respublica) erhielten, führte sich die epochemachende
Hauptschrift des Aristoteles auf diesem Gebiete
als Ko#####y KiasX# x6, als die „Bücher
von den politischen Dingen“ ein, und nunmehr
erhielt der Begriff politica die Bedeutung der
Wissenschaft vom Staat, der Staatslehre.
Mit diesem letzteren Begriff ist also der Ter-
minus „Politik“, wenn man ihn unbefangen und
rein sprachlich faßt, jedenfalls schlecht weg
identisch (vergl. aber u. § 11).
Auch heutzutage gehen die Bedeutungen der
Politik als „Staatsleben“", praktische
Politik, und als „Staatslehre“, wissen-
schaftliche Politik, fortwährend nebenein-
ander her und oft läßt sich nur nach dem Zu-
sammenhang bestimmen, wie der Begriff hier
oder dort gemeint ist. Aber auch genetisch hängen
die beiden Bedeutungen zusammen. Für eine
politische Lehre ist ein Anstoß und Bedürfnis erst
von dem Zeitpunkt an gegeben, wo sich inner-
halb der menschlichen Gesellschaft größere Grup-
pen mit praktischer P. beschäftigen. Hieraus
erklärt sich, daß die Staatslehre ausschließlich ein
Kind abendländischen Geistes ist. Dem Orient
fehlt sie.
Aus ihrer Entstehung und weiteren Entwick-
lung muß auch der Maßstab für die Bedeu-
tung und Aufgade der
als Staatslehre genommen werden.
Denn nur im Sinn der Lehre kann die „Politik"“
im folgenden den Gegenstand einer allgemeinen
Wesensbestimmung bilden. Soweit man unter P.
das Staatsleben, die Summe der staatlichen
Institutionen und Operationen, versteht, umfaßt
sic einen Begriff von solcher Dehnbarkeit und
nichtssagenden Allgemeinheit, daß dieser kein
Obiekt für eine rationelle Erörterung abgeben
kann. Sie ließe sich nur mit Bezug auf einen
der speziellen Kulturzwecke der staatlichen Funk-
tionen, — als Marine-, Finanz-, Kolonial-,
Armeepolitik — näher kennzeichnen. Aber auch
die P. im Sinn der Staatslehre ist ein höchn
biegsamer Begriff. Sie kann von überaus ver-
schiedenen Standpunkten aus entwickelt werden
und ist auch aus den verschiedensten Motiven in
Angriff genommen worden. Je nach dem leiten-
den Gesichtspunkt ihres Vertreters kann sie als
Untergebiet der Geschichte, der Rechtswissen-
schaft, der Moralphilosophie, der philosophischen
Metaphysik, der Gesellschaftswissenschaft (So-
ziologie oder Geschichtsphilosophie) oder als
eine Sonderwissenschaft eigener Art, oder auch
nur als ein Zweig der Technik, der Kunst-
fertigleit des politischen Handelus, aufsgefaßt
werden. Keiner dieser Standpunkte läßt sich von
vornherein als allein berechtigt oder als gänzlich
unberechtigt bezeichnen. Man muß sich darüber
Rechenschaft ablegen, was auf den verschiedenen
Wegen mit ihr erreicht werden kann, um eine
engere und präzisere Abgrenzung der Aufgaben
und Methoden der P. zu gewinnen.
Zu einem brauchbaren Ergebnisse führt es nur,
wenn man die Genesis des Wissenschafts-
zweigs verfolgt. Sie läßt einerseits erkennen,
daß die P. gewisse allgemeine Ziele
von Anbeginn an sich vorsteckt und in ihrem ganzen
Verlauf unverändert festhält. Diese wird man
unter Ausscheidung anderer nebensächlich oder
beiläufig sich eindrängender als die wesentlichen,
Politik
Politik
prinzipalen Aufgaben der P. bezeichnen dürfen.
Andererseits zeigt der Werdegang, daß sie in
der speziellen Stoffabgrenzung und Problem-
stellung in gewissen entscheidenden Punkten eine
allmähliche, aber ganz stetige und bewußte Um-
bildung erfährt, die zu Beginn des modernen
Zeitalters grundsätzlich abgeschlossen erscheint.
