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65. Rundschreiben des Unterrichts-Ministerium vom 30. Oktober 1874,
betr. Unterricht katholischer Kinder.
Das Zirkular vom 29. April 1874, betreffend den Unterricht katho-
lischer Kinder in evangelisch-lutherischen Schulen ist, wie dem unterzeich-
neten Ministerium bekannt geworden ist, hin und wieder mißverstanden
worden, als solle dadurch eine Beschränkung im Gebrauche eines Lese-
buches von evangelisch-lutherischem Gepräge auch für die dem evangelisch-
lutherischen Bekenntnisse angehörigen Kinder herbeigeführt werden. Es
hat aber überhaupt nicht in der Absicht des unterzeichneten Ministeriums
gelegen, durch das erwähnte Zirkular eine Veränderung hinsichtlich des.
Unterrichtes der evangelisch-lutherischen Kinder anzuordnen, sondern nur,
die nötigen Grenzen für die Teilnahme der katholischen Kinder an diesem
Unterrichte zu ziehen. Demgemäß kann und soll nach wie vor ein auf
evangelisch-lutherischer Auffassung ruhendes Lesebuch, wo ein solches im
Gebrauche ist, von den diesem Bekenntnisse angehörenden Kindern voll-
ständig gelesen und von dem Lehrer mit ihnen besprochen werden. Aber
die etwa vorhandenen katholischen Kinder sollen zur Teilnahme am Lesen
und Erklären derjenigen Stücke, in welchen die Eigentümlichkeit der
evangelisch-lutherischen Auffassung und ihr Gegensatz gegen die katholische
bestimmt hervortritt, nicht herangezogen, sondern während der Behandlung
derselben anderweitig, mit Schreiben u. dgl. beschäftigt werden. Dagegen
können und sollen sie an der Behandlung der anderen Lesestücke, in welchen
der konfessionelle Charakter nicht kenntlich hervortritt, unbedenklich teil-
nehmen, wofern nicht etwa ein besonderes geeignetes Lesebuch für sie in
Gebrauch genommen ist. Wo das kte Lesebuch für die Stadt= und Land-
schulen in Mecklenburg-Schwerin benutzt wird, werden beispielsweise die
katholischen Kinder vom Lesen der Stücke Nr. 79, 126, 188 in Abtl. I,
und der Stücke Nr. 62, 86, 103, 106, 166, 174, 177, 178 in Abt. II
auszuschließen sein. Am Lesen der großen Mehrzahl der Stücke werden
auch sie sich ohne Gewissensbedrückung beteiligen können.
Sie wollen die Prediger Ihrer Diözese von dem Vorstehenden in
Kenntnis setzen.
66. Reskript der Kammer vom 17. Juni 1875, betr. Lasten an Hof-
schulen.
Nach der von dem hohen Finanz-Ministerium in Uebereinstimmung
mit dem hohen Ministerium, Abteilung für Unterrichts-Angelegenheiten,
gebilligten Ansicht der Kammer gilt die Verordnung vom 29. Juni 1869.
(vgl. Nr. 53), betr. Beteiligung der Gemeinden an den Ortsschulen auch
für die Schulen auf den Höfen und muß folgendermaßen angewendet werden:
1) Die Leitung der Bauten an Schulen auf solchen Höfen, welche
für sich allein Gemeinde sind, steht dem Amte zu, auch wenn Dorfs-
gemeinden eingeschult sein sollten.
2) Ist ein Hof mit einer Dorfschaft zu einer Gemeinde vereinigt,
so existiert eine Dorfsgemeinde, und steht die Leitung der Schulangelegen-
heit nach § 1 der Verordnung dem Gemeinde-Vorstande zu.