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Auf Grund der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgerichte
wurde der Klageanspruch durch Urteil vom 1. Juli 1910 zur Hälfte
für gerechtfertigt erklärt, zur Lälfte, ebenso wie die Widerklage, abge-
wiesen.
Aus den Gründen:
Das Gericht nimmt an, daß der Unfall, bei welchem der Kläger
den Daumen der rechten Hand gebrochen hat, dadurch herbeigeführt ist,
daß die Reckstange, an welcher er die Laufkippe turnen wollte, nicht
ordnungsmäßig befestigt gewesen ist. Die Einrichtung des Turngeräts
ist eine derartige, daß ein Sichlösen der Reckstange, wie es den Fall des
Klägers verursacht hat, bei gehöriger Befestigung des Bolzeno und des
Vorsteckers nicht erfolgen kann; die Schlußfolgerung, daß diese Befestigung
nicht gehörig gewesen ist, erscheint daher als eine sichere, auch wird diese
Ursache von keiner der Parteien bezweifelt. Dasjenige Ende der Reck-
stange, an welchem Bolzen und Vorstecker anzubringen waren, ist weder
vom Kläger noch vom Beklagten, sondern von dem Primaner W. befestigt
worden. Die etwaige Laftung des W. für den Unfall steht im gegen-
wärtigen Rechtsstreit nicht in Frage, es handelt sich nur darum, ob der
Beklagte, unter dessen Leitung der Turnunterricht erfolgte, denselben
durch Fahrlässigkeit verursacht hat, und, wenn diese Frage zu bejahen
ist, ob und in welchem Maße ein eigenes Verschulden des Verletzten mit
ursächlich gewesen ist. —,— —,— Indessen gelangt das Berufungs-
gericht auch bei erneuter Prüfung der Sachlage unter Berücksichtigung
der früheren und der neu dazu gekommenen Beweiserhebungen zu dem
Schluß, daß ein Verschulden des Beklagten allerdings vorliegt. Freilich
ist dies Verschulden nicht damit zu begründen, daß der Beklagte es ver-
säumt hat, Vorsichtsmaßregeln durch Hinbreiten einer Matratze und
Bereitstellung von Hülfspersonen zu treffen. Die Laufkippe ist eine an
sich ungefährliche und leichte Uebung, und es ist von sachverständiger
Seite mit Recht hervorgehoben, daß das Turnen nicht bloß die Muskeln,
sondern auch den Mut und das Selbstvertrauen des Schülers stärken
soll, und daß mit Rücksicht auf diese erzieherische Wirkung überflüssige
Vorsichtsmaßregeln, die nur die Aengstlichkeit fördern können, tunlichst
zu vermeiden sind. Wohl aber muß ein Verschulden darin gefunden
werden, daß der Beklagte es unterlassen hat, bevor er die Uebungen
beginnen ließ, der Gebrauchstüchtigkeit des Geräts, welches eben erst zu
diesen Uebungen verändert war, festzustellen.
Es muß zwar zugestanden werden, daß dieses Verschulden ein über-
aus geringes zu neunen ist. Der Beklagte gab den Befehl zur Her-
richtung des Recks in der erforderlichen Höhe an zwei Primaner, junge
Leute von reiferer Ausbildung, geübte Turner, also an Personen, die er
für zulässig und völlig befähigt halten durfte, die gewohnte und in jeder
Beziehung einfache Arbeit zu bewerkstelligen. Es sprach auch eine über-
wiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Beauftragten sich ihres Auf-
trags in einwandfreier Weise erledigen würden. Aber der eigenen
Verantwortlichkeit war der Beklagte dadurch, daß er den beiden jungen
Leuten die Anweisung erteilte, nicht überhoben. Es kommt hier nicht