Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Wertzuwachssteuer 
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einem Moment, wo in der Regel eine unzweifel- 
hafte & Leistungsfähigkeit des Veräußerers vor- 
handen ist. Sie ist ferner die für die Behörden 
bequemere und, bei nicht zu verwickelter Gestal- 
tung, verhältnismäßig weniger Kosten verursa- 
chende Steuerform. 
# 4. Stenerberechtigter Berband. Eine große 
Meinungsverschiedenheit besteht darüber, ob die 
WSt lediglich den Gemeinden vorzubehal- 
ten ist oder ob auch Staat und Reich an 
den Erträgnissen zu beteiligen sind. 
Begrifflich und theoretisch haben zweifellos, 
wenn vielleicht in etwas geringerem Maße, auch 
Reich und Staat Anspruch auf diese St Art. Wenn 
auch die Anlagen und Einrichtungen der Gemein- 
den den W am stärksten und augenfälligsten be- 
einflussen, so sind doch Reich und Staat inso- 
fern beteiligt, als ihre Politik den gesamten 
wirtschaftlichen Aufschwung des Landes bedingt 
und ihre Ausgaben und Einrichtungen gerade auch 
den Städten und größeren Gemeinden, wo der 
Haupt W stattfindet, stark zugute kommen. Gegen 
die Mitbeteiligung namentlich des Reichs spricht 
vor allem die Tatsache, daß die Besteuerungsbe- 
fugnisse der Gemeinden gerade durch das Reich 
infolge der Bestimmungen der Zollgesetze und der 
indirekten Verbrauchssteuergesetze ohnehin sehr 
stark eingeschränkt sind, so daß es sich kaum recht- 
fertigen läßt, ihnen diese glücklich gefundene neue 
St Quelle in ihren Erträgnissen nun auch noch 
wesentlich zu beschneiden. Eine große Schwierig- 
keit der Mitbeteiligung von Reich oder Staat liegt 
auch darin, daß eine damit leicht eintretende 
zu große Uniformierung der Wöt gewisse nicht 
unerhebliche Bedenken gegen sich hat, da die 
Verhältnisse durchaus nicht in allen Gemeinden 
gleich liegen. Namentlich die städtischen und länd- 
lichen Verhältnisse sind so grundverschieden, daß 
schon aus diesem Grunde eine einheitliche Rege- 
lung für das Reich kaum durchführbar er- 
scheint. 
Wie bekannt, hat trotzdem im Jahre 1911 eine 
reichsrechtliche Regelung der Frage 
stattgefunden, die sich aber als lebensfähig 
nicht erwiesen hat (S. 5 5 Abfs 4). 
§s 5. Geschichtliches. In Deutschland wurde 
die Idee einer WSt, welche aus England (J. St. 
Mill) und Amerika (H. George) stammte, zuerst 
von der Wissenschaft (namentlich Ad. Wagner), 
sodann auch von den Bodenreformern (Damaschke) 
vertreten. In die Praxis übergeführt wurde sie zu- 
erst in der ostasiatischen Kolonie Kiautschoul'#l, 
wo 1898 gleichzeitig eine direkte W St, die alle 
25 Jahre in Höhe von 33 1½% des W bei Nicht- 
besitzwechsel in dieser Periode, und ferner eine 
indirekte von ebenfalls 33 ½% des W bei jedem 
Eigentumswechsel erhebt. Späterhin traten (seit 
Mitte der 90er Jahre) in einigen größeren Städ- 
ten praktische Bestrebungen auf Durchführung 
gemeindlicher Wt auf. Ein erster schüchterner 
Versuch wurde 1894 in Frankfurt a. M. gemacht, 
aber von der Stadtvertretung abgelehnt. Erst 
1904 trat dann auf Betreiben des Oberbürger- 
meisters Adickes eine WStOrdnung in dieser 
Stadt in Kraft. Bald folgten andere Städte (1905 
Köln und Gelsenkirchen, 1906 Dortmund und 
Essen). Seitdem war die Zunahme derartiger 
St Ordnungen in stetem Wachsen begriffen. 1910 
war sie in Preußen bereits in 600 Gemeinden 
  
  
sowie in einer Anzahl von Kreisen zur Einführung 
gelangt. 
