§ 27. Die Wahl der Abgeordneten der Städte und Oberamtsbezirke. 99
1. Jede Gemeinde, in zusammengesetzten Gemeinden die Gesammtgemeinde, bildet der
Regel nach einen besonderen Abstimmungsdistrikt. Kleine Gemeinden können mit benachbarten
Gemeinden zu einem Abstimmungsdistrikt vereinigt, große Gemeinden in mehrere Abstimmungs-
distrikte getheilt werden. Kein Abstimmungsdistrikt darf mehr als 3500 Einwohner nach der letzten
allgemeinen Volkszählung enthalten. Die Abgrenzung der Abstimmungsdistrikte geschieht durch
das ehret sofort nach dem Erscheinen des Wahlausschreibens und ist in dem Amtsblatte bekannt
zu machen ¹).
2. Für die Entwerfung und Fortführung der Wählerliste besteht in jeder
Gemeinde eine (bleibende) Ortswahlkommission, zusammengesetzt aus dem Ortsvorsteher,
dem Gemeindepfleger und drei weiteren von dem vereinigten Gemeinderathe und Bürgerausschusse
aus ihrer Mitte zu wählenden Mitgliedern. Der Rathschreiber ist als solcher nicht Mitglied der
Kommision, kann aber als Schriftführer beigezogen werden. Die Kommission hat die Wählerliste
anzulegen und durch Sammlung der nöthigen Materialien dafür Sorge zu tragen, daß sie jeder
Zeit ohne Verzug richtig gestellt werden kann. Wahlberechtigte, welche in der Gemeinde ihres
Wohnsitzes oder ihres nicht blos vorübergehenden Aufenthaltes direkte Staatssteuer, Wohn- oder
Bürgersteuer entrichten, sind von Amtswegen in die Wählerlisten aufzunehmen, die Aufnahme
der übrigen Wahlberechtigten ist dagegen durch ihre Anmeldung zur Aufnahme und erforderlichen-
falls durch den Nachweis ihrer Wahlberechtigung bedingt. Im Falle der Beanstandung kann der
Wahlberechtigte die Entscheidung der Oberamtswahlkommission verlangen, welche endgiltig ent-
scheidet. Zerfällt eine Gemeinde in mehrere Abstimmungsdistrikte, so erfolgt die Aufstellung der
Wählerlisten nach den einzelnen Abstimmungsdistrikten.
3. Die Wahlvorsteher (Distriktswahlkommissäre) für jeden Abstimmungsdistrikt und
deren Stellvertreter werden von der Oberamtswahlkommission gewählt und wird ihr Name sofort
öffentlich bekannt gemacht. Der Oberamtmann darf die Funktion eines Distrikts-Wahlvorstehers
nicht übernehmen. Der Wahlvorsteher ernennt aus der Zahl der Wähler seines Wahldistriktes
einen Protokollführer und 3—6 Beisitzer, welche bei Beginn der Wahlhandlung sich zur Distrikts-
wahlkommission constituiren. Der Wahlvorsteher, wofern er dem Distrikte selbst als Wähler
angehört, sowie die Beisitzer und Protokollführer sind nicht gehindert, selbst abzustimmen.
Die Oberamtswahlkommission besteht aus dem Oberamtmann (dem Wahlkommissär)
als Vorsitzenden, sodann für die zu eigenen Wahlen befugten Städte aus je zwei Mitgliedern des
Gemeinderathes und des Bürgerausschusses, welche von diesen Kollegien gewählt werden; für die
Oberamtsbezirke aus 2 Mitgliedern der Amtsversammlung und zwei Mitgliedern der Bürger-
ausschüsse des Bezirkes, welche die Amtsversammlung wählt. Die Oberaufsicht über das Wahl-
geschäft und die Leitung und Abschließung desselben steht dem Oberamt zu, welches auch die
Wahllokale bestimmt ꝛc. und den Aufruf an die Wahlberechtigten erläßt.
4. Vorbereitung der Wahl. Binnen 10 Tagen nach dem Erscheinen des Wahlaus-
schreibens im R. Bl. müssen die Wählerlisten (s. o.) zum Abschlusse gebracht sein. Sie sind sodann
während eines unmittelbar anschließenden Zeitraumes von sechs Tagen auf dem Rathhause
(Gemeindehause) zur allgemeinen Einsichtnahme aufzulegen; auch ist, daß dies geschehen, von der
Ortswahlkommission öffentlich bekannt zu machen. Innerhalb dieser 6 Tage ist jeder Einwohner
der Gemeinde befugt, gegen die aufgelegten Listen wegen Uebergehung berechtigter oder Aufnahme
unberechtigter Personen bei der Ortswahlkommission Vorstellung zu erheben, welche über letztere
binnen drei Tagen Beschluß zu fassen und, wenn der Betreffende sich hierbei nicht beruhigt, die
endgiltige Entscheidung der Oberamtswahlkommission einzuholen hat. Nach Ablauf der sechstägigen
Frist kann eine Aenderung der Wählerliste mit Wirksamkeit für die nächste Wahl nicht mehr vor-
genommen werden, soweit solche nicht durch die Beschlußfassung der Ortswahlkommission über
eine rechtzeitig erhobene Einsprache oder durch entgiltige Entscheidung der Oberamtswahlkommission
erforderlich wird ²).
Die Wählerliste ist mit Bescheinigung der Ortswahlkommission darüber, daß dieselbe
nach vorgängiger, öffentlicher Bekanntmachung sechs Tage lang zur allgemeinen Einsicht auf-
gelegen habe, zu versehen. Spätestens am 21. Tage nach dem Wahlausschreiben (s. o.) haben die
Ortsvorsteher die Wählerlisten sammt den Akten über beanstandete Wahlberechtigungen dem
Bezirksamte einzusenden. Dieses veranlaßt die alsbaldige endgiltige Entscheidung durch die Ober-
amtswahlkommission, ergänzt hiernach die Wählerlisten, läßt äußerlich wahrnehmbare Mängel
berichtigen und übersendet die Listen zur Benützung bei der Wahl rechtzeitig dem Distriktswahl-
kommissär.
5. Die Wahlhandlung. Die Wahlen sind genau am 30. Tage nach dem Erscheinen
des Wahlausschreibens in allen Abstimmungsdistrikten des Landes gleichzeitig vorzunehmen. Die
Namen der Distriktswahlkommissäre, das Lokal, der Tag der Wahl, die Zeit des Anfangs und
des Schlusses der Abstimmung sind von den Ortsvorstehern in jeder Gemeinde mindestens drei
Tage vor der Wahl in ortsüblicher Weise bekannt zu machen. Die Abstimmung beginnt um
1) G. v. 16. Juni 1882 Art. I 10 und die Instr. v. 6. Nov. 1882, § 9.
2) Vgl. d. angef. Instr. §§ 2—7.
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