98 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 27.
scheinlich anzunehmen sei, daß die Verurtheilung eine Entziehung jener Rechte zur
Folge haben werde (A.G. z. St. Pr. O. Art. 4);
e) Personen, welche, den Fall eines vorübergehenden Unglücks ausgenommen, eine
Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen, oder im letzten, der Wahl
vorangegangenen Finanzjahre bezogen und diese zur Zeit der Wahl nicht wieder
erstattet haben.
f) nach § 49 des R.M.G. vom 2. Mai 1874 Militärpersonen, welche zum aktiven
Heere gehören, mit Ausnahme der Militärbeamten ¹).
III. Das Wahlverfahren im Allgemeinen. Sämmtliche Wahlen zur Abgeordneten-
kammer erfolgen durch unmittelbare und geheime Stimmgebung nach der absoluten
Mehrheit der giltig abgegebenen Stimmen ²) Daß auch die Mehrheit der Wablberechtigten
von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe, ist nicht erforderlich (V.G. vom 16. Juni
1882 Art. IV). Die Ausübung des Wahlrechts kann nur in Person, nicht durch einen
Stellvertreter geschehen, mit Ausnahme des Falles, wenn bei den Wahlen der Ritterschaft
der Wahlberechtigte durch Dienstverhältnisse verhindert ist, sich am Wahlorte einzufinden ³).
Hat der Gewählte die Wahl nicht angenommen oder keiner der Kandidaten mehr als
die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten, so ist unverzüglich eine neue Wahl anzu-
ordnen. In dem letzteren Falle ist nur unter den zwei Kandidaten zu wählen, welche bei
der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben (engere Wahl). Bei Stimmengleichheit
bezüglich einzelner der für diese Wahl in Wurf zu bringenden Kandidaten entscheidet das
Loos. Bei der engeren Wahl ist dann wieder absolute Mehrheit erforderlich; in Erman-
gelung einer solchen bedarf es einer Neuwahl; das Loos ist hier ausgeschlossen ⁴) (anders
im Reichswahlges. § 12).
Nach dem Schlusse der Wahlhandlung wird für den Gewählten zu dessen Legitimation
eine Wahlurkunde mit der Unterschrift der zur Feststellung des Wahlergebnisses ge-
setzlich berufenen Personen ausgefertigt. Wer an mehreren Orten gewählt worden ist, kann
nur eine der auf ihn gefallenen Wahlen — nach seiner freien Entschließung — annehmen ⁵).
§ 27. Die Wahl der Abgeordneten der Städte und Oberamtsbezirke insbesondere.
Für diese Wahlen gilt seit dem Verf.-Ges. vom 26. März 1868 das allgemeine direkte
Wahlrecht (s. o.).
A. Zum aktiven Wahlrecht berufen sind hiernach alle württemb. Staatsbürger,
welche in dem Wahlbezirke ihren Wohnsitz oder ihren nicht blos vorübergehenden Aufenthalt
haben und nach dem in § 26 unter II Ausgeführten nicht ausgeschlossen sind ⁶); das Wahl-
recht ist also unabhängig von jeder Steuerzahlung.
B. Ueber die Wähldarkeit s. § 26 I.
C. Das Wahlverfahren ist seit dem neuesten Ges. vom 16. Juni 1882, einer
Novelle zum Wahl G. vom 23. März 1868, ganz dem Reichswahl G. vom 31. Mai 1869
und dem Reglement vom 28. Mai 1878 angepaßt.
1) Laband, R. St. R. I S. 288; II S. 719.
2) V.G. v. 26. März 1868 Art. 2, 5 und 7.
3) V.G. v. 26. März 1868 Art. 6 und V.G. v. 16. Juni 1882 Art. 14.
4) Art. 7 und 12 des G. Lit. A. vgl. mit Art. 19 des G. Lit. B v. 26. März 1868 und dazu
die Verh. d. Abg. K. 1866/68, Pr. Bd. III S. 2000, Verh. d. K. d. St.H. v. 1866/68 Pr. B. S.
486. Die Neuwahl ist in letzterem Falle eine Stichwahl, da der Mangel nur der Stichwahl,
nicht der ersten Wahl inhärirt; vgl. auch die Verh. d. Abg. Kammer v. 18. Januar 1883 Pr. B. I
5) V. U. § 147, Art. 12 u. 13 des V. G. (A) v. 26. März 1868, Art. 23 des Wahl-Ges.
(B) s. auch unten S. 100.
6) V. G. v. 26. März 1868 Art. 2.