Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wehrpflicht 
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durch Bestehen einer Prüfung nachweisen, die 
„nötige moralische Qualifikation“ haben und zur 
Selbstverpflegung sich verpflichten, brauchen nur 
ein Jahr bei der Fahne in einem selbst ge- 
wählten Truppenteil zu dienen (W 10, 
11, 17; über die Besonderheit der Einjährig- 
Freiwilligen der Marine WG J# 13). Auch diese 
Dienstpflicht beruht auf der gesetzlichen W.; 
die Freiwilligkeit bezieht sich nur auf gewisse 
Modalitäten der Dienstleistung, die teils Er- 
schwerungen, teils Erleichterungen sind (näheres 
WO ##§ 88—94). Da die Einjährig-Freiwilligen 
zu Unteroffizieren und Offizieren der Reserve 
und Landwehr vorbereitet werden sollen, ge- 
nießen sie eine besondere militärische Ausbildung. 
Voraussetzung für die Ernennung zum Reserve- 
offizier ist außer der Erlangung der Befähigung 
hierzu durch eine Prüfung die Wahl durch das 
Offizierkorps des Landwehrbataillons, dem der 
Offiziersaspirant angehört. 
Weitere Besonderheiten hinsichtlich der Dauer 
der aktiven Dienstpflicht bestehen für Volksschul- 
lehrer (WO *9, J Lehrer # 6), ferner für 
Seeleute von Beruf, Maschinenpersonal, LotsenI 
und Lotsenknechte, deren Dienst in der Marine bis 
auf ein Jahr verkürzt werden kann (WG # 13). 
Nach Ablauf der aktiven Dienstzeit erfolgt im 
Frieden die Entlassung zur Reserve. 
2. Die Reservepflicht (Marine- 
reservepflicht) umfaßt die übrige Zeit 
der Dienstpflicht im stehenden Heere. Die Re- 
servepflicht (ebenso die Landwehrpflicht, unten) 
kennzeichnet sich dadurch, daß die Pflicht zum 
aktiven Dienst qucad ius fortdauert, quoad 
exercitium aber suspendiert ist; während der 
Zeit der Einberufung zu militärischen Diensten 
tritt die aktive Dienstpflicht wieder in volle Kraft. 
Die Mannschaften und Offiziere der Reserve 
und der Landwehr gelten daher als von den 
Fahnen „beurlaubt", gehören zum Beur- 
laubtenstand und unterstehen den für 
diesen gegebenen allgemeinen Bestimmungen 
IX Militärpersonen § 2 III. Die Dienstpflicht 
als Reserve= und Landwehroffizier hat denselben 
rechtlichen Charakter wie die aktive Dienstpflicht 
als Einjährig-Freiwilliger; sie ist modifizierte 
Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht. 
Für die Reserve bestehen folgende Besonderhei- 
ten: Die Reservemannschaften können im Frieden 
und bei gewöhnlichen Verhältnissen zu 2 Uebungen 
bei den Truppenteilen des stehenden Heeres, 
jedoch für die Dauer von höchstens je 8 Wochen, 
die Reserveoffiziere dreimal zu 4—8 wöchigen 
Uebungen herangezogen und zweimal jährlich 
zu Kontrollversammlungen zusammen berufen 
werden (We S 6, 12, WO 5 l116). Ferner 
können sie bei notwendigen Verstärkungen oder 
Mobilmachungen des Heeres bezw. der Flotte 
vom Kaiser nach Jahresklassen, mit der jüngsten 
beginnend, einberufen werden (RMilG # 63). 
Diese regelmäßige, durch das Dienstalter be- 
stimmte Reihenfolge kann jedoch wegen dringen- 
der häuslicher oder gewerblicher Verhältnisse 
oder wegen „Unabkömmllichkeit“ aus einer Stel- 
lung im öffentlichen Dienst im Wege eines beson- 
deren Verfahrens anders geregelt werden (RMil G 
###a 64, 65, WO Ss 118, 122—129). Wer ein 
geistliches Amt bekleidet, wird nur zur Seelsorge 
und Krankenpflege eingezogen. Die einberufenen 
  
Mannschaften erhalten Naturalverpflegung und 
Löhnung wie die übrigen Mannschaften des 
aktiven Dienstes, außerdem im Falle der Be- 
dürftigkeit eine Unterstützung für ihre Familie 
nach Maßgabe der R v. 28. 2. 88 und 10. 5. 92. 