Allmählich befaßten sich auch mehrere Regie- 
rungen und Parlamente der Bundesstaaten mit 
diesem Gegenstande. In Bayern (1902, 1903), 
Baden (1904), Sachsen (1904) und Hessen wurden 
Initiativanträge auf staatliche Einführung von 
kommunalen Wet eingebracht. In Hessen 
erging unterm 14. 12. 07 ein besonderes Gesetz, 
wonach in Gemeinden mit mehr als 3000 Ein- 
wohnern, ausnahmsweise auch in kleineren Ge- 
meinden, eine Wt mit ministerieller Genehmi- 
ung eingeführt werden konnten. Dem hessischen 
Vorgang folgte Oldenburg durch ein G v. 
27. 12. 07, das allen Gemeinden das Recht der 
Einführung einer WSt gewährte und gewisse 
Grenzbestimmungen für Höhe und Umfang der 
St festsetzte. Auch Lippe erließ ein Gv. 8. 1. 
10, Lübeck Gov. 24. 2. 09, Hamburg 12. 10. 
1908. In Preußen kam die Frage bei Gelegenheit 
des neuen Kreisabgabengesetzes zur Sprache, die 
Einführung von KreisW St wurde im allgemei- 
nen gebilligt und die Möglichkeit zur Einführung 
solcher durch die Fassung des Abschn. 1 5 6 des G 
v. 27. 4. 06 sichergestellt. Bei Gelegenheit der 
Reichsfinanzreform von 1909 beschäftigte sich auch 
der NI eingehend mit der Frage. Von konser- 
vativer Seite wurde im letzten Augenblick die 
Aufnahme einer Bestimmung in 3 89 des Reichs- 
stempelG v. 15. 7. 08 durchgesetzt, wonach die 
beschlossene Grundstücks um satz St in voller 
Höhe von 209% nur solange bestehen bleiben sollte, 
bis ein dem RT (bis 1. 4. 11) vorzulegendes 
Reichs Wt esetz in Kraft getreten sei. 
Am 14. 2. 11 erging sodann in Ausführung des 
6#89 ein Reichsgesetz, das unter Aushebung 
aller bestehenden Gesetze und Ge- 
meindeverordnungen die Frage ein- 
heitlich für das ganze Reich regelte. 
Nach # 58 dieses G erhielten von der zu erheben- 
den Gesamt St das Reich einen Anteil von 50%, 
die Einzelstaaten (für Verwaltung und Erhebung) 
10% , die Gemeinden (Gemeindeverbände) 40% 
Das Gesetz konnte sich aber in dieser Fassung 
nur 2 Jahre halten. Die Kompliziertheit der Be- 
stimmungen, die namentlich in ländlichen Gegen- 
den mit dem Ertrage oft in keinem Verhältnis ste- 
henden Kosten, endlich der Umstand, daß die Durch- 
führung des Gesetzes in eine Zeit besonders 
schwieriger Verhältnisse auf dem Bau= und Grund- 
stücksmarkt fiel, wodurch die neue St den schleppen- 
den Geschäftsgang auf diesem Markte noch weiter 
steigerte, was wieder erhebliche Ausfälle bei der 
Umsatz St zeitigte — alle diese Umstände hatten 
eine solche weitgehende Mißstimmung gegen das 
Gesetz zur Folge, daß man im RT bei den 
Beratungen über die neuen Dek- 
kungsvorlagen sich zur Aufhebung 
des Reichsanteils entschloß [IN Wehr- 
beitrag und Besitzsteuer!. Im R v. 3. 7. 13 
wurde der 50 % ige Reichsanteil aufgehoben und 
daneben bestimmt, daß die dem RT oder RK 
übertragenen Befugnisse auf die Landeszentral- 
behörden mit Delegationsbefugnis übergehen 
sollten, sowie daß durch Landesgesetz 
oder gemäß des Landesrechts durch orts- 
statutarische Vorschriften eine ander- 
weite Regelung der Besteuerung ge- 
troffen werde. Wo der Ertrag außer Verhältnis 
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