Zahnärzte — Ziehkinder
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berechtigt. In Baden, wo die Rechtsverhält-
nisse der Z. durch G v. 10. 10. 96 unter gleich-
zeitiger Errichtung einer Z. Kammer mit dem
Sitz in Karlsruhe geordnet sind, bildet der Vor-
stand dieser Kammer gleichzeitig eine Disziplinar-
kammer, die befugt ist, gegen Z., die die Pflichten
ihres Berufes verletzen oder durch ihr Verhalten
der Achtung, die ihr Beruf erfordert, sich unwert
zeigen, auf Erinnerung, Verweis, Entziehung
des Wahlrechts und auf Geldstrafen bis zu 300 Mk.
zuerkennen. Vor ihr findet auch das Verfahren
auf Entziehung der Approbation statt; gegen ihre
Entscheidung ist Rekurs an das Min Inn zulässig.
In Braunschweig besteht zwar keine be-
sondere Kammer der Z., diese sind jedoch wahl-
berechtigt zu der hier auf Grund des Medizinal G
v. 9. 3. 03 (§§ 61—75) eingerichteten Kammer der
„Aerzte und Apotheker“, die auch über die Z.
Disziplinarbefugnisse besitzt und gegen sie Strafen
(Warnung, Geldstrafen bis zu 200 Mk., schrift-
licher Verweis, Verweis vor versammelter Kam-
mer, Entziehung des aktiven und passiven Wahl-
rechts) verfügen kann, gegen die Beschwerde
beim ärztlichen Disziplinarhof zulässig ist.
Auf freier Organisation beru-
hende Standesvereine: An Stelle des
am 3. 8. 59 ins Leben gerufenen Zentralvereins
Deutscher Z. ist seit dem 2. 4. 91 der „Vereins-
bund deutscher Zahnärzte" getreten, der die For-
derung der Standes= und wirtschaftlichen In-
teressen der Z. bezweckt. Ihm gehören alle in
den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bezirks-,
Provinzial- und Landesvereine an, die den glei-
chen Zweck verfolgen. Außerdem ist im Jahre
1910 auch ein wirtschaftlicher Verband deutscher
Z. gebildet, der vornehmlich ihre wirtschaftlichen
Interessen der Regierung und den Krankenkassen
gegenüber vertreten soll.
Kiteratur: Siehe Art. Arzt (I. Bd. S 238); außer-
dem Bader, Rechtsstaat und Kurpfuschertum“, 10913;
Rapmund und Dietrich, Aerztliche Rechts= und
Gesetzeskunde', 1913: Rapmund, Oeffentliches Ge-
sundheitswesen, II. Bd. 1913; Nitter und Korn,
Deutsches Zahnarztrecht, 1912. Rapmund.
Sahntechniker
S 970 (Anmerkung)
Sensur
Preßrecht; Theater
Sentralgenossenschaftskasse
Band 1, 536
Ziehkinder (Haltekinder)
5f 1. Grundsätzliches. #J 2. Reichsrecht; Polizeiverordnun-
gen. # 3. Preußen. 4. Bayern. 5. Sachsen. 46. Würt-
temberg. # 7. Baden. 4 8. Elsaß-Lothringen. 1 9. Ham-
burg und Bremen. 4 10. Ziele der gesetzlichen Regelung
des Ziehkinderwesens.
§s 1. Grundsätzliches. I. Ass Ziehkinder
im engeren Sinne (Haltekinder, Kost-
kinder, auch Pflegekinder) bezeichnet man die-
jenigen ehelichen oder unehelichen Kinder, die bei
fremden Personen gegen Entgelt in Kost und
Wartung sind, gleichviel ob dieses Entgelt aus
öffentlichen oder privaten Mitteln bestritten
wird. Wesentlich ist also in dem Begriff a) die
fremde Familie oder genauer die fremde Zieh-
frau, b) das Entgelt. Das Alter der Kinder
spielt keine Rolle, wenn es sich auch zumeist um
noch nicht schulpflichtige Kinder handelt. So liegt
in dem Begriff „Ziehkinder“ das körperliche
wie das geistige Aufziehen, wobei jedoch das
körperliche bei weitem überwiegt.
Selbswerständlich ist, daß die Pflege der Z. nicht durch
eine männliche, sondern durch eine weibliche Person erfolgt.
Diese Selbstverständlichkeit ist in den meisten Z.-Vorschriften
nicht auesdrücklich betont. Vereinzelt findet sich aber eine
derartige Hervorhebung (3. B. in den elsaß-lothringischen
Bezirkspolizeiverordnungen).
Die große Masse der Z. ist unehelich. Die Un-
ehelichen sind wieder zu einem großen Teil von
den Armen= und Waisenverwaltungen auf öffent-
liche Kosten untergebracht.
In den ersten Lebensjahren, in denen das Kind
die meiste Pflege gebraucht, geben nicht selten
auch Arbeiterfamilien, in denen die Mutter
Fabrikarbeit leistet, ihre ehelichen Kinder in
Kost. Später nehmen diese Familien die Kinder
regelmäßig wieder zu sich. Auch die uneheliche
Mutter handelt sehr häufig ebenso; hier sind
aber naturgemäß die Fälle, in denen das
Kind dauerno bei der Kostfrau bleibt, nicht gerade
selten. Auf der anderen Seite suchen die Kost-
frauen die älteren Kinder loszuwerden, weil
ihnen das Maß geistiger Erziehung, das diese
Kinder gebrauchen, unbequem wird. Schlicß-
lich ist auch bei älteren Kindern die Möglichkeit,
sie aus der Kost herauszunehmen und in öffent-
lichen und privaten Erziehungsanstalten unter-
zubringen, sehr viel größer als bei den jüngeren,
da diese Anstalten dem Kinde meist erst mit einem
bestimmten Alter Aufnahme gewähren. Dies
alles trägt dazu bei, die Zahl der älteren Z. er-
heblich einzuschränken.
II. Ziehkinder im weiteren Sinne.
Neuerdings bildet sich immer stärker die Ten-
denz heraus, den Begriff der Z. zu erweitern
und auch diejenigen Kinder als Z. zu betrach-
ten, die bei fremden Personen in Kost sind,
die für die Pflege dieser Kinder zwar kein laufen-
des Entgelt beziehen, die aber das Annehmen
der Kinder in Kost gewerbs= oder gewohnheits-
mäßig boetreiben.
11I1. Die dritte Etappe ist, daß alle unehe-
lichen Kinder, die nicht in der mütterlichen Familie
verpflegt werden, als Z. betrachtet werden,
ganz gleich ob ein gewerbs= oder gewohnheits-