Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Württemberg 
  
lichkeit bildet der ununterbrochen auch bei einer 
Auflösung des Landtags wirksame zur Stellver- 
tretung der nicht versammelten Stände berufene 
aus 2 Mitgliedern der Ersten Kammer, 8 Mit- 
liedern der Zweiten Kammer und den beiden 
Präsidenten bestehende Ausschuß, dessen 
Vollmachten verfassungsmäßig begrenzt sind. 
Oberste Aufgaben sind Sorge für die Erhaltung 
der Verfassung, Prüfung der Regierungshand- 
lungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit, Prüfung 
der Staatsrechnungen, des Bestands des Kammer- 
guts, Leitung der Verwaltung der Staatsschulden- 
kasse, Prüfung der Legitimation der Mitglieder, 
Vorbereitung der ständischen Beschlüsse. 
3. Der Staatsgerichtshof dient zum 
gerichtlichen Schutz der Verfassung sowohl gegen- 
über der Regierung als gegenüber den Ständen, 
er war früher Strafgerichtshof und ist jetzt ein 
außerordentlicher ständiger politischer Gerichtshof 
zum Schutz der Verfassung. Er besteht aus einem 
vom König ernannten Präsidenten und 12 je 
zur Hälfte vom König und von der Ständever- 
sammlung ernannten Richtern. 
4. Der öffentliche Dienst ist in den 
Grundzügen in den #§ 43—53 Vl geregelt. Die 
Staatsdiener werden regelmäßig durch den König 
ernannt, und zwar auf Vorschläge der vorgesetzten 
Kollegien, wobei alle Bewerber aufzuzählen sind. 
In Ausführung dieser Verf Bestimmung werden 
die erledigten Stellen zur Bewerbung ausge- 
schrieben. Der dienstliche Gehorsam der Staats- 
diener ist in § 53 Vl festgesetzt, nur ist der württ. 
Beamte verfassungsmäßig berechtigt und ver- 
pflichtet, Vorstellung an die höhere Behörde im 
Anstandsfall zu erheben. 
5. Verwaltungsorganisation (be- 
sonderer Art. unten B). 
6. Die Gemeinden und Amtskör- 
perschaften sind als Grundlagen des Staats- 
vereins mit Selbstverwaltungsrecht unter Auf- 
sicht der Staatsregierung in den 88 62 69 Vu 
anerkannt, die näheren Verhältnisse sind in der 
umfassenden Gemeinde- und Bezirksordnung ge- 
regelt. 
7. Das Verhältnis der Kirchen 
zum Staat regeln die 5§ 70—84 Vl grund- 
legend. 
8. Das Finanzwesen ist in den Grund- 
zügen hinsichtlich des Kammerguts, der Zivilliste, 
der Leistungen an die Mitglieder des Kgl Hauses, 
der Steuern, der Staatsschuld verfassungsmäßig 
geregelt. 
Kiteratur: Göz, Verfassungsurkunde, 1906; 
Derselbe, Staatsrecht des Kar. W., 1908, und die 
dort S 1 angeführte zahlreiche Literatur; dazu jetzt Ingel- 
mann, Stiändische Elemente in der Volksvertretung nach 
der Verfassungsurkunde der Jahre 1806—1819, 1914, S 130 
bis 152; Wintterlin, Geschichte der Behördenorgani- 
sation in W., I. Bd. 1904, II. Bd. 1906; Fleiner, 
Staatsrechtliche Gesetze W., 1907. Hof- und Staatshand- 
buch erscheint jährlich. 
ofacker. 
  
B. Verwaltungsorganisation 
4. Zentralbehörden. 1 5. Staatsministeri-#m. s 6G. Die 
Ministerien. # 7. Justizministerium. 1 8. Ministerium der 
auswärtigen Angelegenheiten. # 9. Ministerium des Innern. 
6 10. Ministerium des Kirchen= und Schulwesens. # 11. 
Kriegsministerium. 1 12. Finanzministerium. 
z 4. Die Keutralbehörden. Geschichtliches. 
Unter der altwürttembergischen Verfassung [ A. 
Verfassungsentwicklung] bildete der Geheime 
Rat ein vermittelndes Glied zwischen dem 
Landesherrn und dem „Land“; er war das mit 
verfassungsmäßiger Unabhängigkeit zwischen bei- 
den stehende, zur Wahrung der Verfassung ver- 
pflichtete und zugleich mit der Ausübung der Re- 
gierung betraute Organ der Staatsgewalt, wel- 
chem sämtliche Kollegien unterstellt waren, durch 
welches alle Befehle des Herzoos an die unterge- 
ordneten Stellen vermittelt wurden und dessen 
Rat der Herzog in allen Staatsangelegenheiten 
einzuholen hatte. Ungeachtet seiner verfassungs- 
mäßigen Selbständigkeit vereinigte der Geheime 
Rat alle Funktionen eines modernen Staats Min 
in sich. Als die absolute Monarchie im Jahr 1806 
den Geheimen Rat durch ein Staats Min ersetzte 
bildete in der Folge die Wiederherstellung des 
Geheimen Rats ein Hauptbegehren der alt- 
württembergischen Verf Partei. Die Bu von 
1819 stellte denn auch den Geheimen Rat als 
oberste, zunächst unter dem König stehende Staats- 
behörde wieder her, die den König in allen wich- 
tigen Angelegenheiten zu beraten hatte. Daneben 
regierte der König durch die einzelnen Minister 
die je für ihren Geschäftskreis persönlich verant- 
wortlich waren und die eigene und unbedingte 
Verantwortung vor den Ständen zu tragen hatten. 
Außerdem war der Geheime Rat das Organ 
durch welches der Verkehr des Königs mit den 
Ständen sich vollzog, oberstes entscheidendes und 
verfügendes Organ der Verw Gerichtsbarkeit bei 
Rekursen gegen Verfügungen der Departements- 
minister zum Schutz der im öffentlichen Recht 
begründeten subjektiven Rechte, ferner einzige 
Instanz zur Entscheidung über die Notwendigkeit 
einer Zwangsenteignung und Disziplinarbehörde. 
Der Umstand, daß die kollegialen Beschlüsse des 
Geheimen Rats die politische Solidarität der 
Ministerien und die Verantwortlichkeit der einzel- 
nen Min erschwerten, hat nach manchen Ausaten 
schließlich unter dem Einfluß der rasche Ent- 
schließungen erfordernden Instruktionen der Be- 
vollmächtigten zum B dahin geführt, daß dure 
Gv. 1. 7. 76 die politische Stellung des Geheimen 
Rats auf das neugebildete Staats Min übertragon 
wurde. Seine verwaltungsgerichtlichen Funkuo- 
nen wurden an den neugebildeten Veriv a 1- 
tungsgerichtshofl##I, an besondere Dis- 
ziplinarhöfell, an den Kompetenz- 
gerichtshof I(I übertragen. 
Er bestand aus den Ministern und den vom 
König ernannten, der Zahl nach nicht beschrankten 
Räten oder berufenen außerordentlichen Mitglie- 
dern. Schließlich hat die neue Bewe ung d 
Vereinfachung der Staatsverwaltung zur 3anusS- 
hebung des Geh. Rats durch VerfS#vom 
15. 6. 1911 geführt.
	        
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