— 520 —
mittel das Gericht bedurfte, das stand, abgesehen von dem hier nicht in
Betracht kommenden § 244 der Strafprozeßordnung und den Anträgen
der Prozeßbeteiligten, im Ermessen des Gerichts, solche Anträge sind
aber ausweislich des hierüber allein maßgebenden Protokolls, in der
Hauptverhandlung nicht gestellt. Die Revision war daher zu verwerfen.
396. Schadenersatzpflicht eines Turnlehrers. Selbstverschulden des
verletzten Schülers.
Der am 19. April 1897 geborene, im Laufe des Rechtsstreits
volljährig gewordene Kläger nahm als Primaner der Donschule zu
Güstrow am 30. April 1904 an dem vom Beklagten geleiteten Turn-
unterricht teil. Es sollte die Laufkippe am Reck geübt werden. An dem
Reck mußte zu diesem Zweck noch die in Sprunghöhe angebrachte Reck-
stange in Brusthöhe, also tiefer verlegt werden. Der Beklagte gab den
zwei zunächst stehenden Primanern, nämlich dem Kläger und dem etwa
gleichalterigen Primaner W., die Anweisung, die Reckstange in der er-
forderlichen Höhe anzubringen. Die beiden Schüler führten dies aus,
indem der Kläger das runde, der Primaner W. das vierkantige Ende
der Reckstange in je einem der Ständer anbrachte. Nachdem darauf der
Beklagte an einem der anderen Recke die Laufkippe vorgeturnt hatte,
übte der Rläger an dem von ihm und W. in Ordnung gebrachten Reck.
Als er sich hierbei an der Reckstange schwang, löste sich diese aus ihrer
Befestigung, der Kläger kam mit der 30— 10 Pfund schweren eisernen
Stange zu Fall und erlitt einen schweren komplizierten Bruch des rechten
Daumens, welcher Unfall eine lange ärztliche Behandlung und eine
dauernde Verkrüppelung des Daumens zur Folge hatte.
Der Kläger klagte gegen den Beklagten auf Ersatz der Heilungs-
kosten und Zahlung eines Schmerzengeldes, wogegen der Beklagte wieder-
klagend die Feststellung beantragte, daß dem Kläger keine Ansprüche gegen
ihn zuständen.
Das Landgericht wies die Klage ab und erkannte der Wiederklage
gemäß. Das auf Berufung des Klägers ergangene Berufungsurteil des
Oberlandesgerichts, wodurch die Widerklage abgewiesen, der Klageanspruch
dem Grunde nach für gerechtfertigt war, wurde auf Revision des Be-
klagten durch Urteil des Reichsgerichts vom 2. Juli 1908 aufgehoben.
Die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils hielten die Annahme
des Berufungsgerichts, daß eine Fahrlässigkeit des Beklagten vorliege,
nicht für rechtsirrtümlich, verlangte aber eine erneute Prüfung der An-
wendbarkeit des § 254 B. G. B. nach der Richtung hin, ob nicht der
Auftrag, den der Beklagte den beiden Schülern (dem Kläger und dem
W.)erteilt hatte, so aufgefaßt werden müßte, daß jeder von beiden, auch
wenn sie die tatsächliche Ausführung teilten, doch für die vollständige
Ausführung der Arbeit aufzukommen hatte, und der Kläger die ord-
nungsmäßige Befestigung der Stange am anderen Ende wenigstens in
dem Augenblicke nachprüfen konnte, wo er mit dem Turnen an der
Reckstange begann.