Damit tritt die moderne P. (§5 8, 9) zu der
gesamten älteren politischen Wissenschaft in einen
qualitativen Gegensatz — als die Lehre, welche
die von altersher verfolgten Ziele auf dem
methodisch richtigeren Wege anstrebt.
# 2. Erste Motive der Auobildung einer poli-
tischen Literatur. Politik als Erziehungslehre.
Für den Grundcharakter der älteren Staats-
lehre, deren Anfänge sich in den unteritalischen
und althellenischen Freistädten der griechischen
Welt nach den Perserkriegen unvermittelt her-
vordrängen (5 1), ist bestimmend, daß sie nicht
durch den Trieb nach Erweiterung der Er-
kenntnis, durch wissenschaftliches
Bedürfnis, hervorgerufen wird, wie einige
Jahrzehnte früher die griechische Naturphiloso-
phie, die älteste Metaphysik. Die älteste P. ent-
springt vielmehr rein dem Bedürfnis nach Er-
ziehung des Menschen für die eigenartigen
sozialen Verhältnisse seines Zeitalters, dem
praktischen Zweck, sei es, daß man durch
Unterweisung in politischen Dingen den Einzelnen
für sich selbst, seine vorteilhafte Lebensführung
und Lebensgestaltung fördern, sei es daß man
ihn brauchbarer für den Staat machen will.
Sophistik, Sokratik, Hedonismus, Ky-
nismus. Die Eigenart der Zeit, die die Politik
erzeugt, liegt in der Füllec der Möglichkeiten für eine Vetä-
tigung, die die Ausbildung und rasche Steigerung des demo-
kratischen Elements, besonders in Siilien und in der Herr-
schaftosphäre Athens, der Masse der einzelnen Bürger
bietet. Aber je nach der Lage der staatlichen Dinge und der
Grundstimmung des Naturells muß die politische Lehre von
vornherein eine verschiedene Richtung nehmen. In der
Blüte der verikleischen Evoche, im Aufsschwung von Ein-
heitsbewegung, Sceeherrschaft, Kolonisation, wirtschaftlichem
Unternehmergeist und Woblstand, wird sie einem neuen Ge-
schlecht zunächst als Anleitung zur privaten Karriere im
Staateleben dargeboten. In diesem Einn verslehen sie die
„Sovhisten“" Protagores, Gorgias, Prodikos u. a. Sie sind
cin lockerer Kreis berufsmäßiger Wanderlehrer der Bürger-
kunde, die den Einzelnen gegen Entgelt in der „Ueberre
dungskunst“ und anderen Fertigkeiten unterweisen, wie sie
in Rat, Dolksversammlung, Gericht, Einfluß verschaffen.
Diese P. ist Staatskunst, politische Technik als ein Zweig der
Lebenskunst. Aber da die Sophisten ihr Ansehen dadurch zu
steigern suchen, daß sie die Kraft, sich im öffentlichen Leben
zur Geltung zu bringen, als Idcal der „Tugend“, Ggs###
d. h. in ihrem Sinn als Lebenstüchtigkeit empfehlen, so
erscheint ihre Weisheit von vornherein zugleich als Ethik, ihre
Lehre als Moralphilosophic. In der Problemstellung
nichts anderes, nur eine Steigerung des letzten Momentes,
bedeutet es, wenn Sokrates unter dem niederdrückenden
Erlebnis des beginnenden politischen Mißgeschicks und seiner
zerrüttenden Folgen, die ihm als Frucht der sophistischen
Doktrinen erscheinen, den Hauptgedanken der Sophisten
umkehrt. Er betont statt des Vorteils, den der Bürger vom
Staat zieht, die Verantwortlichkeit des Bürgers im Dienst
des Staates. Die Erziehungsnorm wird für ihn zur For-
derung unbedingter opserwilliger Hingabe des Einzelnen
an das Allgemeine. Die Tugendlehre bedeutet ihm die
Forderung zum Erfsorschen und Erkennen des wahren