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III. Die Ersatzreservepflicht (Ma-
rineersatzreservepflicht) dient zur Er-
gänzung des Heeres (der Marine) bei Mobil-
machungen und zur Bildung von Ersatz-Truppen-
teilen. Ihr werden daher die zum Militär brauch-
baren Wehrpflichtigen, die nicht zur Einstellung
gelangt sind, überwiesen, und zwar jährlich so
viele, daß mit 7 Jahresklassen der erste Bedarf
für die Mobilmachung des ersten Heeres gedeckt
ist. Die Ersatzreservepflicht unterscheidet sich von
der Reserve= und Landwehrpflicht nur dadurch,
daß ihr keine volle militärische Ausbildung vor-
ausgegangen ist, nicht aber hinsichtlich der juristi-
schen Natur. Die Ersatzreserve ist, gleich der
Reserve und Landwehr, vom aktiven Dienst
dispensiert, muß sich aber bereit halten, der
Einberufung zu den Fahnen Folge zu leisten.
Die Mannschaften der Ersatzreserve sind zu 3
Uebungen von 10, 6 und 4 Wochen verpflichtet
und gehören während dieser Zeit zum aktiven
Heer. Jedoch brauchen nicht alle Ersatzreservisten
zur Uebung eingezogen werden. Die Zahl der
zur ersten Uebung einzuberufenden Mannschaften
wird vielmehr durch den Reichshaushaltetat fest-
gesetzt. Marineersatzreservisten üben im Frieden
nicht. Hinsichtlich der Kontrolle gelten die Regel
wie für die Landwehr 1. Aufgebots. Die Zu-
gehörigkeit zur Ersatzreserve dauert 12 Jahre und
rechnet vom 1. Oktober desjenigen Kalenderjahres
ab, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird.
Nach Ablauf derselben werden die Ersatzreservisten,
die geübt haben, in der nächsten Frühjahrs-
Kontrollversammlung zur Landwehr 2. Auf-
gebots (Marinereserve bezw. Seewehr), die übri-
gen zum Landsturm 1. Aufgebots übergeführt.
Zu IIIII: Die Bestimmungen über die
Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heer
(Marine), in der Landwehr (Seewehr) und in
der Ersatzreserve (Marine-Ersatzreserve) gelten
nur für den Frieden; im Kriege entscheidet hier-
über allein das Bedürfnis (WG 514, WO 3# 19).
Ueber die Erfüllung der Dienstpflicht in den
Schutzgebieten 78Schutztruppe und das
neue WeG für die Schutzgebiete v. 22. 7. 13
nebst Ausführungs V v. 4. 3. 14.
C. Die Laudsturmpflicht (Rue v. 11. 2. 88).
Sie ergreift alle Wehrpflichtigen vom vol-
lendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebens-
jahr, die weder dem Heere noch der Marine an-
gehören. Sie ist also eine allgemeine und sub-
sidiäre Dienstpflicht. Der Landsturm I/N Heer
5 4 IIII gliedert sich in 2 Aufgebote. Dem 1. Auf-
gebot gehören die Wehrpflichtigen bis 31. 3. des-
jenigen Kalenderjahres an, in dem sie ihr 39. Le-
bensjahr vollenden, dem 2. Aufgebot die übrigen.
Solange der Landsturm nicht aufgeboten ist,
sind die Landsturmpflichtigen weder der Kon-
trolle unterworfen noch zu Uebungen verpflich-
tet. Ist der Aufruf, der nach Jahresklassen er-
folgt, ergangen, so finden auf die davon Betroffe-
nen die für die Landwehr (Seewehr) geltenden
Vorschriften Anwendung; sie werden also zunächst
so angesehen, als gehörten sie zum Beurlaubten-
stande. Dem Aufruf unterliegen nicht solche
Mehroflichtige, die wegen körverlicher oder geisti-
ger Gebrechen dauernd dienstunbrauchbar be-
funden worden sind. Die einberufenen Land-
sturmpflichtigen gehören zum aktiven Heer: es
finden auf sie die Militärgesetze volle Anwendung.
Wehrpflicht
4. Sicherung der erfüllle der Wehrpflicht.
(Ueber Beaufsichtigung der Erfüllung der W.
Militärkontrolle.) Damit die Wehrpflichtigen
sich der Erfüllung der W. nicht durch Auswande-
rung oder Aufgeben der Reichs- und Staats-
angehörigkeit entziehen können, ist ihre Aus-
wanderung und Ausbürgerung erschwert und be-
sonders im Stadium der aktiven Dienstpflicht
anz verboten; Zuwiderhandelnde sind mit ver-
chieden abgestuften Geld- und Freiheitsstrafen,
in gewissen Fällen mit Ausschließuing aus dem
Staatsverbande bedroht [J Auswanderung s5 4,
Reichsangehörigkeit § 3).
Außer diesen Bestimmungen ist die Erfüllun
der W. in ihren verschiedenen Abstufungen dur
eine Anzahl Strafdrohungen gesichert: Wer sich
oder auf Verlangen andere vorsätzlich durch
Selbstverstümmelung zur Erfüllung der W. un-
tauglich macht oder sich dieser durch Anwendung
auf Täuschung berechneter Mittel entzieht, wird
mit Gefängnis und im ersteren Falle auch mit
Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft
(StGB ö 142, 143); Geldstrafe oder Gefängnis
trifft ferner den Unternehmer oder Agenten,
der auswandernde Wehrpflichtige von 17—24
Jahren, die die vorgeschriebene Entlassungs-
urkunde oder ein Zeugnis der Ersatzkommission
nicht beibringen, befördert. Das Verfahren
gegen Abwesende, die sich der W. entzogen haben,
regeln die §s 470—476 St PO. Militärpflichtige
(bezw. ihre Angehörigen), welche die vorgeschrie-
benen Meldungen unterlassen oder sich nicht
pünktlich gestellen, trifft Geldstrafe oder Haft;
auch können ihnen durch die Ersatzbehörde die
Vorteile der Losung entzogen werden. Die
Erfüllung der aktiven Dienstpflicht (Gehorsam-
und Treupflicht) wird durch eine Reihe von
Vorschriften des MStGB (588 89—115 über
Verletzung der Pflicht der militärischen Unter-
ordnung, 88 56 62 Hoch- und Landesverrat,
& 84—88 Feigheit, 88 64 ff, 69 ff Fahnenflucht
usw.), sowie durch die Bestimmungen der Diszivli-
narordnungen aufs wirksamste gesichert. Ge-
fängnisstrafe trifft denjenigen, der Militärper-
sonen zu Ungehorsam gegen Vorgesetzte und
zur Nichtbefolgung der Einberufungen anreizt
oder auffordert, und denjenigen, der Einberu-
fungen nicht Folge leistet (5 112 St
zuungeme ge leistet (§ GB, 5 113
Siteratur: v. Gansouge, Die brandenhur-
aisch-preußische Kriegsverfassung 1440, 1640, 1740 (1839,;
Schmoller, Die Entstehung bes preußischen Oeeres
von 1610—1740, Deuische Rundschau 1877, 248 ff; M.
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Bornhak, Geichichte des preußischen Berwdechts
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rechts 2, 622 ijf; Bornhate 3. 41ff; Haenel 472 fi:
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Fahnenflucht und Verletzung der W. durch Auswanderung.
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