§ 33. Die formelle Geschäftsbehandlung in der Ständeversammlung. 107
§ 192, daß bei jeder Auflösung ein neuer Ausschuß gewählt werden muß, hat jedoch zur
Folge, daß im Falle der Auflösung nicht versammelter Stände diese jedenfalls zum
Zwecke der Wahl eines neuen Ausschusses noch einmal einberufen werden müßten. Die
Auflösung erfolgt durch Königl. V.O. Dieselbe hat nicht nur — wie die Entlassung —
die Wirkung, daß die Funktionen des Landestags sofort aufhören, sondern es wird auch
die Existenz des Landtags selbst dadurch aufgehoben, so daß die auf Wahl beruhende
Mitgliedschaft erlöscht. Den Ständen muß daher die erforderliche Sitzung zur Wahl eines
neuen Ausschusses noch gestattet werden (s. u.) Binnen sechs Monaten ist dann ein neuer
Landtag einzuberufen, und der Termin zur Neuwahl so zu bestimmen, daß die Ein-
berufung innerhalb dieser Frist erfolgen kann.
Findet keine Auflösung statt, so erlöscht die Funktion der Ständekammer und zwar
für sämmtliche Abgeordnete mit dem sechsten Jahre, nachdem die letzte der angeordneten
allgemeinen Wahlen s. Z. vollzogen worden (s. o. S. 96), von selbst.
E. Bie formelle Geschästsbehandlung in der Ständeversammlung.
§ 33. Ueber die Behandlung der ständischen Geschäfte sowohl in jeder einzelnen
Kammer, als im Verkehre der Kammern unter sich und nach Außen enthielt die V. U.
eine Reihe von Vorschriften (vgl. §§ 126, 156, 159 —183), an welche sich die Geschäfts-
ordnungen der Zweiten Kammer vom 23. Juni 1821 und der Ersten Kammer vom
20. Okt. 1841 anschlossen ¹). Das Recht jeder Kammer, innerhalb der verfassungsmäßigen
Schranken ihre Geschäftsordnung selbst zu regeln, welches die Regierung bis dahin be-
stritten hatte, gelangte erst durch das V.G. vom 23. Juni 1874 (Art. 3) zur Anerken-
nung, womit zugleich die Vorschriften der V. U. über die Befugnisse der Präsidenten
(§ 165), über die Beurlaubung der Ständemitglieder (§ 166), über die Form der Vor-
träge (§ 171), über die Behandlung der Berathungsgegenstände (§ 173 Abs. 1), die Ab-
stimmung (§ 174) und die Disziplin in den Sitzungen (§ 185 Abs. 2) als nunmehr der
Autonomie der Kammern anheimfallend aufgehoben wurden. Die Kammer der Abgeord-
neten hat dann unter dem 19./24. Juni 1875, die Kammer der Standesherren am
21. Juni 1876 je ihre innere Geschäftsordnung festgestellt. Seitdem wird in der Ab-
geordnetenkammer in der ersten Sitzung nach der Eröffnung der Ständeversammlung ein
Beschluß über die Annahme der vorerwähnten Geschäftsordnung gefaßt, wozu einfache
Mehrheit genügt; ist dann die Annahme erfolgt, so bedarf nunmehr auf Grund des § 99
derselben jede Abänderung oder Abweichung von ihren Bestimmungen während der Dauer
der Sitzungsperiode einer Mehrheit von 2/8 der Abstimmenden. Die innere Geschäfts-
ordnung der Kammer der Standesherren dagegen gilt bis zu ihrer Abänderung ohne
Rücksicht auf die Landtagsperioden. Die sog. äußere Geschäftsordnung für den Verkehr der
Kammern unter sich hat durch die Königl. V. O. vom 20. Okt. 1841 §§ 1—17 ihre
Regelung erhalten.
1. Die Theilung der Stände in zwei Kammern hat die Bedeutung, daß ein
Ständebeschluß in der Regel nur mit Uebereinstimmung beider Abtheilungen zu Stande
diese Frage auf dem Landtage von 1838 gepflogenen Verhandlungen findet, welche zu keiner Ent-
scheidung der Streitfrage führten.
1) Vgl. über diese auf Grund von Regierungsentwürfen vereinbarten Geschäftsordnungen:
Mohl, 1 S. 698. Von der ersten Landesversammlung 1849/50 wurde eine neue Gesch.Ordn.
beschlossen, diese bildete die Grundlage der späteren Gesch. Ordn. der Abg. Kammer, welche, wenn
auch von der Regierung in vielen Beziehungen beanstandet, von 1850 bis 1874 in Geltung sich
erhielt.