Wertzuwachssteuer
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einem Moment, wo in der Regel eine unzweifel-
hafte & Leistungsfähigkeit des Veräußerers vor-
handen ist. Sie ist ferner die für die Behörden
bequemere und, bei nicht zu verwickelter Gestal-
tung, verhältnismäßig weniger Kosten verursa-
chende Steuerform.
# 4. Stenerberechtigter Berband. Eine große
Meinungsverschiedenheit besteht darüber, ob die
WSt lediglich den Gemeinden vorzubehal-
ten ist oder ob auch Staat und Reich an
den Erträgnissen zu beteiligen sind.
Begrifflich und theoretisch haben zweifellos,
wenn vielleicht in etwas geringerem Maße, auch
Reich und Staat Anspruch auf diese St Art. Wenn
auch die Anlagen und Einrichtungen der Gemein-
den den W am stärksten und augenfälligsten be-
einflussen, so sind doch Reich und Staat inso-
fern beteiligt, als ihre Politik den gesamten
wirtschaftlichen Aufschwung des Landes bedingt
und ihre Ausgaben und Einrichtungen gerade auch
den Städten und größeren Gemeinden, wo der
Haupt W stattfindet, stark zugute kommen. Gegen
die Mitbeteiligung namentlich des Reichs spricht
vor allem die Tatsache, daß die Besteuerungsbe-
fugnisse der Gemeinden gerade durch das Reich
infolge der Bestimmungen der Zollgesetze und der
indirekten Verbrauchssteuergesetze ohnehin sehr
stark eingeschränkt sind, so daß es sich kaum recht-
fertigen läßt, ihnen diese glücklich gefundene neue
St Quelle in ihren Erträgnissen nun auch noch
wesentlich zu beschneiden. Eine große Schwierig-
keit der Mitbeteiligung von Reich oder Staat liegt
auch darin, daß eine damit leicht eintretende
zu große Uniformierung der Wöt gewisse nicht
unerhebliche Bedenken gegen sich hat, da die
Verhältnisse durchaus nicht in allen Gemeinden
gleich liegen. Namentlich die städtischen und länd-
lichen Verhältnisse sind so grundverschieden, daß
schon aus diesem Grunde eine einheitliche Rege-
lung für das Reich kaum durchführbar er-
scheint.
Wie bekannt, hat trotzdem im Jahre 1911 eine
reichsrechtliche Regelung der Frage
stattgefunden, die sich aber als lebensfähig
nicht erwiesen hat (S. 5 5 Abfs 4).
§s 5. Geschichtliches. In Deutschland wurde
die Idee einer WSt, welche aus England (J. St.
Mill) und Amerika (H. George) stammte, zuerst
von der Wissenschaft (namentlich Ad. Wagner),
sodann auch von den Bodenreformern (Damaschke)
vertreten. In die Praxis übergeführt wurde sie zu-
erst in der ostasiatischen Kolonie Kiautschoul'#l,
wo 1898 gleichzeitig eine direkte W St, die alle
25 Jahre in Höhe von 33 1½% des W bei Nicht-
besitzwechsel in dieser Periode, und ferner eine
indirekte von ebenfalls 33 ½% des W bei jedem
Eigentumswechsel erhebt. Späterhin traten (seit
Mitte der 90er Jahre) in einigen größeren Städ-
ten praktische Bestrebungen auf Durchführung
gemeindlicher Wt auf. Ein erster schüchterner
Versuch wurde 1894 in Frankfurt a. M. gemacht,
aber von der Stadtvertretung abgelehnt. Erst
1904 trat dann auf Betreiben des Oberbürger-
meisters Adickes eine WStOrdnung in dieser
Stadt in Kraft. Bald folgten andere Städte (1905
Köln und Gelsenkirchen, 1906 Dortmund und
Essen). Seitdem war die Zunahme derartiger
St Ordnungen in stetem Wachsen begriffen. 1910
war sie in Preußen bereits in 600 Gemeinden
sowie in einer Anzahl von Kreisen zur Einführung
gelangt.
