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gewesen und konnte deshalb um so mehr von ihm erwartet werden, daß-
er die Stockschläge dem nicht viel mehr als 8 Jahre alten Knaben nicht
mit ungewöhnlicher Kraftanwendung verabreichte, und daß er bei der von
ihm zu fordernden Aufmerksamkeit hätte voraussehen müssen, daß die
Schläge das erlaubte Maß überstiegen, und er sich einer Körperverletzung.
schuldig mache. Wenn er nun diese Aufmerksamkeit aus den Augem
gelassen hat, so hat er sich der Fahrlässigkeit schuldig gemacht und ist
wegen Ueberschreitung des erlaubten Maßes der Züchtigung nach § 230.
Abs. 2 des Strafgesetzbuches zu bestrafen.
3. Angeklagter ist ferner beschuldigt, im Winter 1882/83 die-
damals etwas über 10 Jahre alte W. L. in der Schule zu T. vorsätzlich
als Beamter bei Ausübung seines Amts körperlich mißhandelt zu haben,
indem er sie mit einem Rohrstock derartig körperlich züchtigte, daß infolge
der Schläge die Schultern und der Rücken des Mädchens stark verfärbt gewesen
sind und an einzelnen Stellen geblutet haben. Die Zeit und Veranlassung.
dieser Züchtigung ist nicht näher festzustellen, und wenn auch für bewiesen
gelten muß, daß das Mädchen infolge der Züchtigung braune und blaue
Stellen auf dem Rücken hatte, von denen einige blutunterlaufen waren,
so läßt sich daraus allein noch nicht mit Sicherheit auf eine Ueber-
schreitung des dem Angeklagten als Lehrer zustehenden Züchtigungsrechts.
schließen. Es ergibt sich hiernach, daß die Freisprechung des Angeklagten
wegen dieses Teils der Anklage erfolgen muß.
4. Bei der Strafzumessung aus § 230 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs
ist zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, daß er bisher nicht be-
straft ist und sich in seinem Amte als Lehrer des besten Rufs erfreut.
ferner daß die Ueberschreitung des zulässigen Maßes bei der Züchtigung
des Knaben L. L. keine sehr erhebliche ist und für den Knaben dauernd
nachteilige Folgen für sein Wohlbefinden nicht gehabt hat.
Darnach ist eine Geldstrafe von 30 Mk. für eine angemessene Sühne
des Vergehens zu halten.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens rechtfertigt
sich aus den §§ 197 Abs. 1 und 198 Abs. 1 der Strafprozeßordnung.
395. In der Strafsache wider den Lehrer K. zu T. wegen
Körperverlehmung hat das Reichsgericht, dritter Strafsenat, nach
mündlicher Prüfung für Recht erkannt: daß die Revision des Angeklagten
gegen das Urteil des Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Landgerichts.
zu Güstrow vom 8. Mai 1884 zu verwerfen und dem Angeklagten die
Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen sind.
Gründe. Die Revision des Angeklagten, welche wegen Verletzung.
des materiellen Rechts und wegen prozessualer Verstöße erhoben ist, konnte
nicht für begründet erachtet werden.
Soviel die materielle Beschwerde anlangt, so hat das Instanzgericht
den Tatbestand des angenommenen Vergehens vollständig festgestellt und.
die rechtliche Beurteilung desselben bewegt sich auf dem Boden der über
diese Fragen ergangenen reichsgerichtlichen Entscheidungen. Die Ein-