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Rundschreiben des Unterrichts-Ministerium vom 18. Juni 1860,
betr. Leitung und Frist der Anseinandersetzung.
Es ist wiederholt vorgekommen, daß die Auseinandersetzung über
eine Domanial-Schulstelle zwischen einem abziehenden und einem zuziehen-
den Schullehrer viele Monate oder gar mehrere Jahre nach dem Wechsel
in der Besetzung der Stelle noch nicht beschafft war, und daß die Sache
dann an das unterzeichnete Ministerium in solcher Gestalt gebracht wurde,
wie sie an dasselbe bei Beobachtung des richtigen Verfahrens niemals ge-
langen konnte. Das Ministerium sieht sich dadurch veranlaßt, Folgendes
resp. in Erinnerung zu bringen und zu bestimmen:
1)
2)
die Auseinandersetzung zwischen einem abziehenden und einem zu-
ziehenden Domanial-Schullehrer gehört zu dem Berufe des kompetieren-
den Predigers. Dem Prediger steht nicht ein bloßes Recht darauf
zu, in der Art, daß er auf ein solches Recht in einem gegebenen
Falle verzichten könnte durch die Erklärung, er wolle die Ausein-
andersetzung in diesem Falle einem Anderen, etwa dem betreffenden
Domanialamte oder dem unterzeichneten Ministerium, überlassen;
sondern der Prediger ist dazu berufen und kann sich diesem Teile
seines Berufes eben so wenig, wie andern Teilen desselben, beliebig
entziehen. Dem Prediger bleibt zwar unbenommen, in zweifelhaften
Fällen vorher eine bestimmte Instruktion bei dem kompetierenden
Superintendenten nachzusuchen, oder falls schwierigere oder ver-
wickelte Rechtsfragen in Betracht kommen, das kompetierende Groß-
herzogliche Amt um seine Mitwirkung zu ersuchen. Allemal aber
muß der Prediger, wenn eine gütliche Ausgleichung zwischen den
beteiligten Schullehrern nicht zu erreichen ist, über die streitigen
Punkte eine Entscheidung abgeben, vorbehältlich des dem Beteiligten
zustehenden Rekurses an die vorgesetzten Behörden, und kann die
Sache an die höhere Instanz, insonderheit an das unterzeichnete
Ministerium, immer nur in der Gestalt der Beschwerde über die
in der niederen Instanz abgegebene Entscheidung gebracht werden.
Eine Beschwerde über die von dem kompetierenden Prediger ab-
gegebene Entscheidung geht zunächst an den vorgesetzten Super-
intendenten.
3) Die Auseinandersetzung muß, wo nicht sogleich bei dem Abzuge des
bisherigen, resp. dem Zuzuge des neu ernannten Schullehrers, doch
längstens binnen wenigen Wochen darnach erfolgen. Wenn dies
durch die Fahrlässigkeit oder die Renitenz eines der beteiligten
Schullehrer gehindert wird, so hat der kompetierende Prediger davon
alsbald dem unterzeichneten Ministerium Anzeige zu machen, damit
von hier aus dem säumigen Schullehrer unter Androhung der ent-
sprechenden Rechtsnachteile die Einlassung aufgegeben werde.
4) Da übrigens häufig die Auseinandersetzung sehr einfach, das per-
sönliche Erscheinen eines bereits abgezogenen Schullehrers dagegen
mit Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist, so bleibt dem abge-
zogenen Schullehrer unbenommen, sich bei der Auseinandersetzung
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