§ 32. Die Einberufung, Vertagung, Entlassung und Auflösung der Ständeversammlung. 105
Landtags, ferner zu den Sitzungen des weiteren ständischen Ausschusses und der Kommissionen,
sowie für je zwei Tage zuvor und nachher freie Fahrt auf den Staatseisenbahnen in der
Richtung von ihrem Wohnorte nach Stuttgart und umgekehrt. Während der Beurlaubung
eines Mitgliedes hört der Bezug von Taggeldern auf. Die Präsidenten der beiden Kammern
beziehen einen fixen Gehalt, ebenso die vier Mitglieder des ständischen Ausschusses, welche
nach § 190 der V. U. in Stuttgart anwesend sein müssen ¹) (s. u.).
D. Die Einberufung, Vertagung, Entlassung und Zuflösung der Ständeversammlung.
§ 32. I. Die Stände können nur zusammentreten auf Einberufung durch den König
(oder den Reichsverweser). Diese erstreckt sich, wie die Vertagung, Entlassung und Auflösung,
stets auf beide Kammern zugleich, geschieht durch Königl. Verordnung ²) und wird im
Reg.-Bl. und Staatsanzeiger publizirt. Außerdem erhalten sämmtliche Mitglieder der
Ersten und die nichtgewählten Mitglieder der Zweiten Kammer spezielle Einberufungs-
schreiben vom Minister des Innern.
Nach § 127 der V. U. muß der Landtag alle drei Jahre einberufen werden; doch
kann der König nach seinem Ermessen die Stände auch außerordentlicher Weise berufen, so
oft es zur Erledigung wichtiger oder dringender Landesangelegenheiten erforderlich ist. Vor-
geschrieben ist dagegen eine außerordentliche Einberufung in drei Fällen:
a) bei jeder Regierungsveränderung, sei es, daß ein Wechsel in der
Person des Königs, die Einsetzung einer Reichsverwesung oder ein Wechsel in der
Person des Reichsverwesers stattgefunden hat, und zwar binnen der ersten vier
Wochen (V. U. § 127);
b) wenn der Ausschuß um die Einberufung behufs einer Anklage der Minister
vor dem Staatsgerichtshofe bittet, vorausgesetzt, daß der Regierung
der Grund der Anklage und die Dringlichkeit derselben gehörig nachgewiesen ist
(V. U. § 188);
c) spätestens binnen sechs Monaten nach einer Auflösung der Ständever-
sammlung (a. a. O. § 186).
Ein außerordentlicher Landtag hat übrigens nach der richtigen Ansicht dieselben Rechte
und Pflichten wie ein ordentlicher ³). Nur thatsächlich besteht ein Unterschied, sofern die
V. U. von der Voraussetzung ausgeht, die sechsjährige Wahlperiode zerfalle regelmäßig in
zwei dreijährige Landtagsperioden, entsprechend der dreijährigen Gültigkeit des Hauptetats,
so daß als ordentlicher Landtag im Sinne der V. U. derjenige Landtag erscheint, welcher
einen dreijährigen Etat — je für die Hälfte der Wahlperiode — zu verabschieden hat (V. U.
§§ 109 — 112). Diese Voraussetzung und damit der Hauptgrund der ganzen Unterscheidung
ist nun aber hinweggefallen, seitdem an die Stelle der dreijährigen Finanzperioden zwei-
jährige, mitunter noch kürzere Finanzperioden getreten sind. Formell ist übrigens die
Unterscheidung auch noch in dem V.G. vom 23. Juni 1874 aufrecht erhalten worden,
insofern (Art. 2 ib.) das Amt der Präsidenten der beiden Kammern sich je auf die Dauer
einer ordentlichen Landtagsperiode von drei Jahren erstreckt (V.U. § 127) und sofern der
1) Vgl. hierüber das Ges. v. 20. Juni 1821. Der Präsident der Ersten Kammer bezieht
hiernach jährlich 7500 fl. (12 857 M.), der Präsident der Zweiten Kammer 5000 fl. (8571 M.);
die Mitglieder des engeren Ausschusses erhalten 1800 fl. (3085 M. 68 Pf.).
2) Die Kontrasignatur derselben (V. U. § 51) erfolgt seit dem Verf-Ges. v. 1. Juli 1876
durch die Mitglieder des Staatsministeriums.
3) Vgl. auch Mohl, I S. 593, 602, Bitzer, S. 95 ff. u. Fricker in der Tüb. staatsw.
Zeitschr. B. 17 S. 285 ff.