108 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 33.
kommen kann. Die der Beschlußfassung der Stände unterliegenden Angelegenheiten werden
daher in jeder Kammer besonders verhandelt.
Ein Zusammentritt beider Kammern findet dagegen statt zum Zwecke
der Eröffnung (V. U. § 160) und nach dem Herkommen auch bei der Schließung der
Ständeversammlung. Außerdem ist der Zusammentritt beider Kammern zu einer Ver-
sammlung vorgeschrieben.
a) für die gemeinsamen Wahlen α. der Mitglieder des Ausschusses (V. U. § 190),
β. der ständischen Mitglieder des Staatsgerichtshofs (V. U. § 196), γ. der den
beiden Kammern gemeinschaftlichen Beamten (V. U. § 193);
b) zur Ablegung des Rechenschaftsberichts des Ausschusses (V. U. § 191); doch ist
letzterer Zusammentritt außer Uebung gekommen (s. u.).
Die V. U. (§ 177) gestattet ferner, daß sich beide Kammern, um eine Aus-
gleichung verschiedener Ansichten zu versuchen, mit einander zu vertraulichen Be-
sprechungen, ohne Protokollführung und Beschlußnahme vereinigen, sie verlangt
ferner eine solche vertrauliche Besprechung vor einer Verwilligung von Abgaben, und im
Falle einer auf zwei sich folgenden Landtagen fortdauernden Meinungsverschiedenheit beider
Kammern (V. U. §§ 181 Z. 1, 183). Auch diese vertraulichen Besprechungen haben nie-
mals praktische Bedeutung erlangt.
Abgesehen von der Eröffnung der Ständeversammlung, bei welcher nach § 160 der
V. U. der Präsident der Ersten Kammer die Stelle des Vorstandes vertritt, führen bei
einem Zusammentritt der Ersten und Zweiten Kammer die Präsidenten beider Kammern
den Vorsitz, indem der Präsident der Ersten Kammer die Sitzung eröffnet und schließt,
die Propositionen macht und die Sitzungspolizei handhabt, während der Präsident der
Zweiten Kammer die Verhandlungen, einschließlich der Abstimmung leitet. Die Abstim-
mung wechselt je zwischen einem Mitgliede der Ersten und der Zweiten Kammer ¹).
Nicht zu verwechseln mit dem Zusammentritt beider Kammern ist das in § 181
Z. 3 der V. U. vorgeschriebene Verfahren, daß nämlich im Falle der Verwerfung eines
von der Kammer der Abgeordneten gefaßten Beschlusses über die Abgabenverwilligung
seitens der Kammer der Standesherren die bejahenden und verneinenden Stimmen in
beiden Kammern zusammengezählt und nach der Mehrheit sämmtlicher Stimmen alsdann
der Ständebeschluß abgefaßt wird (s. o. S. 85).
Der Verkehr zwischen beiden Kammern findet im Uebrigen nur schriftlich statt in
Form von Noten, welche vom Präsidenten unterzeichnet, von einem Sekretär kontrasignirt
werden.
2. Die Beschlußfähigkeit. Die Erste Kammer gilt als vollzählig bei An-
wesenheit der Hälfte, die Zweite bei Anwesenheit von zwei Dritttheilen der zur Theil-
nahme berechtigten Glieder. Hierbei werden in der Kammer der Standesherren die durch
Stimmübertragung vertretenen Mitglieder als anwesend, die ruhenden Stimmen aber als
abwesend betrachtet ²). Ist bei der Einberufung eines Landtags eine der beiden Kammern
nicht in beschlußfähiger Anzahl erschienen, so wird sie nach § 161 der V. U. als ein-
willigend in die Beschlüsse der anderen angesehen. Jedoch steht es in diesem Falle den
erschienenen Mitgliedern der unvollzähligen Kammer frei, den Sitzungen der anderen mit
Stimmrecht beizuwohnen. Eine nachträgliche Konstituirung einer solchen Kammer, nach-
dem einmal die Unvollzähligkeit festgestellt worden, findet nicht statt ³).
1) Aeußere Gesch.Ordn. der K. d. St.H. v. 20./23. Okt. 1841 §§ 3 u. 4.
2) V. U. 160. Mohl, 1 S. 594.
3) Von dem Falle einer nachträglich eintretenden Beschlußunfähigkeit spricht die V. U. nicht,
doch muß in diesem Falle in analoger Anwendung des § 161 dasselbe gelten, wobei vorausgesetzt