Die Versetzung aus der Reserve zuc Landwehr 
erfolgt nach Ablauf der Dienstzeit im stehenden 
Heer auf der nächsten Kontrollversammlung 
(WO i 11). Beim Reserveoffizier kann auf 
seinen Wunsch die Ueberführung zur Landwehr 
unterbleiben, falls der Truppenteil sich damit 
einverstanden erklärt. 
II. Die Landwehr-(Seewehr-)Pflicht. 
Die Landwehr (Seewehr) wird in zwei Aufge- 
bote eingeteilt. Demersten Aufgebot gehö- 
ren die Mannschaften der Kavallerie und reiten- 
den Feldartillerie 3 Jahre, die der übrigen Waf- 
fengattungen, wenn sie freiwillig 3 Jahre aktiv 
gedient haben, ebenfalls 3, sonst 5 Jahre an. Dann 
werden sie auf der nächsten Kontrollversammlung 
für die Zeit bis zum 31. 3. desjenigen Kalender- 
jahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet 
wird, in das 2. Aufgebot versetzt (W O §5 12). Die 
Landwehr'Seewehr-pflicht unterscheidet sich ju- 
ristisch nicht von der oben gekennzeichneten Re- 
servepflicht; sie ist „fortgesetzte Reservepflicht" 
(Laband). Der Gegensatz beruht lediglich auf 
einer militär-technischen Verschiedenheit; die Re- 
serve wird zu den Truppenteilen des stehenden 
Heeres zwecks Verstärkung einberufen; dieses 
stehende Heer findet im Falle eines Krieges in 
erster Linie Verwendung, dagegen wird die 
Landwehr grundsätzlich (Ausnahme in WG (5) 
in besondere Truppenkörper formiert und „zur 
Verteidigung des Vaterlandes als Reserve für 
das stehende Heer verwandt“ (WG 5). 
Die Besonderheiten der Reserve gelten auch für 
die Landwehr (Seewehr) mit folgenden Erleich- 
terungen: An Kontrollversammlungen hat die 
Landwehr (Seewehr) des 1. Aufgebots alljähr- 
lich nur einmal teilzunehmen, während die 
Landwehr (Seewehr) des 2. Aufgebots im 
Frieden hiervon ganz befreit ist (WO s#l 110). 
Die Mannschaften der Landwehr (Seewehr) des 
1. Aufgebots können durch die Landwehrbezirks- 
kommandos auf Anordnung des Kaisers (in 
Bayern des Königs) bezw. des kommandierenden 
Generals zweimal zu 8—14 tägigen Uebungen 
und zwar die Landwehr-Infanterie nur in be- 
sonderen aus Mannschaften des Beurlaubten- 
standes gebildeten Formationen, die übrigen auch 
im Anschluß an die betreffenden Truppenteile 
einberufen werden (WO # 116). Die Landwehr- 
Kavallerie und die Landwehr (Seewehr) des 
2. Aufgebots werden im Frieden zu Uebungen 
nicht einberusen. Offiziere der Landwehr sind 
zu Uebungen bei Linientruppen allein zwecks 
Darlegung ihrer Befähigung zur Weiterbeför- 
derung, im übrigen aber nur zu den gewöhnlichen 
Landwehrübungen, die Offiziere der Seewehr 
nach Maßgabe des Bedürfnisses 3 mal zu Uebun- 
gen der aktiven Marine heranzuziehen (WO ## 116). 
Der Uebertritt aus der Landwehr 2. Aufgebots 
in den Landsturm 2. Aufgebots vollzieht sich 
ohne weiteres (R# v. 11. 2. 88 § 24). Die Ueber- 
führung der Offiziere des Beurlaubtenstandes 
zur Landwehr 2. Aufgebots und zum Landsturm 
fet nur auf Grund eines Abschiedsgesuches 
tatt.
	        
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