Allmählich befaßten sich auch mehrere Regie-
rungen und Parlamente der Bundesstaaten mit
diesem Gegenstande. In Bayern (1902, 1903),
Baden (1904), Sachsen (1904) und Hessen wurden
Initiativanträge auf staatliche Einführung von
kommunalen Wet eingebracht. In Hessen
erging unterm 14. 12. 07 ein besonderes Gesetz,
wonach in Gemeinden mit mehr als 3000 Ein-
wohnern, ausnahmsweise auch in kleineren Ge-
meinden, eine Wt mit ministerieller Genehmi-
ung eingeführt werden konnten. Dem hessischen
Vorgang folgte Oldenburg durch ein G v.
27. 12. 07, das allen Gemeinden das Recht der
Einführung einer WSt gewährte und gewisse
Grenzbestimmungen für Höhe und Umfang der
St festsetzte. Auch Lippe erließ ein Gv. 8. 1.
10, Lübeck Gov. 24. 2. 09, Hamburg 12. 10.
1908. In Preußen kam die Frage bei Gelegenheit
des neuen Kreisabgabengesetzes zur Sprache, die
Einführung von KreisW St wurde im allgemei-
nen gebilligt und die Möglichkeit zur Einführung
solcher durch die Fassung des Abschn. 1 5 6 des G
v. 27. 4. 06 sichergestellt. Bei Gelegenheit der
Reichsfinanzreform von 1909 beschäftigte sich auch
der NI eingehend mit der Frage. Von konser-
vativer Seite wurde im letzten Augenblick die
Aufnahme einer Bestimmung in 3 89 des Reichs-
stempelG v. 15. 7. 08 durchgesetzt, wonach die
beschlossene Grundstücks um satz St in voller
Höhe von 209% nur solange bestehen bleiben sollte,
bis ein dem RT (bis 1. 4. 11) vorzulegendes
Reichs Wt esetz in Kraft getreten sei.
Am 14. 2. 11 erging sodann in Ausführung des
6#89 ein Reichsgesetz, das unter Aushebung
aller bestehenden Gesetze und Ge-
meindeverordnungen die Frage ein-
heitlich für das ganze Reich regelte.
Nach # 58 dieses G erhielten von der zu erheben-
den Gesamt St das Reich einen Anteil von 50%,
die Einzelstaaten (für Verwaltung und Erhebung)
10% , die Gemeinden (Gemeindeverbände) 40%
Das Gesetz konnte sich aber in dieser Fassung
nur 2 Jahre halten. Die Kompliziertheit der Be-
stimmungen, die namentlich in ländlichen Gegen-
den mit dem Ertrage oft in keinem Verhältnis ste-
henden Kosten, endlich der Umstand, daß die Durch-
führung des Gesetzes in eine Zeit besonders
schwieriger Verhältnisse auf dem Bau= und Grund-
stücksmarkt fiel, wodurch die neue St den schleppen-
den Geschäftsgang auf diesem Markte noch weiter
steigerte, was wieder erhebliche Ausfälle bei der
Umsatz St zeitigte — alle diese Umstände hatten
eine solche weitgehende Mißstimmung gegen das
Gesetz zur Folge, daß man im RT bei den
Beratungen über die neuen Dek-
kungsvorlagen sich zur Aufhebung
des Reichsanteils entschloß [IN Wehr-
beitrag und Besitzsteuer!. Im R v. 3. 7. 13
wurde der 50 % ige Reichsanteil aufgehoben und
daneben bestimmt, daß die dem RT oder RK
übertragenen Befugnisse auf die Landeszentral-
behörden mit Delegationsbefugnis übergehen
sollten, sowie daß durch Landesgesetz
oder gemäß des Landesrechts durch orts-
statutarische Vorschriften eine ander-
weite Regelung der Besteuerung ge-
troffen werde. Wo der Ertrag außer Verhältnis
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