966
Württemberg
lichkeit bildet der ununterbrochen auch bei einer
Auflösung des Landtags wirksame zur Stellver-
tretung der nicht versammelten Stände berufene
aus 2 Mitgliedern der Ersten Kammer, 8 Mit-
liedern der Zweiten Kammer und den beiden
Präsidenten bestehende Ausschuß, dessen
Vollmachten verfassungsmäßig begrenzt sind.
Oberste Aufgaben sind Sorge für die Erhaltung
der Verfassung, Prüfung der Regierungshand-
lungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit, Prüfung
der Staatsrechnungen, des Bestands des Kammer-
guts, Leitung der Verwaltung der Staatsschulden-
kasse, Prüfung der Legitimation der Mitglieder,
Vorbereitung der ständischen Beschlüsse.
3. Der Staatsgerichtshof dient zum
gerichtlichen Schutz der Verfassung sowohl gegen-
über der Regierung als gegenüber den Ständen,
er war früher Strafgerichtshof und ist jetzt ein
außerordentlicher ständiger politischer Gerichtshof
zum Schutz der Verfassung. Er besteht aus einem
vom König ernannten Präsidenten und 12 je
zur Hälfte vom König und von der Ständever-
sammlung ernannten Richtern.
4. Der öffentliche Dienst ist in den
Grundzügen in den #§ 43—53 Vl geregelt. Die
Staatsdiener werden regelmäßig durch den König
ernannt, und zwar auf Vorschläge der vorgesetzten
Kollegien, wobei alle Bewerber aufzuzählen sind.
In Ausführung dieser Verf Bestimmung werden
die erledigten Stellen zur Bewerbung ausge-
schrieben. Der dienstliche Gehorsam der Staats-
diener ist in § 53 Vl festgesetzt, nur ist der württ.
Beamte verfassungsmäßig berechtigt und ver-
pflichtet, Vorstellung an die höhere Behörde im
Anstandsfall zu erheben.
5. Verwaltungsorganisation (be-
sonderer Art. unten B).
6. Die Gemeinden und Amtskör-
perschaften sind als Grundlagen des Staats-
vereins mit Selbstverwaltungsrecht unter Auf-
sicht der Staatsregierung in den 88 62 69 Vu
anerkannt, die näheren Verhältnisse sind in der
umfassenden Gemeinde- und Bezirksordnung ge-
regelt.
7. Das Verhältnis der Kirchen
zum Staat regeln die 5§ 70—84 Vl grund-
legend.
8. Das Finanzwesen ist in den Grund-
zügen hinsichtlich des Kammerguts, der Zivilliste,
der Leistungen an die Mitglieder des Kgl Hauses,
der Steuern, der Staatsschuld verfassungsmäßig
geregelt.
Kiteratur: Göz, Verfassungsurkunde, 1906;
Derselbe, Staatsrecht des Kar. W., 1908, und die
dort S 1 angeführte zahlreiche Literatur; dazu jetzt Ingel-
mann, Stiändische Elemente in der Volksvertretung nach
der Verfassungsurkunde der Jahre 1806—1819, 1914, S 130
bis 152; Wintterlin, Geschichte der Behördenorgani-
sation in W., I. Bd. 1904, II. Bd. 1906; Fleiner,
Staatsrechtliche Gesetze W., 1907. Hof- und Staatshand-
buch erscheint jährlich.
ofacker.
B. Verwaltungsorganisation
4. Zentralbehörden. 1 5. Staatsministeri-#m. s 6G. Die
Ministerien. # 7. Justizministerium. 1 8. Ministerium der
auswärtigen Angelegenheiten. # 9. Ministerium des Innern.
6 10. Ministerium des Kirchen= und Schulwesens. # 11.
Kriegsministerium. 1 12. Finanzministerium.
z 4. Die Keutralbehörden. Geschichtliches.
Unter der altwürttembergischen Verfassung [ A.
Verfassungsentwicklung] bildete der Geheime
Rat ein vermittelndes Glied zwischen dem
Landesherrn und dem „Land“; er war das mit
verfassungsmäßiger Unabhängigkeit zwischen bei-
den stehende, zur Wahrung der Verfassung ver-
pflichtete und zugleich mit der Ausübung der Re-
gierung betraute Organ der Staatsgewalt, wel-
chem sämtliche Kollegien unterstellt waren, durch
welches alle Befehle des Herzoos an die unterge-
ordneten Stellen vermittelt wurden und dessen
Rat der Herzog in allen Staatsangelegenheiten
einzuholen hatte. Ungeachtet seiner verfassungs-
mäßigen Selbständigkeit vereinigte der Geheime
Rat alle Funktionen eines modernen Staats Min
in sich. Als die absolute Monarchie im Jahr 1806
den Geheimen Rat durch ein Staats Min ersetzte
bildete in der Folge die Wiederherstellung des
Geheimen Rats ein Hauptbegehren der alt-
württembergischen Verf Partei. Die Bu von
1819 stellte denn auch den Geheimen Rat als
oberste, zunächst unter dem König stehende Staats-
behörde wieder her, die den König in allen wich-
tigen Angelegenheiten zu beraten hatte. Daneben
regierte der König durch die einzelnen Minister
die je für ihren Geschäftskreis persönlich verant-
wortlich waren und die eigene und unbedingte
Verantwortung vor den Ständen zu tragen hatten.
Außerdem war der Geheime Rat das Organ
durch welches der Verkehr des Königs mit den
Ständen sich vollzog, oberstes entscheidendes und
verfügendes Organ der Verw Gerichtsbarkeit bei
Rekursen gegen Verfügungen der Departements-
minister zum Schutz der im öffentlichen Recht
begründeten subjektiven Rechte, ferner einzige
Instanz zur Entscheidung über die Notwendigkeit
einer Zwangsenteignung und Disziplinarbehörde.
Der Umstand, daß die kollegialen Beschlüsse des
Geheimen Rats die politische Solidarität der
Ministerien und die Verantwortlichkeit der einzel-
nen Min erschwerten, hat nach manchen Ausaten
schließlich unter dem Einfluß der rasche Ent-
schließungen erfordernden Instruktionen der Be-
vollmächtigten zum B dahin geführt, daß dure
Gv. 1. 7. 76 die politische Stellung des Geheimen
Rats auf das neugebildete Staats Min übertragon
wurde. Seine verwaltungsgerichtlichen Funkuo-
nen wurden an den neugebildeten Veriv a 1-
tungsgerichtshofl##I, an besondere Dis-
ziplinarhöfell, an den Kompetenz-
gerichtshof I(I übertragen.
Er bestand aus den Ministern und den vom
König ernannten, der Zahl nach nicht beschrankten
Räten oder berufenen außerordentlichen Mitglie-
dern. Schließlich hat die neue Bewe ung d
Vereinfachung der Staatsverwaltung zur 3anusS-
hebung des Geh. Rats durch VerfS#vom
15. 6. 1911 geführt.