Full text: Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben König Alberts von Sachsen.

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aussehe. „Nichts weiter“, erwiderte er. „Du siehst aber doch wie 
eine Kalkwand aus, sag' nur, was ist denn geschehen?“ sagten jene. 
Auf wiederholtes Drängen gab er endlich die diplomatische Antwort: 
„Seine Majestät der König haben mit mir — gesprochen!“ 
91. „Stehen Sie auf, man kniet nur vor Gott!“ 
Auf seinen Fahrten und Spaziergängen ward König Albert oftmals 
von Leuten angehalten, die sich von einem Gnadengesuche eine bessere 
Wirkung versprachen, wenn sie dasselbe dem Monarchen persönlich 
übergaben. Der Monarch wies keines dieser Gesuche zurück, sondern 
las sie gewöhnlich sofort nach dem Empfang durch; dann aber ging es 
denselben Weg, den die schriftlichen bei dem Königl. Hausministerium 
eingereichten Gnadengesuche durchlaufen. Vor der Entscheidung des 
Königs wurden bei den verschiedenen Behörden Erkundigungen ein- 
gezogen, ob der Bittsteller auch der Allerhöchsten Gnade würdig wäre. 
Besonders oft nahten sich dem Landesherrn bei seinem Aufenthalt in 
Pillnitz Bittsteller. War der König zu Fuß, so nahm er oft Ver- 
anlassung, sich nach Einzelheiten in der fraglichen Angelegenheit zu er- 
kundigen; er beendete gewöhnlich die Unterhaltung mit einem Wort des 
Trostes und der Zusicherung wohlwollender Prüfung der Angelegenheit. 
Einst erwartete eine einfache Frau mit einem Bittgesuch den Monarchen 
in Pillnitz. Als sie den hohen Herrn kommen sah, warf sie sich vor 
ihm auf die Knie. Der König sah dies, ging rasch auf sie zu und 
nötigte sie zum Aufstehen mit den Worten: „Stehen Sie auf, man 
kniet nur vor Gott!“ Die Frau gehorchte. Dann erst nahm der 
König ihr das Bittgesuch ab und zog sie im Weitergehen ins Gespräch. 
92. Zarte Rücksichtnahme auf andere. 
Während des Aufenthaltes im Lustschlosse Pillnitz unternahm 
König Albert früher oft Gondelfahrten auf der Elbe, oder er ließ sich 
nach dem am linken Elbufer gelegenen einfachen Königlichen Elbbad 
übersetzen. Dabei wurden aber so gut wie nie die prunkvollen 
venetianischen Gondeln, die im Sommer vor dem Pillnitzer Schloß auf 
den Fluten der Elbe schaukeln, benutzt, sondern ein einfacher, grün und 
graugelb angestrichener, kleiner Kahn mit einem schlichten Schutzzelt
	        
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