 
hat sich alljährlich bis zur endgültigen Ent- 
scheidung in der Zeit v. 15. 1. bis 15. 2. bei 
der Ortsbehörde seines dauernden Aufenthaltes 
bezw. Wohnsitzes (gleichgültig ob er dem be- 
treffenden Einzelstaat angehört, sog. militä- 
rische Freizügigkeit, W # 17) zur 
Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle anzu- 
melden (W # 25). 
b) die Gestellungspflicht; der Mi- 
litärpflichtige hat sich zur Herbeiführung einer 
endgültigen Entscheidung der Dienstpflicht vor 
den Ersatzbehörden des Aushebungsbezirkes seiner 
Stammrolle zur Musterung (d. i. vor der Er- 
satzkommission) und zur Aushebung (d. i. vor 
der Oberersatzkommission), jedoch höchstens zwei- 
mal jährlich, zu gestellen. Bei zeitweiliger Ab- 
wesenheit des Militärpflichtigen obliegt die An- 
meldung den Eltern, Vormündern, Lehr-, Brot- 
und Fabrikherren. (Ueber die Besonderheiten 
der Melde= und Gestellungspflicht der Einjäh- 
rig-Freiwilligen vgl. WO #§#l 93.) 
III. Die Militärpflichtigen werden von den 
Ersatzbehörden 
a) bei völliger Brauchbarkeit und nach deren 
Maßgabe in der durch das Los bestimmten 
Reihenfolge für einen Truppenteil, die see- 
männische und halbseemännische Bevölkerung 
für die Marine, „ausgehoben“ (WO s# 43, 23; 
RVa 63 Abs 4); 
b) bei völliger Untauglichkeit sowohl zum 
Dienst mit wie ohne Waffe „ausgemustert“ (WO 
z 38), bei Unwürdigkeit (Bestrafung mit Zucht- 
haus oder Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte) 
„ausgeschlossen“ (WO # 37); 
R) bei bedingter Tauglichkeit der Ersatzreserve 
(bezw. Marine-Ersatzreserve) oder dem Land- 
lturm 1. Aufgebots „überwiesen" (WO ös 39, 
, 41); 
d) bei zeitiger (vorübergehender) Untauglich- 
keit, sowie im Falle der Ueberzähligkeit und der 
Berücksichtigung bürgerlicher Verhältnisse im ersten 
und zweiten Militärjahr bis zur nächsten Aus- 
hebung, ausnahmsweise bei zeitiger Unwürdig- 
keit und zwecks Ausbildung für den Lebensberuf 
bis zum 5., die zum einjährig-freiwilligen Dienst 
Berechtigten und die Studierenden der kath. 
Theologie sogar bis zum 7. Militärjahr „zurück- 
gestellt" (WO §§F 29—35), dann aber der Ersatz- 
reserve (bezw. der Marine-Ersatzreserve) oder 
dem Landsturm 1. Aufgebots „überwiesen“; aus- 
genommen von dieser Ueberweisung sind die- 
  
jenigen Personen, die wegen Unwürdigkeit, 
zweschs Ausbildung (hier wieder ausgenommen 
ine Studierenden der kath. Theologie) und wegen 
dauernden Aufenthaltes im Auslande zurück- 
estellt sind; über diese wird nach a-e ent- 
chieden (WO #s§§ 39, 40, 41, 30). Bei Eintritt 
einer Mobilmachung verlieren alle Zurückstellun- 
gen ihre Gültigkeit. 
Ueber die Erfüllung der Militärpflicht in den 
Schutzgebieten ( Schutztruppe und jetßzt 
das W für die Schutzgebiete v. 22. 7. 14 und 
damn Ausführungs V des RK v. 4. 3. 14 (RG# 
Ueber die Organisation der Ersatzbehör- 
den und das Verfahren zur Durchführung der V. 
(Ersatzgeschäft) J Militärersatz, für die Schutz 
gebiete Schutztruppe sowie ebengenanntes W6 
und Verordnung des Reichskanzlers. 
B. Die Dienstpflicht währt in der Regel 
vom vollendeten 20. Lebensjahre bis zum 31. 3. 
desjenigen Kalenderjahres, in welchem der 
Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet. 
Sie umfaßt: 
I. Die Dienstpflicht im stehen- 
den Heer (Marine). Diese dauert 7 Jahre, 
in der Regel vom 20. bis zum beginnenden 
28. Lebensjahr und gliedert sich in zwei Teile: 
1. Die Pflicht zum aktiven Dienst 
(bei den Fahnen"). Die aktive Dienst- 
pflicht ist potenzierte Untertanenpflicht, nämlich 
die volle Hingabe des Untertanen an den Staat 
in Form der durch den Fahneneid gelobten 
unbedingten Treue und Unterordnung un- 
ter die militärischen Oberen. Eine rechtliche 
Grenze für das, was dienstlich befohlen werden 
kann, gibt es nicht (Ausnahme: der Befehl des 
Vorgesetzten ist nicht rechtsverbindlich, wenn der 
Untergebene weiß, daß der Befehl eine Handlung 
betrifft, die ein bürgerliches oder militärisches Ver- 
brechen oder Vergehen bezweckt. MtGB #47). 
Da der Untertan während der aktiven Dienstleistung 
an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, so über- 
nimmt der Staat die Fürsorge für seine Lebens- 
bedürfnisse, teils durch Naturalverpflegung, teils 
durch Geldgewährung; diese „Löhnung“" ist keine 
Vergütung, sondern Alimentation. Außerdem 
gewährt er den Familien, deren Söhne durch 
Ableistung ihrer gesetzlichen mehrjährigen Dienst- 
pflicht eine Gesamtdienstzeit von 6 Kahren zu- 
rückgelegt haben, auf Verlangen Aufwandsent- 
schädigungen von jährlich 340 Mk. für jedes 
weitere Dienstjahr (Näheres Bek des Bv. 
26. 3. 14). Die aktive Dienstpflicht dauert bei 
den Mannschaften der Kavallerie und reitenden 
Feldartillerie 3 Jahre, bei den Mannschaften 
der übrigen Waffengattungen 2 Jahre (NB à59 
in der Fassung des R# v. 15. 4. 65) vom Dienst- 
eintritt (Tag der Einstellung) an gerechnet mit 
der Maßgabe, daß die zwischen 2. Oktober bis 
31. März eingestellten Mannschaften als am 
vorhergehenden 1. Oktober eingestellt gelten 
(We 6). Die Entlassung kann in gewissem 
Umfange schon vor Ablauf der gesetzlichen aktiven 
Dienstzeit stattfinden, und zwar entweder zur 
Disposition der Ersatzbehörden oder des Trupven- 
teiles (sog. Dispositions= oder Königsurlauber). 
„Einjährig-Freiwillige". Junge Leute, 
welche die erforderliche Bildung durch Zeug- 
nisse der hierzu berechtigten Lehranstalten oder
	        
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