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wortung vorschreiben, sind insoweit durch das Reichsstrafgesetz aufgehoben
worden.
394. In der Strafsache wider den Lehrer K. zu T. wegen
Körperverlekung, begangen bei Ausübung seines Amts, hat die
erste Strafkammer des Großherzoglichen Landgerichts zu Güstrow in der
Sitzung vom 8. Mai 1884 für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird eines Vergehens wider § 230 Abs. 2 des
Strafgesetzbuchs, verübt an dem Knaben L. L., in eine Geldstrafe von
dreißig Mark verurteilt, dagegen wegen der ihm zur Last gelegten Körper-
verletzung, verübt an der M. L., freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Angeklagten auferlegt mit
Ausnahme derjenigen besonderen Kosten, welche durch die Untersuchung
wegen des Vorfalls mit der M. L. entstanden sind. Diese Kosten hat
die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen!
Urteilsgründe.
I. Auf Grund der Beweisaufnahme ist das folgende für tatsächlich
festgestellt anzusehen.
Der Angeklagte ist auf Grund landesherrlicher Anstellung seit
dem November 1879 als Schullehrer zu T. angestellt. Zu den Kindern,
welche diese Domanial-Schule besuchen, gehören auch der jetzt im 9. Lebens-
jahr stehende Knabe L. L. und die jetzt im 12. Lebensjahr stehende W. L.,
Kinder des Kuhfütterers L. zu B.
2. Bei Beginn des Nachmittagsunterrichts am 11. Februnr 1881
erfuhr der Angeklagte, daß das Aufsatzbuch der gleichfalls die Schule be-
suchenden W. H. auf die Erde geworfen und mehrfach eingerissen sei. Da
ähnliches schon früher vorgekommen war, suchte Angeklagter den jener
Begangenschaft schuldigen Schüler zu ermitteln, aber ohne Erfolg, da
keiner sich auf seine Frage für den Täter bekannte. Als sich jedoch
herausstellte, daß L. L. und der Schulknabe H. H. am Nachmittag zuerst
die Schulstube betreten hatten, gewann Angeklagter aus den Aussagen des
Knaben H. die Ueberzeugung, daß L. L. das Aufsatzbuch eingerissen habe,
L. L. leugnete noch längere Zeit, gestand aber schließlich die Tat ein,
worauf Angeklagter ihn aus den Schulbänken heraustreten ließ, um ihn
sowohl wegen seines Leugnens, als wegen des Einreißens des Buches
in Gegenwart der andern Schulkinder körperlich zu züchtigen. Hierauf
hat der Angeklagte zunächst dem L. L. die Hände auf die Vorderseite des
Körpers gelegt, damit dieselben nicht von den Schlägen getroffen würden,
ihm darauf mit einem vorne etwas gespaltenen Rohrstock verschiedene
Schläge auf den Rücken und auf die Schultern versetzt, und als L. L.
den Kopf nach hinten wandte, denselben angefaßt und nach vorne herunter-
gehalten, damit der Kopf nicht von den Schlägen getroffen würde, und
dem L. L. noch eine größere Anzahl von Schlägen mit dem Nohrstock auf
Rücken und Schultern versetzt. Wie viel Schläge der Knabe bei diesem
Vorfall im Ganzen erhalten hat, ist nicht festgestellt, mindestens 5 Schläge