Full text: Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben König Alberts von Sachsen.

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Kronprinz sofort in die Tasche, legte, ohne ein Wort zu sagen, einen 
Taler in das Buch und entfernte sich rasch. Als der junge Kaufmann 
wieder eintrat und den Ausgleich seines Verlustkontos durch den Kron- 
prinzen so zartsinnig gelöst sah, war seine Freude natürlich groß. 
60. „Rudolf, dort brennt's!“ 
Der vorerwähnte Brigadeschreiber Tanner und der Brigadesekretär 
Rudolf hatten sich einstmals in ihrem Geschäftszimmer dem Genuß 
einer Zigarre hingegeben. Sie glaubten dies ungestört wagen zu dürfen, 
da niemals in später Nachmittagsstunde noch ein Vorgesetzter mit einem 
Anliegen kam, und die Königliche Hoheit verkehrte immer nur vor- 
mittags im Bureau. Doch mit des Geschickes Mächten —. Als beide 
wie die Stadtsoldaten pafften, da trat — ganz gegen seine Gewohn- 
heit — der Kronprinz Albert in die mit Tabakqualm angefüllte Stube 
ein. Sofort waren die Glimmstengel verschwunden. Tanners Gift- 
nudel ward zu ebener Erde versenkt. Der Sekretär legte rasch aber 
verstohlen die seinige auf das Fensterbrettchen, auf welchem eine ziemliche 
Anzahl unbrauchbarer Papiere wie Briefkouverte 2c. lagen. Mit anderen 
dort liegenden Papieren ward die Havanna zugedeckt, in der Vermutung, 
der Aufenthalt des Kronprinzen werde nur von sehr kurzer Dauer sein. 
Allein das scharfe Soldatenauge des nachmaligen Siegers von Beaumont 
hatte das Begräbnis der noch glimmenden Zigarre doch beobachtet, und 
er sah wohl mit Spannung dem weiteren Prozesse der Verbindung von 
Papier und brennendem Tabak entgegen. Nachdem der Brigadeschreiber 
Tanner der Königlichen Hoheit die erwünschten Mitteilungen, um des- 
willen Kronprinz Albert gekommen war, gegeben hatte, wandte er sich 
an den Brigadesekretär Rudolf und frug ihn nach seinen Erlebnissen 
als Kombattant im russischen Feldzuge. Den Sekretär überlief es 
eisigkalt, doch auf dem Fensterbrettchen entwickelte sich ein niedlich Feuer, 
und als lichterloh die Flammen emporschlugen, sagte der Kronprinz: 
„Rudolf, dort brennt's! Eilends begab sich der Sekretär an die 
Brandstätte, schlug, die Schmerzen nicht achtend, das Feuer mit den 
Händen tot und rief ein über das andere Mal: „Verzeihen, Königliche 
Hoheit, verzeihen!“ Aber diese war schon längst zur Türe hinaus, 
ohne ein tadelndes oder zurechtweisendes Wort zu sagen, hat auch 
später nicht ihren Unwillen über die Ungehörigkeit irgendwie kund ge- 
geben. Die ausgestandene Angst der Raucher war ihr genügende Sühne. 
  
 
	        
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