Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

102 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 30. 
C. Die einzelnen Ständemitglieder. 
§ 30. Die Legitimation der Ständemitglieder. Die Mitglieder beider Kammern 
haben vor ihrem Eintritt in die Ständeversammlung ihre Berechtigung hierzu speziell nach- 
zuweisen ¹). Diese Legitimation geschieht 
a) bei denjenigen, welche durch Geburt, lebenslängliche Ernennung oder durch Amt 
berufen sind, durch Vorlegung des Einberufungsschreibens und so weit 
von dem Rechte der Stimmübertragung Gebrauch gemacht werden will, durch 
Vorlegung der Vollmacht zur Stimmführung; 
b) bei den durch Wahl berufenen Abgeordneten durch Vorlegung der Wahlurkunde 
(s. o. S. 100). 
Die Prüfung der Legitimation auf Grund dieser Urkunden erfolgt 
1. wenn die Eröffnung einer Ständeversammlung nach allgemeinen Neuwahlen oder 
nach vorangegangener Schließung des Landtages stattfindet, zunächst durch den ständischen 
Ausschuß. Nach allgemeinen Neuwahlen werden die von neuem in die Ständekammer ge- 
wählten Mitglieder des Ausschusses zur Prüfung ihrer eigenen Legitimation durch die zuerst 
legitimirten Abgeordneten im Ausschusse ersetzt. Der König ist befugt, zu dem Legitimations- 
geschäft des Ausschusses Kommissarien abzuordnen. Dem Ausschusse steht jedoch nur die 
Erledigung solcher Legitimationen zu, bei welchen sich keine Anstände ergeben. Wird die 
Wahl vom Ausschusse beanstandet, so kann der zu Legitimirende vorerst nicht in die 
Ständekammer eintreten. Die Entscheidung über die erhobenen Anstände steht nur der 
betreffenden Kammer zu. Der Ausschuß hat am Tage vor dem in dem Einberufungs- 
schreiben bestimmten Termine dem Staatsministerium von dem Erfolge des Legitimations- 
geschäfts Anzeige zu machen. Die Eröffnung der Ständeversammlung erfolgt nur, wenn die 
zur Beschlußfähigkeit einer Kammer erforderliche Zahl von Mitgliedern für legitimirt erklärt 
ist (V. U. § 160). 
3. Tritt ein Mitglied nach Eröffnung des Landtags ein, so erfolgt seine Legitimation 
stets bei der betreffenden Kammer. Die Abg.K. hat zu diesem Zwecke und zur Prüfung 
der vom Ausschusse erhobenen Anstände (Nr. 1) eine ständige Legitimationskommission. 
Bei der Prüfung durch die Kammer bilden die Einberufungsschreiben und die Wahl- 
urkunden keine formelle Schranke der Entscheidung. Es können also auch solche legitimirt 
werden, welche kein Einberufungsschreiben von der Regierung erhalten haben, sofern sie 
ihre Berechtigung nachweisen können. Andererseits kann die Kammer auch die Legitimation 
der vom Ausschusse bereits für legitimirt Erklärten nachträglich beanstanden und die Zu- 
lassung ablehnen. (V. U. § 160 Abs. 4, Wahlges. vom 26. März 1868 Art. 22.) Bedarf es 
zur Prüfung der Legitimation noch thatsächlicher Erhebungen, so hat die Kammer die Re- 
gierung (das Staatsministerium) um die Vornahme derselben durch ihre Organe zu ersuchen; 
das Recht der Enquéte steht der Kammer nicht zu; ebensowenig werden der Kammer — wie 
dies bei den Reichstagswahlen der Fall ist — die Wahlakten selbst mitgetheilt. Die Prüfung 
der Legitimation erfolgt auf Grund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen. 
Was die Wahlprüfungen insbesondere betrifft, so ist hierfür das Wahlges. von 
1868 Art. 21 und 22 maßgebend. Hiernach kann eine Wahl als nichtig nur erklärt werden: 
1. wenn der Gewählte zur Zeit der Wahl wahlunfähig war; 
2. wenn sich derselbe, um bei der fraglichen Wahl Stimmen zu erhalten, einer Be- 
stechung, einer Erpressung oder eines Betruges schuldig gemacht hat ²); 
 
1) Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem R.T. Nicht richtig Sarwey, I S. 202, 
s. dagegen Gaupp, die neueste Bearb. S. 23 f. 
2) Letzteres setzt Verurtheilung voraus.
	        
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