Full text: Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben König Alberts von Sachsen.

152. Der „RKleine Doktor“. 
Neben den Königlichen Leibärzten Geheimrat Dr. Fiedler und 
Generaloberarzt Dr. Selle stand dem König in seiner schweren Krankheit 
besonders nahe der Stabsarzt im Leib-Grenadier-Regiment Dr. Hoffmann. 
„Der kleine Doktor", wie man den verhältnismäßig jungen, aber sehr 
tüchtigen Stabsarzt im engeren Kreise nannte, war dem kranken König 
als Mensch in hohem Grade sympathisch. Darauf beruhte der Einfluß, 
den dieser Arzt wie kaum jemand anders auf den hohen Patienten aus- 
übte. Früher, wenn der König die Neigung hatte, beim Skate länger 
sitzen zu bleiben, als ihm dienlich war, brauchte der Stabsarzt den 
Spieltisch nur einige Mal stillschweigend zu umkreisen, und der König 
brach das Spiel ab. In den letzten Krankheitstagen war Dr. Hoffmann 
die einzige Persönlichkeit, die den König bewegen konnte, Nahrung an- 
zunehmen. Er nahm sie dem „kleinen Doktor“ zu gefallen, der dafür 
wieder in der Fürsorge für seinen schwerleidenden Königlichen Herrn 
aufging. Dr. Hoffmann war auch sehr musikalisch, und er hat mit seiner 
schönen Baritonstimme dem König manche Leidensstunde leicht gemacht. 
153. Gnadensachen — Herzenssachen. 
Grade in Rechtsangelegenheiten pflegte es König Albert ungemein 
gewissenhaft zu halten. In Gnadensachen las er alle Strafakten selbst 
genau, um sich, auf Grund selbständiger Durchsicht ein eigenes Urteil 
zu schaffen. Er verzichtete auf Vorträge in dieser Richtung, und milde, 
aber ohne Schwäche, machte er von dem hohen Rechte der Begnadigung 
sozusagen auf Grund eigenster Anschauung Gebrauch wie Nichtgebrauch. 
Während seiner schweren Erkrankung in Sibyllenort kam die Erledigung 
dieser Gnadensachen begreiflicherweise etwas ins Stocken. Das verursachte 
dem König große Sorge, und er gab deshalb noch in den letzten Tagen 
Besehl, ihm alle zur Berücksichtigung empfohlenen Gesuche vorzulegen.
	        
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