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353. Entscheidung des Landgerichts Güstrow vom 31. Oktober 1899:
Ein in der Ritterschaft angestellter Küster und Schullehrer gilt
als öffentlicher Beamter. Die Genügung der Dienstpflicht durch
denselben ist im Wege der Dienstaufsicht durchzusetzen.
— — Wenn aber die Gutsherren kraft ihrer ständischen Machtbefugnisse,
also als selbständige Träger obrigkeitlichen Rechts, Schullehrer anstellen,
so darf hieraus begrifflich kein Einwand gegen die Beamteneigenschaft
der ritterschaftlichen Lehrer entnommen werden. Es liegt eben in den
ständischen Verhältnissen begründet, daß Befugnisse, welche im modernen
Staate nur der Landesregierung oder gewissen in den staatlichen Or-
ganismus eingegliederten Korporationen oder Behörden zustehen, hiervon
Privatpersonen als Trägern öffentlicher Rechte ausgeübt werden. Als
Träger der Gutsobrigkeit verleiht der Gutsherr ein öffentliches Amt und
die Landesherrschaft ist von jeher bemüht gewesen, den sich durch die
Verteilung obrigkeitlicher Befugnisse auf zahlreiche Personen ergebenden
Ungleichheiten und Willkürlichkeiten dadurch zu begegnen, daß sie ein
Mindestmaß der bei den Lehranstellungen zu beobachtenden Bedingungen
durchsetzte und im Wege der Schulaufsicht auch eine einheitliche Organisation
des Schulwesens erstrebte. Soweit die Ausübung des Lehramtes in
Betracht kommt, nimmt daher der ritterschaftliche eine Stellung ein,
welche derjenigen- des landesherrlich bestellten Lehrers in ihren wesent-
lichen Punkten entspricht. Noch handgreiflicher als die des gewöhnlichen
ritterschaftlichen Lehrers tritt die öffentlich rechtliche Stellung desjenigen
Lehrers hervor, der zugleich Küster ist. Bei diesem konkurriert die landes-
herrliche (Oberbischöfliche) Bestellung mit der Anstellung seitens der Guts-
obrigkeit zur Uebertragung des verbundenen Amtes.
— — Uiebrigens hat auch die Meckl. Gesetzgebung die von den Orts-
obrigkeiten (Gutsbesitzern u. s. w.) an den öffentlichen Schulen an-
gestellten Lehrer als öffentliche Beamte ausdrücklich aufgeführt. Ebenso
sind die ritterschaftlichen Landschullehrer als Beamte im Sinne der
Meckl. Ausf. V.-O. z. Bürgerl. Ges. B. 8§ 38 anzusehen und endlich
hat in strafrechtlicher Beziehung die Praxis nie Bedenken getragen, die
ritterschaftlichen Schullehrer als Beamte anzusehen.
Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß der Küster und Schullehrer G.
als öffentlicher Beamter zu betrachten ist, und daß der Antragsteller,
wenn er als Schulobrigkeit von ihm die Ausführung des Lehreramts
fordert, diesen dem öffentlichen Rechte angehörigen Anspruch nicht auf
dem Wege des Zivilprozesses geltend machen kann. Die Genügung der
Dienstpflicht durch den öffentlichen Beamten ist im Wege der Dienst-
aufsicht und ev. des Disziplinarverfahrens durchzusetzen, und das ein-
heimische Recht hat in der V.-O. vom 31. Dezember 1896, betr. die
Kommission für die ritter= und landschaftl. Landschulen eine Disziplinar=
behörde für die Landschullehrer geschaffen, wie denn eine solche für die
Küster in dem Konsistorium und oberen Kirchengericht bereits bestand.